Das norwegische Nobelkomitee liess sich bei seiner Wahl von den News beeinflussen und vergibt wieder einmal Vorschusslorbeeren.
16 Jahre lang lag das Überwachungsorgan der internationalen C-Waffen-Konvention in einem Dornröschenschlaf, bis der Auftrag, die syrischen Giftgasbestände zu vernichten, sie wach küsste. Syrien wird nächste Woche offiziell das 190. Mitglied der OPCW, nachdem Präsident Baschar al-Asad in einem abgekürzten Verfahren der Internationalen Konvention zum Verbot des Einsatzes, der Herstellung und der Lagerung chemischer Kampfstoffe beigetreten ist, um einem Militärschlag der Amerikaner zu entgehen. Alle Indizien weisen darauf hin, dass es syrische Regierungstruppen waren, die am 21. August Vororte von Damaskus mit chemischen Kampfstoffen angriffen.
100 Uno-Experten vor Ort
Die Aussenminister der USA und Russlands hatten sich daraufhin in einer Krisensitzung am 14. September in Genf auf ein „Rahmenabkommen zur Beseitigung der syrischen C-Waffen“ geeinigt. Zwölf Tage später segnete der Weltsicherheitsrat diesen Plan einstimmig ab. Mit der Durchführung der chemischen Abrüstung Syriens wurde neben einem Expertenteam der UNO die OPCW beauftragt. Die UNO hat bisher mehr als 100 Experten vor Ort entsandt, die OPCW 27. Diese sind nach Aussage des OPCW-Generaldirektors Ahmet Üzümcü zuerst einmal damit beschäftigt, „ein Inventar der syrischen C-Waffen zu erstellen und die Bestände mit Hinblick auf ihre Zerstörung zu versiegeln“.
Üzümcü ist ein 62-jähriger türkischer Diplomat, der unter anderem als Botschafter in Wien, in Israel und bei der Nato diente. Syrien kennt er aus eigener Erfahrung als ehemaliger Konsul in Aleppo. Die OPCW leitet er seit 2010.
Druck auf Israel, Nordkorea, Ägypten ...
Das Nobelkomitee begründet seine Wahl damit, dass „die C-Waffen-Konvention und die OPCW den Einsatz chemischer Kampfstoffe als ein völkerrechtliches Tabu definieren“. „Die jüngsten Ereignisse in Syrien haben die Wichtigkeit der Bemühungen unterstrichen, solche Waffen abzuschaffen“, heisst es weiter.
Der Friedensnobelpreis für die OPCW verstärkt zweifellos den Druck auf Israel, Ägypten, Nordkorea, Angola, Myanmar und Südsudan, als letzte Staaten dem internationalen C-Waffen-Verbot beizutreten. Dann hätte dieser Vertrag universelle Gültigkeit. Das wäre ein grosser Fortschritt, obwohl chemische Kampfstoffe noch nie in Kriegen eine entscheidende Rolle gespielt haben. Auch im syrischen Bürgerkrieg geht das Morden mit herkömmlichen Waffen weiter.
Kein westlicher Protest nach irakischem C-Waffen-Einsatz
Der Ersteinsatz von chemischen Waffen ist bereits durch das Genfer Giftgasprotokoll von 1925 weltweit verboten. Dennoch setzte die ägyptische Luftwaffe bei ihrer Intervention im jemenitischen Bürgerkrieg 1962 bis 1970 Senfgas ein. Im Krieg zwischen Irak und Iran 1980-88 griffen die irakischen Streitkräfte ihre Gegner massiv mit modernen chemischen Waffen an. Rund 50.000 iranische Soldaten kamen dabei qualvoll ums Leben, ohne dass die westlichen Regierungen protestierten. Der damalige US-Präsident Ronald Reagan vertrat die Meinung, dass alles, was das Khomeini-Regime schwächt, gut für die USA sei. Die USA hatten den Irakern die chemische Munition geliefert.
Als Saddam Hussein im März 1988 gegen die irakische Kurdensiedlung Halabscha wegen angeblicher Kollaboration mit dem Feind modernes Nervengas einsetzte, wurden mindestens 5000 Menschen getötet. Doch Washington, London und Paris blieben stumm. Nur einige humanitäre Organisationen prangerten damals das schwere Verbrechen gegen die Menschheit an.
Die Sowjets lieferten Syrien C-Waffen-Systeme
Wenn jetzt die USA und Russland zusammenspannen, um die chemischen Waffen Syriens zu vernichten, so kehren sie den Ursprung dieser Waffen unter den Teppich. Nach Aussage des russischen Chemikers Wil Mirzajanow, der von 1965 bis 1992 im Moskauer Forschungsinstitut für organische Chemie und Technologie arbeitete, hat die damalige Sowjetunion seit 1980 komplexe chemische Waffensysteme an Syrien geliefert. Syrische Militärs seien in Moskau für den Umgang mit diesen Waffen ausgebildet worden. Diese Zusammenarbeit sei nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion fortgesetzt worden. Ein General namens Anatolij Kunzewitsch wurde als Berater nach Damaskus entsandt, wo er nach seiner Pensionierung weiterhin tätig blieb.
Ob der Friedensnobelpreis für die OPCW gerechtfertigt ist, lässt sich erst an den Ergebnissen der Syrienmission ermessen. Positiv ist auf jeden Fall, dass diese Ehrung einen der schlimmsten Auswüchse der Waffentechnologie ins öffentliche Bewusstsein rückt und die Lösung aufzeigt.