Die Initianten der Vollgeldinitiative, über die am 10. Juni 2018 abgestimmt wird, wollen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) das alleinige Privileg zur Geldschöpfung (Vollgeld genannt) übertragen. Doch diese bedankt sich höflich: Sie wehrt sich gegen die Politisierung des Geldsystems. Sie hält zudem nichts vom Geldverschenken an Staat, Bürgerinnen und Bürger. Thomas Jordan, Präsident der SNB lässt keinen Zweifel offen: Die Annahme dieser Initiative würde der Schweiz schaden.
Warum überhaupt diese Initiative?
Wenn ein Argument der Befürworter der Initiative davon ausgeht, das heutige Geldsystem wäre für die meisten Leute nicht verständlich, so dürfte da mindestens ein Kern Wahrheit drin stecken. Wieder einmal haben wir mit Ja oder Nein über etwas abzustimmen, das weite Kreise nicht durchschauen. Gar nicht durchschauen können. Wenn allerdings die seitenlangen Argumentationen und abendfüllenden Informations-Veranstaltungen der Befürworter postwendend mit gleicher Münze wederlegt werden, müssen leise Zweifel aufkommen.
Ist Vollgeld nun klar und transparent, wie Reinhold Harringer, Ökonom und Mediensprecher der Initiative versichert? Oder ist jenen Ökonomen, Professoren und den Wirtschaftswissenschaftlern im Nationalbank-Führungsgremium zu vertrauen, die gleichzeitig vor fiskalpolitischen Illusionen und uneinlösbaren Versprechen warnen? Kann ein unerprobtes, theoretisches Systemgebilde – von den Initiativ-Gegnern als Fiktion bezeichnet – den gegenwärtigen, praxiserprobten Usanzen – vom Befürworter der Initiative Hansruedi Weber als „nicht haltbares System“ deklariert – so viel überlegen sein? Und warum haben Bundesrat, Nationalrat und Ständerat die Initiative schon frühzeitig abgelehnt?
Das sagenumwobene Vollgeld-System
Zukünftig soll also ausschliesslich die Nationalbank Geld (eben Vollgeld) produzieren dürfen. Geschäftsbanken sollen nur noch Kredite vergeben, Geldschöpfung wie bisher durch die Vergabe von Krediten wäre ihnen untersagt. Die Gefahr eines Banken-Runs wäre behoben (Bankenschalter-Panik, wie in der Vergangenheit auch über Generationen immer wieder gehabt), Kreditexzesse (wie bei der US-Hypothekenkrise) würden verhindert und Staatsgarantien (wie bei der UBS) überflüssig.
Namhafte Experten warnen dagegen, genau diese erwähnten Schreckszenarien hätte Vollgeld gar nicht verhindern können. Doch was ihnen zusätzlich an der Idee gar nicht gefällt, ist die Tatsache, dass bis heute kein Land dieser Welt ein solches Vollgeld-System kennt. Die Folgen wären nicht vorhersehbar – wir kennen alle die Erfahrungen mit den unbeabsichtigten Nebenwirkungen eines Medikamentes. Sie bezeichnen deshalb diese Initiative als „interessantes Gedankenexperiment“. So meint Ernst Baltensperger, Professor em. für Volkswirtschaftslehre an der Uni Bern in der NZZ, dass die Initianten ihre vielversprechenden Thesen durch ein suggestives, mitunter hochwissenschaftlich klingendes Vokabular unterfütterten. Das gelte besonders für die fiskalischen Sirenengesänge, mit denen sie Bund, Kantonen und Privaten eine schuldenfreie Verteilung von Geld in Aussicht stellten.
Universitätsprofessoren sagen ja … und nein
Natürlich kann man das gegenwärtige Finanzsystem kritisieren – so gut, wie man etwa unser Finanzausgleich-, Sozialfürsorge- oder Arbeitslosensystem kritisieren kann. Auch das schweizerische System der direkten Demokratie kann kritisiert werden – trotzdem finden wir dieses besser als andere, und es käme uns nicht in den Sinn, nur wegen einiger Mängel gleich das Ganze umkrempeln zu wollen. Ruedi Noser, Zürcher Ständerat (FDP), vertrat diese Richtung an einer kontroversen Tagung am Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI) im Februar 2018 in Rüschlikon. Ob es „sichere“ Lösungen gäbe, darüber stritten sich an dieser Tagung auch Professoren, vorgeschoben von beiden Lagern, um der Auseinandersetzung den gewünschten wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Wenn dann nach eingehender Diskussion die Professoren aus den Reihen der Initianten ihren Berufskollegen aus dem Gegenlager vorwarfen, von ihrem Anliegen zu wenig zu verstehen, so mögen sich wohl andere Teilnehmende gefragt haben, wieviel mehr dann das Stimmvolk draussen im Lande davon kapiert habe …
Wo liegt das Problem?
Ob so viel Uneinigkeit unter Professoren mag sich die oder der eine oder andere Leser oder Leserin jetzt fragen, worum es bei dieser Auseinandersetzung eigentlich geht. Tatsächlich lässt sich nicht leugnen, dass unser Bankensystem schon seit Jahrzehnten kritikanfällig ist. Etwa seit der Grossen Depression in den 1930er Jahren wollten Ökonomen immer wieder eine andere Art Geldverleihungssystem. Denn zu hohe Verschuldung führe zu Immobilien- und folgerichtig zu Bankencrashs, argumentierten sie. Eine Befürchtung, die auch 2018 von Experten und Nationalbankexponenten mitgetragen wird.
Doch in Bezug auf das Abstimmungsthema sei daran erinnert, dass die Hauptursache der aktuellen „Geldüberschwemmung“ (und zu hoher Verschuldung) bei den Notenbanken liegt. Für uns in Europa also an der Europäischen Zentralbank mit Mario Draghi als deren Chef. Mit der Flutung der Märkte mit laufend neu gedrucktem Geld verhinderte diese zwar eine grosse Depression, doch seither sind Jahre ungebremster Geldspritzen mit-, wenn nicht hauptverantwortlich für die steigende Gefahr erneuter Blasenbildung. Unserer Notenbank, der SNB, sind da weitgehend die Hände gebunden. Dass die Initianten der Initiative die Macht der Banken brechen wollen, ist aus dieser Sicht verständlich, wenn auch nicht unbedingt nachvollziehbar.
Volksinitiativen noch und noch
Im Übrigen ist die Inflation an Volksinitiativen, mit der wir uns in unserer direkten Demokratie befassen müssen, eindrücklich – ob sich da nicht gelegentlich erste Abnutzungserscheinungen einstellen werden? Zur Erinnerung: Seit der Einführung dieses Mittels (Volksbegehren) 1891 wurde das in diesen 127 Jahren seither 457 Mal versucht – ganze 22 Mal erfolgreich, die Erfolgsquote liegt somit bei 4.8 Prozent. Betrachtet man den ganzen Riesenaufwand und die entsprechenden Kosten für die Steuerzahlenden – vielleicht sollte man doch gelegentlich über die längst fällige Erhöhung der notwendigen 100’000 Unterschriften ernsthaft diskutieren?
Alle politischen Parteien lehnen die Initiative ab, einzig die JUSO befürworten sie.