Gegenwärtig stehen Bahrain, Libyen und Jemen in Flammen. Kleinere Unruheherde werden gemeldet aus dem Irak, aus Djibuti, aus Algerien. Sogar in Kuwait und in Oman gibt es Protestaktionen, in Saudiarabien existieren Gruppen, die auch an Protest denken.
Verhandlungspause in Bahrain
In Bahrain hat sich nach anfänglich hartem Zurückschlagen der Sicherheitskräfte eine Art von Waffenstillstand entwickelt. Zuerst die Armee und dann die Polizei haben sich von dem umkämpften Perlenplatz zurückgezogen und erlaubten den Demonstranten, ihn wieder in Besitz zu nehmen, während der Kronprinz, Salman bin Hamad, im Auftrag seines Vaters, des Königs Hamad, Verhandlungen mit den protestieredenen Vokskräften begann.
Was den Umschwung bewirkte, ist nicht ganz klar, doch kann man vermuten, es waren teils die Reaktion und die Ratschläge des westlichen Auslands, besonders Washingtons und Londons, von denen das Regime stark abhängt, teils auch eine Rollenteilung innerhalb der Herrscharfamilie, die möglicherweise auch mehr sein könnte: Divergierende Ansichten darüber, wie die Krise zu meistern sei. Jedenfalls sind nun der Herrscher und sein Kronprinz in den Vordergrund getreten, während der Regierungschef sich zurückhält.
Die harte Linie der Regierung
Oberhaupt der Regierung ist seit 40 Jahren Salman Al-Khalifa, ein sehr viel jüngerer Bruder des 1999 verstorbenen früheren Herrschers und Onkel des gegenwärtigen Königs. Er steht einer Regierung vor, in der es 29 Minister gibt, 17 davon gehören zum Herrscherhaus der Khalifa. Diese Regierung hat mit sehr harter Hand das Land kontrolliert und dafür gesorgt, dass alle politische Opposition, die primär stets von Seiten der schiitischen Bevölkerungmehrheit kam, erstickt wurde - in vielen Fällen durch Gefangennahme und Folter, die dazu diente, Geständnisse zu erpressen, die dann den Vorwand für Verurteilungen zu langjährigen Gefängnisstrafen lieferten.
Als der Hauptverantwortliche für diese menschenverachtenden Massnahmen gilt der Minister für die Sicherheitsagenturen, Khaled Ben Abdullah Al-Khalifa, ebenfalls ein Angehöriger des Herrscherhauses. Das Kabinett, das als eine Regierung der harten Linie gelten muss, bleibt bestehen, doch zur Zeit ist es der Kronprinz, Salman Ben Hamad Al Khalifa, der Verhandlungen führt.
Unbefriedigende "Reform" von oben"
Die Forderungen der Volkskräfte in Bahrain sind bekannt. Sie reichen von solchen sozialer Natur, bessere Wohnungen, gerechtere Verteilung der staatlichen Stellen, bis zu solchen politischer Art, eine Verfassung, die vom Volk geschrieben werde, nicht vom Königshaus und eine echte konstitutionelle Monarchie. König Hamad hatte 2001 eine Verfassung erlassen und einen Reformprozess eingeleitet, für welche er vom Ausland viel Lob erhielt. Doch die neuen Verfassungsregeln erwiesen sich als derart, dass sie der harten Linie, die von der Regierung verfolgt wurde, freien Spielraum liessen, während die vielen Mitglieder des Herrscherhauses und deren Günstlinge aus der sunnitischen Gemeinschaft viele Möglichkeiten erhielten, um sich zu bereichern und die dem Staat gehörigen Inseln und Ländereien in ihren persönlichen Besitz zu bringen. (Bahrain ist ein Archipel von total 33 Inseln und Inselchen).
Wohin die Verhandlungen führen werden ist noch unklar. Doch die Demonstranten, die erklärt hatten, sie würden nicht verhandeln, solange die Sicherheitskräfte den Perlen Platz besetzt hielten, haben mit der Aufgabe des Platzes durch die Sicherheitskräfte und ihrer Rückkehr auf ihn einen ersten Sieg errungen, der sie sehr optimistisch stimmt.
