Am Mittwoch wurde ein von Frankreich ursprünglich wegen des Flüchtlingsstroms aus Syrien und der Lage im Libanon einberufenes Aussenministertreffen in Paris zu einer Ukraine-Konferenz umfunktioniert.
Schlüsselrolle der Schweiz
John Kerry (USA), Sergej Lawrow (Russland), Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), William Hague (Grossbritannien) und Laurent Fabius (Frankreich) sassen mit am Tisch. Alle Bemühungen der Westmächte, Lawrow zu einem Treffen mit dem ebenfalls in Paris aufgekreuzten ukrainischen Aussenminister Andrii Deschtschiza zu bewegen, scheiterten. Russland anerkennt die neue Regierung in Kiew nicht. Schliesslich einigte man sich bloss darauf, „intensive Diskussionen fortzuführen“.
Eine Schlüsselrolle bei der Suche nach einer Lösung des Ukraine-Konflikts spielt unversehens die Schweiz. Als derzeitige Vorsitzende der OSZE ist der Eidgenossenschaft die Aufgabe zugefallen, die aus 57 Staaten bestehende Organisation aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken. Die Schweiz war bei der Gründung der OSZE und der ihr zugrunde liegenden Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) vor 40 Jahren sehr aktiv. Gemeinsam mit den anderen neutralen Staaten Finnland, Österreich und Schweden gelang es ihr, die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten rund um die nördliche Erdhälfte in die KSZE-Schlussakte von Helsinki einzubauen. Dieser Vertrag gilt für viele Historiker als Auslöser des Zusammenbruchs des kommunistischen Herrschaftssystems.
Vage Zustimmung
Heute sieht die Welt ganz anders aus. Die Sowjetunion und der Ostblock sind Geschichte, die der jungen Generation nicht mehr viel sagt. Finnland, Österreich und Schweden sind der Europäischen Union beigetreten. Die Schweiz steht auf dem internationalen Parkett ziemlich allein. Die wundersame Aufwertung der OSZE bietet ihr jetzt eine Chance, erneut ihre guten Dienste und ihre Erfahrungen beim Konfliktmanagement einzubringen.
Bundesrat Didier Burkhalter gab am Dienstag im Parlament bekannt, dass die OSZE unter seiner Leitung eine Mission von 1000 Beobachtern der Lage in der Ukraine aufstellt. Davon sollen 900 die für Mai geplanten Neuwahlen überwachen. Eine Vorhut von 35 Mann ist am Mittwoch nach Kiew abgereist. Zum Vermittler ernannte Burkhalter den erfahrenen Diplomaten Tim Guldimann, derzeit Botschafter der Schweiz in Berlin.
Der Schweizer Aussenminister hat auch die Schaffung einer internationalen Kontaktgruppe vorgeschlagen, die den Übergang der krisengeschüttelten Ukraine zu einem freien, demokratischen und ungeteilten Staat begleiten soll. In einem Telefongespräch mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel hat Russlands Präsident Wladimir Putin am Sonntag der Schaffung einer solchen Kontaktgruppe vage zugestimmt. Wenn es um die Einzelheiten geht, mauern aber die Russen.
Die EU als Partei
Auch die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton will zwischen den zerstrittenen ukrainischen Politikern und zwischen der Ukraine und Russland vermitteln. Ihre bisherigen Bemühen waren allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Als Partei in dem Konflikt kann die EU schwerlich die Rolle des ehrlichen Maklers spielen.
UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon sieht sich ebenfalls ausersehen, Frieden zu stiften. Zu Beginn dieser Woche führte er in Genf getrennte Gespräche mit den Aussenministern Russlands, der Ukraine und Deutschlands. Er forderte alle Seiten zu einer militärischen und politischen „De-Eskalation“ auf. Wichtig sei, den rhetorischen Schlagabtausch „abzukühlen“ und einen Dialog aufzunehmen.
Kein Einlenken erkennbar
Ban Ki-Moon hat seinen Stellvertreter Jan Eliasson, einen verdienstvollen schwedischen Diplomaten und Politiker, nach Kiew beordert, um „Verständnis für die Situation vor Ort zu erwerben“. Ein anderer Spitzenbeamter der UNO, der Niederländer Robert Serry, wurde mit dem gleichen Auftrag auf die Krim geschickt. Er wurde am Mittwoch in Simferopol von bewaffneten Männern an der Ausübung seiner Mission gehindert. Von einer feindseligen Menge umringt, die „Rossija, Rossija“ brüllte, flüchtete Serry in sein Hotel und flog am gleichen Abend nach Kiew zurück.
Das diplomatische Karussell dreht sich auf vollen Touren, doch Putin hat sich bisher noch keinen Zentimeter bewegt. Auch von seiten der neuen ukrainischen Regierung ist kein Einlenken erkennbar. Die gleichen Aussenminister, die sich zu Anfang dieser Woche in Genf trafen und am Mittwoch in Paris konferierten, werden sich demnächst in Rom erneut begegnen. Die Chancen eines raschen Durchbruchs sind aber gering. Die selbst im Westen umstrittenen Drohungen mit Wirtschaftssanktionen können die Russen kaum weichklopfen. Auch Barack Obamas Ankündigung, Moskau aussenpolitisch zu „isolieren“, wird nicht ein Land beeindrucken, das von der Ostsee bis zum Meer von Japan reicht. Eher erinnert sie an die Schlagzeile einer englischen Zeitung im 19. Jahrhundert: „Nebel über dem Ärmelkanal – Kontinent isoliert.“