Tatsächlich schaffte die «Tûranor PlanetSolar» die schnellste Atlantiküberquerung mit einem Solarschiff; sie fuhr als erste mit Sonnenkraft durch den Panamakanal; es war das erste Mal, dass ein rein sonnenbetriebenes Schiff den Äquator kreuzte, und es gibt noch viel mehr solcher Premieren.
Tûranor ist ein Begriff aus Tolkiens «Herr der Ringe» und bedeutet so viel wie Sonnenkraft oder Sieg, sagen die PlanetSolar-Pioniere, bei denen offensichtlich auch die Romantik nicht zu kurz kommt. «Es war keine Idee», sagte denn auch Raphaël Domjan, nachdem er in der Ingenieur-Hochschule HEIG-VD in Yverdon-les-Bains über die erste Hälfte der denkwürdigen Reise berichtet hatte. «Es war keine Idee, es war eine Vision, die ich verwirklichen konnte.»
Zu den ersten Supportern des Projekts gehörte der Direktor der HEIG-VD, und es gab schon bald Sponsoren und Partner; einige sollen jetzt noch dazustossen. Als Domjans Projekt Formen annahm, kam der deutsche Unternehmer Immo Ströher an Bord. Dank seiner Finanzspritze konnte in einer berühmten Kieler Werft das Solarschiff gebaut werden: Ein 30 Meter langer Katamaran, 7 Meter breit, 7 Meter über der Wasserlinie, es wiegt 95 Tonnen, besteht aus bekannten Materialien – aber er ist einmalig, weil seine Oberflächen mit mehr als 500 Quadratmetern Solarzellen bedeckt sind, die ihm eine überirdische Schönheit verleihen. Selbst wenn die Sonne nicht den ganzen Tag scheint, gibt es noch eine Power-Reserve. Die grösste je gebaute Lithium-Ion-Batterie wiegt samt Chassis 11 Tonnen, und die Motoren, die Computer sowie sämtliche anderen Geräte an Bord, sogar die Kaffeemaschine, funktionieren allein dank Solarenergie.
PlanetSolar soll beweisen, dass die Sonne zu den Energielieferanten der Zukunft gehört. Zum Beispiel, sagt Domjan, könnten lokale Fähren ihre Passagiere mit Sonnenkraft transportieren: «Wir laden jeweils auch die Tourismus- und Energieminister ein, und die sind sehr beeindruckt.» So bietet das Schiff jetzt schon Platz für 40 Personen, wird aber jetzt nur von jeweils vier bis sechs Leuten bemannt, die bei der gesamten rund anderthalb Jahre dauernden Expedition mitmachen oder auch nur ein paar Etappen lang „mitsegeln“. Die meisten Crewmitglieder sind Schweizer, wie auch im «Back Office» in Yverdon. Der Projektleiter der Werft, ein Deutscher aus einer Seefahrerfamilie, der jeden Zentimeter von PlanetSolar kennt, macht den grössten Teil der Fahrt mit. Zwei erfahrene französische Kapitäne führen abwechslungsweise das Kommando.
Raphaël Domjan, der Co-Skipper, bestieg nach neun Monaten an Bord in Australien ein Flugzeug, um in Neuenburg endlich den durch einen Skiunfall ein Jahr vor Beginn der Expedition havarierten Unterschenkel operieren zu lassen. «Spätestens im September, in Singapur, gehe ich wieder an Bord!» hofft er. Die Etappenziele der Weltumrundung wurden wegen der stärksten Sonneneinstrahlung entlang des Äquators gewählt. Die Route wird nach Londoner System validiert, was auf der Heimfahrt ein kompliziertes, präzises Kreuzen der Hinfahrts-Route bedeutet.
PlanetSolar startete am 27. September 2010 in Monte Carlo, durchquerte das westliche Mittelmeer und den Atlantik, machte der Klimakonferenz in Cancun seine Aufwartung, erreichte via Miami und den Panama-Kanal zahlreiche Inselparadiese im Pazifischen Ozean. Er war allerdings alles andere als friedlich, nachdem das Schiff in Noumea (Neu-Kaledonien) Kurs nach Australien genommen hatte. Im beginnenden Winter der südlichen Hemisphäre schien er PlanetSolar und seiner Besatzung von vier Mann tagelang mit stürmischen Winden, Kreuzseen und haushohen Wellen, denen der Autopilot nicht gewachsen war, den Meister zeigen zu wollen. Das Ruder musste von Hand bedient werden, während das Schiff in die Luft katapultiert wurde, um gleich darauf in tiefe Wellentäler zu donnern. «Es waren harte Tage», erinnert sich Domjan. Aber die eigens für PlanetSolar entwickelte Software funktionierte tadellos, die Verbindung mit Yverdon und dem Partner Météo France klappte vorzüglich: «Wir fühlten uns absolut sicher».
Nach der Ankunft in Brisbane (Queensland, Australien) gab es wieder festen Boden unter den Füssen und ein wenig Erholung. Hier wie überall wurde der mitgeführte Informationsstand aufgebaut, es gab Besuche von und in Schulen und Universitäten, und das Publikum zeigte besonders seit der Katastrophe von Fukushima lebhaftes Interesse am Prinzip Sonnenenergie. Die Crew initiierte einen Wettbewerb für Kinder sowie die «Stafette der Hoffnung» mit einer Solar-Fackel. Weit mehr als die Hälfte der Distanz, 17 000 Seemeilen, sind zurückgelegt, das Solarschiff macht sich nun auf den Heimweg. In Cairns wurde das Schiff tagelang überholt. Domjan: «PlanetSolar ist ein Prototyp, der perfekt funktioniert.» Nun wurde ein neuer Autopilot eingebaut, die Süsswasserpumpe repariert, ein Reserveruder eingeladen, die Batterie durch einen aus Deutschland eingeflogenen Spezialisten geprüft – sie funktioniert einwandfrei – und das Schiff rundum gecheckt, gereinigt und fit gemacht für die lange, lange Fahrt nach Manila, die am Wochenende begann und nonstop einen ganzen Monat dauern wird. Vorräte und Wasser sind gebunkert, und die Crew will der australischen Marine regelmässig ihre Koordinaten durchgeben. Anschliessend geht es noch nach Hong Kong, Shanghai, Singapur, Abu Dhabi, und im April 2012 soll die PlanetSolar wieder in den Hafen von Monte Carlo einlaufen. «Wir wollen an jedem Zwischenhalt die Motivation für die Förderung der erneuerbaren Energien und insbesondere der Solarenergie stärken», sagt Raphaël Domjan. «Unsere Weltumrundung über alle Ozeane und Kontinente beweist, dass es das Wissen, die Technologie und die Energie für einen Wechsel gibt.»
www.planetsolar.org