Libyen: Repression im Schatten der Nachrichtensperre
Der Ablauf in Libyen ist sehr anders. Dort brachen die Demonstrationen in der östlichen Provinz Cyrenaika aus, besonders in deren Hauptstadt Benghazi. Die Bewohner der Cyrenaika hatten schon früher Erhebungen gegen das Regime Ghaddafis versucht. Im Jahr 2006 wurden Unruhen in Benghazi blutig niedergeschlagen. Die Stämme der Cyrenaika sind in vielen Fällen Gegner und Rivalen der Stämme aus dem Fezzan und dem Hinterland von Tripolis, auf die Ghadhafi sich stützt. Die Stadtbewohner von Benghazi klagen seit langer Zeit über Vernachlässigung gegenüber der weit entfernt westlich gelegenen Haupt- und Regierungsstadt Tripolis. Ihre Demonstrationen arteten rasch in bürgerkriegsähnliche Unruhen aus. Polizeiposten wurden verbannt, und Demonstranten erschossen.
Es steht zu befürchten, dass Ghadhafi beschlossen hat, den Aufstand in seiner Ostprovinz rücksichtslos niederzuschlagen. Die ganze Cyrenaika wurde isoliert. Die Telefonlinien und die digitalen Verbindungen wurden gekappt. Ausländische Journalisten gibt es in ganz Libyen keine. Die Cyrenaika ist nun ein schwarzes Loch aus dem nur erstickte Hilfeschreie nach aussen dringen. Es gibt Berichte über bereits hundert Tote. Aus den Spitälern wurde mitgeteilt: Viele Tote und Verwundete erlitten Kopfschüsse und Schüsse in die Brust, also gezielte Tötungen.
Sogenannte Elitetruppen Ghadhafis sollen nach Benghazi transportiert worden sein. Unbestätigte Berichte sprechen vom Einsatz von schweren Maschinengewehren und Raketen durch diese Truppen. Vielleicht wird man erst nach Jahren erfahren, wie genau und unter wievielen Opfern die Repression durchgeführt wurde. Aus Tripolis werden nur kleinere Demonstrationen für und gegen das Regime gemeldet.
Protest, Gegenprotest und Separatismus in Jemen
In Sanaa sind es offenbar in erster Linie die Studenten, die gegen den Staatschef, Ali Abdullah Saleh, demonstrieren. Gegen sie hat der Staat Anhänger des Staatschefs mobilisiert und die beiden Gruppierungen liefern sich Strassenkämpfe mit Messern und Steinen. In Aden jedoch wird geschossen, weil dort seit geraumer Zeit sezessionistische Gruppen vorhanden sind, die darauf ausgehen, erneut einen Südjemenitischen Staat aufzurichten, wie er vor 1991 bestand. Die Armee geht gegen sie als Rebellen vor, und die neue Protestbewegung der jungen Generation wird dort mit der separatistischen gleichgesetzt.
Eine einheitliche Protestbewegung gibt es offenbar nicht, und dies bietet dem Regime eine Chance, die Armee gezielt dort einzusetzen, wo ihr Eingreifen keine Loyalitätsprobleme für die Soldaten und Offiziere hervorruft. Die Solidarität zwischen Angehörigen gleicher oder verbündeter Stämme, wirkt in weiten Volksschichten stärker als das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit. Das Regime kann dies zu seinen Gunsten ausnützen.
Aufbegehren der Provinzen im Irak
Im Irak, woher ebenfalls Volksunruhen gemeldet werden, handelt es sich primär um Kritik an der mangelnden Leistungsfähigkeit der Regierung, die es noch immer nicht fertig bringt, das Land in genügender Weise mit Elektrizität und mit Trinkwasser zu versorgen. Die Unruhen sind lokale Proteste in vielen Provinzzentren von Kurdistan bis nach Südirak, Bagdad ist vorläufig nicht betroffen. Ministerpräsident Maleki ist am Fernsehen aufgetreten und bat um mehr Zeit, die notwendig sei, um den Missständen abzuhelfen.
Da die Politiker seit den Wahlen im März 2010 viele Monate damit verbrachten, die Regierungsposten unter sich zu verteilen, und während all dieser Zeit mehr damit beschäftigt waren, als mit ihren Regierungsaufgaben, ist die Ungeduld der Bevölkerung leicht nachzuvollziehen.