Viele Politiker und Notenbanker glauben heute noch, dass man mit tiefen Zinsen strukturelle Probleme lösen könne. Tiefe Zinsen sind jedoch das Problem, nicht die Lösung. Sie verzögern längst fällige Reformen und die Liquidation von unproduktiven bzw. unrentablen Unternehmen. Tiefe Zinsen führen auch zur Fehlallokation von Kapital. Kredite werden für den Konsum und in den Eigenheimbau aufgenommen. Daraus resultieren keine künftigen Cash flows, mit denen die aufgenommenen Schulden abbezahlt werden können. Solche Schulden sind somit nicht nachhaltig. Die Unternehmen setzen günstiges Fremdkapital auch dazu ein, Aktien zurückzukaufen und Akquisitionen zu tätigen. 2015 dürfte die grossen US-Konzerne mehr Geld für Aktienrückkäufe einsetzen als für Sachinvestitionen. Auch damit werden kaum neue Arbeitsplätze geschaffen. Hingegen erhöht sich der Leverage (Verschuldung im Verhältnis zum Eigenkapital) der Unternehmen, was im Krisenfall problematisch werden kann. Will oder muss ein Schuldner seine Kredite eines Tages reduzieren, was vor allem bei steigenden Zinsen der Fall sein wird, dann ist er gezwungen, seinen Konsum einzuschränken. Damit ist ein Ausbremsen des nächsten Aufschwungs bereits programmiert.
Die Investoren sind wegen der tiefen Zinsen nur beschränkt bereit, langfristige Engagements einzugehen bzw. Bonds zu erwerben. Sie sind sich bewusst, dass Zinsen nicht ewig bei Null verharren werden. Mit anziehender Konjunktur und Inflation, bei Währungsproblemen oder wenn Staaten und Unternehmen unter ihrer Schuldenlast zusammenbrechen, drohen Zinserhöhungen. Dann werden Anleger auf ihren Obligationen Kursverluste oder Ausfälle erleiden. Die Unternehmer wiederum fürchten, dass nach Ablauf ihrer heute günstigen Kredite, eine Verlängerung derselben nur zu wesentlich höheren Zinsen erfolgen kann. Dann würden viele der heute dank tiefen Zinsen noch rentablen Projekte zu Verlustobjekten mutieren. Viele Anleger sind heute nicht mehr bereit, grössere langfristige Risiken einzugehen, weil die Zinsaufschläge minderwertiger Schuldner im Vergleich zu Staatsanleihen die Verlustrisiken nicht mehr ausreichend abdecken. Die Notenbanken sind somit selbst wesentlich für die serbelnde Weltwirtschaft verantwortlich.
Verstärkter Deflationsdruck
Den grössten Schaden werden die Notenbanker wohl in den Altersvorsorgewerken hinterlassen. Die laufenden Fälligkeiten an Obligationen führten dazu, dass diese nun Festverzinsliche in ihren Portefeuilles halten, deren Erträge unter den Renditeversprechen liegt, auf denen die Renten basieren. Viele Aktien- und Immobilienmärkte verzeichneten mangels attraktiver Anlagemöglichkeiten im Zinsbereich einen Aufwertungsschub. Wie rasch solche Preisblasen platzen können, hat China unlängst vordemonstriert. Die tiefen Kapitalerträge und die teils hohen Bewertungen der Aktien und Immobilien wirken sich auch auf den Konsum der wachsenden Rentnerschar aus. Diese geben ihr Geld nicht mehr so grosszügig aus wie in der Vergangenheit, denn sie erzielen auf ihrem Ersparten nicht mehr die nötigen Erträge. Sie können sich zwar an Kursgewinnen auf Aktien und Immobilien freuen, aber um diese zu realisieren, müssten sie diese verkaufen, was im Falle von Eigenheimen schwerlich Sinn macht. Die Wiederanlage in Obligationen mit Zinsen unter 1% wäre jedoch sehr riskant. Die aktiven Beitragszahler in die Rentensysteme müssen früher oder später mit Nachfinanzierungen rechnen, obwohl schon heute einen bedeutenden Betrag ihrer Beiträge zum Ausgleich der fehlenden Kapitalerträge an die Rentner umverteilt wird. Ihre eigene Rente wird deswegen geringer ausfallen. Dazu kommen Zweifel, ob die Renten in Europa auf dem derzeitigen Niveau gehalten werden können. In mehreren Ländern stehen Reformen der Altersvorsorge an und die Rentenkürzungen in Griechenland zeigen die Richtung an, in die solche zwingend notwendigen Reformen gehen werden.
