Im Swatch-Haus träumte man seit Jahren von schönem, teuerem Schmuck. Im breitgefächerten nahezu 20 Marken umfassenden Uhrensortiment, von der Luxusklasse bis zur hochwertigen Kunststoffsparte, nahm der Schmuck nur einen bescheidenen, kaum beachteten Platz ein.
Breguet und Omega legen zwar goldene, diamantenbesetzte, vielbestaunte Schmuckuhren in die Schaufenster. Sicher ein schönes aber doch marginales Angebot, das in den Umsatzzahlen allerdings nur einen zu vernachlässigenden Platz einnahm (Schätzungen gemäss weniger als 5 Prozent) . Da gibt es noch Léon Hatot Haute Joaillerie, mit dem man nicht sehr weit kam. Die Tochterfirma ck Watch & Jewelry bewegt sich eher auf unteren Ebenen. Der Anschluss an die Konkurrenz, wie beispielweise an die Richemont-Gruppe mit berühmten Namen wie Piaget, Cartier usw. erwies sich als schwierig.
Ein Paukenschlag
Mit einem Paukenschlag gibt die Watch Group nun eine vielversprechende Wende und Weichenstellung bekannt : die 100prozentige Übernahme von Harry Winston in New York, den „unbestritten exklusivste und prestigeträchtigste Schmuckhändler“. In der Tat ein wahres Schmuckkästchen. Swatch zahlt dafür 750 Mio. Dollar. Hinzu kommt die Übernahme von Schulden in der Höhe von 250 Mio. Dollar. Der Einstieg in den weltweiten Markt für Luxusschmuck kostet somit eine Milliarde Dollar.
„Ein vernünftiger Preis“, so lässt sich Swatch-Konzernchef Nick Hayek in der welschen Tageszeitung Le Temps zitieren. Was seiner Ansicht nach etwa der Hälfte eines Jahresgewinnes entspräche. Die Finanzierung der für die Gruppe historischen Rekordakquisition stelle jedenfalls keine Probleme. Swatch verfügt über flüssige Mittel in der Höhe von etwa zwei Milliarden Franken. Das Eigenkapital wurde im letzten Geschäftsbericht mit über 8 Mrd. Fr. ausgewiesen.
Bald im Diamantenhandel?
Harry Winston wurde 1932 gegründet und hat seinen Sitz an der Fifth Avenue in New York. Das Traditionsunternehmen betreibt weltweit 22 eigene Boutiquen (davon eine in Genf). Der Umsatz wird mit über 420 Mio. Dollar ausgewiesen. Die Zunahme liegt bei 12 Prozent. In der Gruppe werden 535 Personen beschäftigt. Winston besitzt eigene Diamanten-Minen und ist somit im Diamantenhandel massgebend tätig. Dieser Bereich ist von Übernahme nicht betroffen und wird als selbständiges Unternehmen weitergeführt.
Winston bezeichnet sich gerne selber als „Diamantenkönig“ und „Juwelier der Stars“. Zu ihren Kunden zählt u.a. die britische Königin Elisabeth II. Seit einigen Jahren ist die Firma auch in der Luxusuhrenbranche präsent. In Plan-les-Ouates bei Genf befindet sich eine ultramoderne Produktionsstätte. Trotz den im Vergleich zu Swatch-Zahlen eher bescheidenen Werten sehen Nick Hayek und seine Schwester Nayla Hayek, Verwaltungsratspräsidentin, in Harry Winston ein grosses Entwicklungspotential. So wird bis in etwa drei oder vier Jahren bereits mit einem Umsatz von etwa einer Milliarde Franken gerechnet, Ob Hayeks vielleicht eines Tages auch im Diamantengeschäft mit mischen? Eine Prüfung der Möglichkeit einer Aufnahme von Gesprächen über ein eventuelles Joint venture wird jedenfalls in Fachkreisen nicht von der Hand gewiesen.
Der Schatten Tiffanys
Bereits vor ein paar Jahren hatte Swatch einen Schritt in die Schmuck-Luxusklasse gewagt und sich mit dem weltberühmten Unternehmen Tiffany in den USA zusammengetan. Uneingeschränkte Begeisterung und hoffnungsvolle Zukunftsvisionen begleiteten das Zusammengehen. Aus den Wachstumsträumen wurde nichts. Gegensätzliche Firmenkulturen, unterschiedliche Geschäftsauffassungen liessen sich offensichtlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen.
Letztes Jahr kam es zur Trennung. Tiffany war ein Flop, der noch seine Schatten über Swatch gelegt hat. Die Bieler liegen mit dem US Juwelier im Streit. Den Amerikanern wird vorgeworfen, sie hätten die Geschäftsentwicklung erschwert oder gar verunmöglicht. Swatch stellt Schadenersatzforderungen von 3,8 Mrd. Franken. Im Gegenzug fordert Tiffany von Swatch nahe 550 Mio. Franken.
2012 mit Rekordumsatz
Für Aufsehen in Finanz- und Börsenkreisen sorgte Swatch zu Beginn dieses Jahres mit einem Glanzresultat für das vergangene Geschäftsjahr. Erstmals hat der Umsatz die 8 Mrd. Fr.-Limite überschritten, und zwar um eine ganze Milliarde Franken und erreicht somit 8,15 Mrd. Fr, ein Plus von 14 Prozent. Davon entfallen 7,3 Mrd Fr. auf den Uhren- und Schmuckbereich was einem Wachstum von 15,6 Prozent entspricht. Die Gruppe konnte auch Marktanteile gewinnen. Das Wachstum liegt über dem Branchendurchschnitt. Die Uhrenindustrie ist gesamthaft eine der wenigen Branchen die im letzten Geschäftsjahr sich weiter positiv entwickelt hat, wenn auch da und dort eine gewisse Verlangsamung erkennbar wird.
Bei Swatch Group haben alle Marken glanzvoll abgeschnitten und markant zugelegt. Omega steht mit 2,5 Mrd. Fr. an der Spitze der Rangliste der Swatch-Gruppe. Longines dürfte letztes Jahr die erste Umsatzmilliarde deutlich überschritten haben. Und Tissot und die Marke Swatch, (die nebenbei bemerkt dieses Jahr 30 wird) sollen zu den Swatch-Milliardären gehören. Mit Ertragszahlen wird bis Ende Februar gerechnet. Erwartet wird eine Gewinnsteigerung von etwa 19 Prozent auf 1,5 Mrd. Franken. Die Aktionäre dürfen sich freuen. Der Wert ihrer Titel hat zudem 2012 um etwa 30 Prozent zugenommen. Für das laufende Jahr ist man in Biel zuversichtlich. Ein Wachstum von 8 Prozent ist nicht auszuschliessen, was den Umsatz in die 9 Mrd.Fr.-Nähe bringen könnte.