Bei der Suche nach Erklärungen für die Wahlerfolge der Rechtspopulisten wird immer wieder davon gesprochen, dass sich ihre Anhänger aus den „Verlierern“ der Globalisierung rekrutierten.Der Philosoph Konrad Paul Liessmann hat vor kurzem in einem Gastbeitrag für die Neue Zürcher Zeitung darauf aufmerksam gemacht, dass der Begriff „Verlierer“ bereits Teil der „Wettbewerbsideologie“ ist: „Globalisierung ist kein Spiel, bei dem acht Milliarden Menschen unter gleichen Bedingungen starten und das die Besseren gewinnen.“
Diese Einsicht ist ebenso treffend wie notwendig. Es gehört schon sehr viel Arroganz dazu, die negativen Handlungsfolgen der globalisierten Wirtschaft samt ihrer Umweltzerstörung auf „Verlierer“ abzuwälzen: selber schuld! Dabei wird so getan, als seien die neuen Lebenswelten, die durch die Technik und die Wirtschaft entstehen, nichts anderes als Kasinos, in denen jeder zum Spielen eingeladen ist – und natürlich im Prinzip die gleichen Chancen hat.
Aber es ist eine nützliche Illusion für die „Gewinner“ und alle die, die es werden wollen. Denn wer glaubt, „es durch eigene Leistung zu etwas gebracht zu haben“, kann mit ruhigem Gewissen auf die „Versager“ schauen. Die Einteilung der Welt in Gewinner und Verlierer macht sie übersichtlich und hilft denen, die sich auf der richtigen Seite wähnen, sich auch noch richtig gut zu fühlen.
Das Wort „verlieren“ hat aber noch eine andere Bedeutung. Man kann etwas verlieren, ohne es je aufs Spiel gesetzt zu haben. Dies geschieht durch Schicksalsschläge und Katastrophen. Die davon Betroffenen werden häufig, aber nicht durchgehend, als „Opfer“ bezeichnet. Auch dieser Begriff wirft Fragen auf: Wer wurde von wem für wen geopfert?
Aber man kann das Wort „Opfer“ auch ohne den ursprünglichen religiösen Hintergrund gebrauchen. Dann sind Opfer eben diejenigen, denen schicksalhaft etwas genommen wurde: Gesundheit, Leben, Angehörige, Besitz. Ist es also sinnvoll, scharf zwischen „Verlierern“ und „Opfern“ zu unterscheiden?
In manchen Bereichen funktioniert das problemlos. So spricht man von Strassenverkehrsopfern und nicht von Strassenverkehrsverlierern. Aber würde man von den „Opfern“ der Globalisierung oder der ständig voranschreitenden Technik mit den Rationalisierungseffekten sprechen, ergäbe sich auch ein falscher Zungenschlag. Denn mit dem Wort „Opfer“ verbindet sich immer auch der Eindruck der Hilflosigkeit. Das Wort „Opfer“ stigmatisiert. Das will man ja nun auch wieder nicht. Vielleicht sollten wir noch einmal Konrad Paul Liessmann fragen.