«Das Atomabkommen mit Iran beruht nicht auf Vertrauen, sondern auf einer beispiellosen Überwachung“, hält US-Präsident Barack Obama den Gegnern des am 14. Juli in Wien erzielten Deals entgegen. Doch diese schiessen sich gerade auf die in ihren Augen unzureichenden Inspektionsklauseln ein.
Heute Samstag muss Iran der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien eine schriftliche Aufklärung einiger noch offener Fragen liefern, darunter der „möglichen militärischen Dimension“ seines Nuklearprogramms. Wie die iranischen Atomanlagen konkret überwacht werden sollen, wird erst gegen Jahresende feststehen. Bis zum 15. Oktober soll die IAEO mit Teheran einen entsprechenden Vertrag aushandeln.
Versuche mit Supersprengstoffen?
Am 15. Dezember muss IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano dem Gouverneursrat seiner Organisation Bericht erstatten. Amano und der Leiter der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, haben am 14. Juli in Wien einen Streckenplan („Road-map“) unterzeichnet. Darin verpflichtet sich Iran, das Zusatzprotokoll II zum Atomwaffensperrvertrag in Kraft zu setzen. Damit hätten die IAEO-Inspektoren das Recht, die von Iran deklarierten 18 Nuklearanlagen und neun Nebenstellen jederzeit und ohne Voranmeldung zu besichtigen.
Komplizierter wird die Inspektion von Militärstrukturen, in denen Iran nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste an der Entwicklung von Atomwaffenkomponenten gearbeitet hat. Ein Beispiel ist die Werkshalle Parchin 30 Kilometer südlich von Teheran. Der Westen beschuldigt Iran, in Parchin Versuche mit Supersprengstoffen durchgeführt zu haben, die als Atombombenzünder verwendet werden könnten.
Verdacht nicht ausgeräumt
Der Verdacht einer „militärischen Dimension“ des iranischen Nuklearprogramms wurde bisher nicht ausgeräumt. Teheran verweigert der IAEO seit 2005 eine Untersuchung des mehrfach umgegrabenen Geländes von Parchin. Die Iraner argumentieren, die USA und Israel suchten bloss einen Vorwand, um legal Militärspionage betreiben zu können.
Der in Wien erzielte Kompromiss sieht ein „Spezialarrangement“ für Militäranlagen wie Parchin vor: Im Fall eines Verdachts verbotener nuklearer Tätigkeiten muss Iran innert 14 Tagen mit der IAEO ein Abkommen über die Inspektion der verdächtigen Anlage treffen. Wenn dies nicht gelingt, wird die Angelegenheit einer achtköpfigen Kommission überwiesen. Die Mitglieder dieser Kommission sind die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats sowie Iran, Deutschland und ein Vertreter der EU. Diese Gruppe beschliesst durch Mehrheitsentscheid, ob eine internationale Inspektion geboten ist. Dann hat Iran nochmals vier Tage Zeit, den Beschluss umzusetzen. Im Falle einer Weigerung treten erneut die Wirtschaftssanktionen in Kraft.
Spuren verwischen?
Iran kann also den IAEO-Inspektoren den Zugang zu einer verdächtigen Militäranlage 24 Tage lang verwehren. Hier haken die Gegner des Atomdeals ein. Sie behaupten, dass eine so lange Frist den Iranern die Möglichkeit bietet, alle Spuren zu verwischen.
Der frühere Leiter des Inspektorenteams der IAEO, der Finne Olli Heinonen, meint dazu, dass drei Wochen nicht ausreichen, um ein grösseres Atomwaffenprojekt verschwinden zu lassen. Indessen könnten die Iraner der Versuchung erliegen, die Entwicklung von Bestandteilen einer Atombombe auf viele kleine Werkstätten zu verteilen. Beweise für unerlaubte Tätigkeiten wären nach 24 Tagen nur mehr schwer zu finden.
Mit Messgeräten und Kameras überwacht
Eine Öffnung aller iranischen Militäranlagen, wie Israel fordert, war bei den Verhandlungen nicht zu erreichen. Kein Staat würde eine derartige Beschneidung seiner Souveränität akzeptieren, ausser nach der Kapitulation in einem Krieg. In dieser Lage befindet sich die Islamische Republik Iran nicht.
Die IAEO ist überzeugt, die technischen Mittel zu besitzen, um das Nuklearprogramm Irans wirksam zu kontrollieren. Der Fluss des Spaltmaterials und die Zentrifugen werden mit Messgeräten und Kameras überwacht. Früher mussten die Inspektoren regelmässig die Zähler ablesen und die Filme entnehmen. Jetzt besitzen sie Lasersensoren, „smarte“ Kameras und verschlüsselte Computernetze, die ihre Daten in Echtzeit an die Wiener Zentrale übermitteln.
In dem Gebäude der Uno-City an der Donau ist eine „Iran Task Force“ untergebracht. Diese Eliteeinheit zählt derzeit etwa 50 Mitarbeiter. Von ihrem Erfolg hängt das Schicksal des Atomabkommens zwischen den USA, Russland, Frankreich, Grossbritannien, China, Deutschland und Iran ab, das völkerrechtlich kein Vertrag ist, sondern bloss ein „Gemeinsamer umfassender Aktionsplan“.