Es muss neben der verstopften Nase ein ausgetrockneter Gaumen mit brennender Zunge sein, der uns warme Eiche, Rosinen mit Hirschledernote und Pflaumenkompott mit Brotrinde als Wohlgeschmack empfinden lässt. Bei klaren Sinnen würden wir uns mit einem "Pfui Teufel!" bedanken.
Doch gar manche reagieren mit einem freudigen "Ja gerne!", wenn sie Eiche, Hirschleder und Brotrindenkompott nicht essen müssen, sondern trinken dürfen. Dann gelten auch getrocknete Aprikosen mit Gewürznelke, Alpenheidelbeeren mit Szechuanpfefferkörnern und Lakrizen mit steiniger Note in breiten Käuferschichten als Qualitätsmerkmale für Weine. Die wilde Duft-Symphonie versetzt in Begeisterung. An dunkle Edelhölzer erinnernde Brombeeren, schwarze Kirschen mit Mokka und malzgetönte Oliven wetteifern um die Gunst der Konsumenten.
Die Zunge kann nur süss, sauer, salzig und bitter unterscheiden. Nuancierung und Steigerung bis zu den kühnsten Superlativen besorgt die Nase - wenn sie es kann und nicht einfach riechen will, was wir ihr vorgelesen haben.
Vielleicht steckt im Wein die Wahrheit. Die Wahrheit über den Wein allerdings finden wir nur in den Flaschen und sicher nicht in den Werbetexten. Sie stammen von Marketingpoeten. Sie haben den Zeitgeist erfasst und wissen, dass viele den Wein als Erlebnis der Düfte aus der grossen weiten Welt der Räucherstäbchen, Duschgels und Konfitüren dem reinen Wein vorziehen. Weinschnüffler sind Geniesser, Weintrinker Alkoholiker. Womit die Beschreibungen nicht nur als lyrischer, sondern auch noch als diskriminierender Verschnitt enttarnt wären.