Mit ihrer Tiefzinspolitik und direkten Eingriffen am Devisenmarkt versuchen die Notenbanken gegenüber anderen Volkswirtschaften Vorteile für ihre eigene Exportindustrie herauszuholen. Dies ist aber jeweils nur so lange möglich bis auch die übrigen grossen Wirtschaftsblöcke das Gleiche tun. Über die Abwertungen werden indirekt die Importe anderer Länder verbilligt, was dort zu Deflationsdruck führt. Die billigen Importe zwingen dann auch die inländischen Produzenten, ihre Preise und Kosten zu senken, was den Deflationsdruck noch erhöht und oft zu Gegenmassnahmen verleitet. Diese Preisspirale nach unten wird von den grossen Notenbanken (US-Fed, EZB, BoJ) nun schon seit einigen Jahren gepflegt. Sie haben wohl aus dem Währungskrieg der 20er und 30er-Jahre nichts gelernt. Mit dem Eintritt der Bank of China in diese Abwertungsspirale könnte sich der Deflationsdruck weiter verstärken. Das hindert die Notenbanker aber nicht daran, die von ihnen selbst in Gang gesetzte Deflation als Rechtfertigung für ihre Nullzinspolitik aufzutischen.
Schleichende Enteignung der Anleger
Die Notenbanken neigen heute dazu, vorerst konkrete Wirtschaftszahlen, die einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung belegen, abzuwarten, bevor sie eine Normalisierung der Zinsen herbeiführen wollen. Diese Daten erscheinen aber immer erst mit reichlicher Verspätung, womit die Notenbanken in der Regel eine Zinswende zu spät einleiten, zumal ein Richtungswechsel der Geldpolitik meist erst nach 1-2 Jahren Wirkung zeigt. Sie sind dann auch nicht bereit, die Zinsen auf einen Schlag um 1% oder 2% anzuheben, sondern werden die Zinsschraube wohl über Jahre in kleinen Trippelschritten anziehen. Die Globalisierung wird zwar dafür sorgen, dass der internationale Wettbewerb die Teuerung tief hält, aber es ist durchaus denkbar, dass nach einem umfassenden Kapazitätsabbau, die Rohstoffpreise wieder anziehen werden. Kommt dazu noch eine Erstarkung der Rohstoffwährungen, dann könnten die Commodity-Preise stärker und rascher als heute erwartet ansteigen und dennoch zu einem Teuerungsschub führen. Die Notenbanken und vor allem die Regierungen wünschen sich ja eine schleichende Enteignung der Anleger herbei, denn es ist einfacher, die Bürger über eine hohe Inflation zu enteignen als Steuern zu erhöhen oder neue Steuern einzuführen, denn im Gegensatz zu den Arbeits- und Gütermärkten sind Kapital und Informationen heute viel mobiler. Kommt dazu dass die Staatshaushalte mit gegen 50% des BIPs und mehr (Frankreich: 57%) bereits ein untragbares Ausmass erreicht haben. Anleger und Unternehmen werden Länder mit drohenden Steuererhöhungen eher meiden und dort keine Investitionen mehr tätigen. Die Steuerbelastung der Unternehmer hat ein Niveau erreicht, das das Eingehen von Unternehmerrisiken erstickt. Dazu kommen neue Rechtsunsicherheiten in Sachen Unternehmenssteuern. Das OECD-Projekt „Base Erosion and Profit Sharing“ absorbiert erneut unnötig Managementkapazitäten der Unternehmen. Statt sich um die Zukunft ihrer Unternehmen zu kümmern, müssen sich die Führungskräfte gegen die Kriminalisierung der Steueroptimierung verteidigen. Als Folge dieser Hetzjagd wird Kapital unproduktiv blockiert, weil eine Repatriierung oder eine Verschiebung über die Grenzen Steuerbelastungen auslöst. Dies demonstrieren US-Konzerne vor, die lieber im Inland Kredite aufnehmen oder Anleihen ausgeben, als dass sie ihre im Ausland geparkte Liquidität nach Hause abführen, wo Steuern anfallen. Die Idee, Unternehmen dort zu besteuern, wo die Wertschöpfung stattfinde, ist reine Willkür. Ins gleiche Kapitel gehören die Pläne der EU-Politelite, den Steuerwettbewerb in Europa mit einer umfassenden Harmonisierung zu eliminieren. Es hat noch nie in der Geschichte der Steuern eine Harmonisierung von Steuern nach unten gegeben. Somit bedeutet die von vielen EU- und nationalen Politikern anvisierte Steuerharmonisierung in Europa nichts anders als Steuererhöhungen. Auch die Politik ist somit massgeblich an der Investitionsunlust in Europa mitschuldig.
Mit der Abflachung des Wachstums in den EM, die heute 50% des Welt-Bruttosozialproduktes ausmachen, und angesichts der Überkapazitäten in vielen Branchen, wird die Inflation vorderhand jedoch gedrückt bleiben. Dies bedeutet, dass die Unternehmen ihre Preise und damit die derzeit gedrückten Margen nicht erhöhen können. Sinkende Preise bedeuten auch geringere Mehrwertsteuereinnahmen, sinkende Margen geringere Unternehmenssteuern. Wenn nun noch höhere und neue Steuern die Gewinne dezimieren, dann muss man sich nicht wundern, dass die Investitionen ausbleiben. Deshalb sind auch die Bemühungen der EU mit dem EUR 315 Mrd. Investitionsplan von Kommissionspräsident Juncker wenig erfolgversprechend. Im Gegenteil. Das Prinzip „first come, first served“ ist ein klares Indiz dafür, wie planlos die EU-Politelite agiert. Auch wenn 4 Schwerpunkte (Schaffung von Jobs, Massnahmen gegen die Klimaänderung, Wettbewerbsverbesserung, Innovationskapazität steigern) gesetzt wurden, so wird sich wohl das wiederholen, was in der EU üblich ist. Das meiste Geld wird wieder in jene Länder zurückfliessen, die am meisten zum gemeinsamen Investitionsfonds beitragen. Diese Länder gehören aber meistens nicht zu jenen, die am stärksten unter Arbeitslosigkeit und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit leiden. Deshalb erscheint der Juncker-Plan zwar gut gemeint, aber eher kontraproduktiv, denn damit werden erneut administrative EU-Bürokratie aufgebaut und Strukturänderungen verschleppt. Mit den gleichzeitig den Banken neu auferlegten Eigenmittelanforderungen und bürokratischem Ballast (EU-Kreditregister, AIA etc.) besteht wenig Hoffnung, dass der Risikoappetit der Finanzbranche zunimmt. Im Gegenteil, die Renationalisierung der Geschäftstätigkeit wird sich fortsetzen und die Banken werden gezwungen sein, Geschäftssparten und Standorte aufzugeben.
EU-Bürokraten-Moloch
Brüssel möchten mehr Macht und deshalb die nationalen Regierungen und Parlamente möglichst ausschalten. Für mehr Macht benötigt die EU-Zentrale aber zusätzliches Geld. Deshalb strebt man einen grösseren gemeinsamen EU-Haushalt, eine gemeinsame Fiskal- und Steuerpolitik an. Was damit finanziert werden soll, ist jedoch noch unklar. Die Rede ist vom Bildungswesen, vom Gesundheitswesen, von gemeinsamen Sozialversicherungen. Eine europaweite gemeinsame Arbeitslosenversicherung steht bekanntlich bereits in der Vorbereitung. Umverteilung strebt man offensichtlich auch über den Finanzsektor an. So will man trotz Widerstand Deutschlands eine gemeinsame Einlagenversicherung und einen Abwicklungsfonds einrichten, mit dem die Anleger für Bankinsolvenzen entschädigt und Banken in Liquidation zwischenfinanziert werden sollen. Längerfristig will man auch die Altersrenten zentralisieren. Der EU-Bürokraten-Moloch wird mit dem Essen immer hungriger.
Statt Bürokratie, unfaire Subventionen und Staatsinterventionen zu reduzieren, baut die EU diese noch aus. Deshalb verwundert es nicht, dass die EU-Wirtschaft im Bürokratensumpf der EU erstickt und die Investitionen nun schon seit einigen Jahren um 10-15%, in einigen Ländern sogar noch stärker, unter dem Niveau vor der Finanzkrise liegen. Das sind immerhin rund 2% des BIP. Damit blieb in der EU auch die Arbeitslosigkeit mit 9.5% hoch, während sie sich in den USA seit dem Krisenhoch fast halbiert hat. Seit 2007 bis 2015 ist das BIP in den USA um knapp 10% gewachsen, in der EU um lediglich 2.3%. Alle Hoffnungen, dass sich Europa nachhaltig aus der Krise befreien könnte, erscheinen fehl am Platz, solange es nicht zu einem Kahlschlag des bürokratischen Wildwuchs und einer Ablöse unfähiger Politiker kommt.
"Rette sich aus der EU, wer kann"
Aber dies ist ein schwieriger Kraftakt, der an der mangelnden Demokratisierung der EU scheitert. Eine solche findet in der EU nicht statt. Im Gegenteil. Es ist geradezu eine Ironie, wenn man eine EU-Mitgliedschaft damit begründet, dass man damit am grossen EU-Beamtentisch in Brüssel mitreden und mitentscheiden könne. Wie Länder behandelt werden, die z.B. in der Griechenland- oder Flüchtlingsfrage nicht die Meinung von Kanzlerin Merkel teilen, zeigten die jüngsten Androhungen von Subventionskürzungen und anderem. Demokratisch gewählte, aber von den Christdemokraten und Sozialisten in Brüssel nicht genehme Regierungen werden aufs übelste beschimpft. Dabei gäbe es vor allem bei jenen Kritik anzubringen, die in Brüssel das Sagen haben, aber laufend Verträge nicht einhalten und auch nicht bereit sind, Sanktionen gegen solche Vergehen auszusprechen. Dass Politiker Verträge brechen können, dass sich Notenbanker politisch instrumentalisieren lassen, ohne dass sie dafür Konsequenzen tragen müssen, dass dem Volk eine Scheindemokratie vorgegaukelt wird, das sind seit Jahren die drei Krebsübel der EU. Wenn man sich diese jüngsten und programmierten Entwicklungen in Europa vor Augen führt, dann kann man eigentlich nur eine Schlussfolgerung ziehen „Rette sich aus der EU, wer kann!“.
PS: Aber flüchtet bitte nur in die Schweiz, wenn ihr gut ausgebildet seid und euer Vermögen mitbringt.