Lassen wir zunächst mal die ökonomischen Folgen beiseite und kümmern wir uns um die Kollateralschäden in der Politik. Die Griechenland-Hilfe begann mit einem klaren Rechtsbruch: «Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen.»
Kein Land hält sich an den EU-Stabilitätspakt
So steht es im gültigen EU-Vertrag. Ist das Papier nicht mehr wert, auf das es gedruckt wurde. IWF, Europäische Zentralbank (EZB) und EU sind sich darüber hinaus wenigstens in einem einig: Griechenland ist pleite. Dem IWF ist es verboten, sich bei Haushaltsproblemen von Ländern zu engagieren, der EZB ist es untersagt, Staats-Schuldtitel von Mitgliedsländern zu erwerben. Dennoch verlochte der IWF Milliarden in Griechenland, und die EZB wurde zur «Bad Bank» Griechenlands, beziehungsweise seiner Banken-Gläubiger.
In Nacht-und-Nebel-Aktionen wurden die entsprechenden Beschlüsse, soweit überhaupt nötig, durch die jeweiligen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten gepeitscht. Spielt doch auch keine Rolle mehr, mag sich mancher Politiker gedacht haben, schliesslich hält sich ja auch kein einziges EU-Land an den vielbeschworenen Stabilitätspakt: nicht mehr als 3 Prozent Neuverschuldung, nicht mehr als 60 Prozent des BIP als Staatsschulden.
Bestecher und Erpresser
Die EU zahlt an Griechenland eine Bestechungssumme, um in erster Linie deutsche und französische Banken zu schonen, denen wieder mal das Dach wegfliegen würde, wenn sie griechische Staatspapiere auf einen realen Marktwert abschreiben müssten. Die Griechen erpressen mit genau diesem Argument die EU um möglichst günstige Zinskonditionen. Wirtschaftlich geht das, und zwar eher kurzfristig, sowieso nicht gut.
Aber politisch ist das eine weitere Bankrotterklärung der europäischen Demokratie, und die Folgen dieser Durchstechereien sind in ihrer ganzen Dimension noch nicht absehbar. Offensichtlich ist aber, dass die EU als Körperschaft nicht demokratisch kontrollierbar und ihren Bürgern in keiner Form rechenschaftspflichtig ist. Mit Taschenspielertricks aus der untersten Schublade entstehen Troikas, Rettungsschirme und andere Ungetüme, ausserhalb aller sowieso schon undemokratischen Strukturen der EU.
Gewaltentrennung, Rechtssystem, Kontrolle durch die Betroffenen: pfeif drauf. Der EU-Bürger, und in erster Linie der deutsche Steuerzahler, macht die Faust im Sack, während ihm aus der Gesässtasche das Portemonnaie entwendet wird. Die politischen Folgen werden viel dramatischer sein als der Staatsbankrott Griechenlands.
Hoffen auf die Rating-Agenturen
Obwohl die grossen Rating-Agenturen ja auch äusserst fragwürdige Firmen sind, ist dennoch zu hoffen, dass sie schnell genug den Status von Griechenland auf D, Totalausfall, setzen. Denn nur diese Massnahme kann verhindern, dass die Eurokraten nochmals rund 100 Milliarden in ein Fass ohne Boden versenken. Allerdings ist angesichts der schon begangenen Rechtsbrüche zu befürchten, dass ihnen auch da ein Unterzug einfallen wird, um ihre wahnhafte Politik fortzusetzen. Ganz abgesehen davon, dass sie bereits verantwortungslos und, man muss das wiederholen, eigentlich ihrem Zugriff entzogene Institutionen wie den IWF und die EZB in den ganzen Schlamassel hineingezogen haben.
Zusammenfassend kann man also mit Fug und Recht sagen: Nach nur knapp zehn Jahren ist die Europäische Währungsunion sowohl wirtschaftlich wie politisch gescheitert. Wie bei Dostojewski wird die Strafe für das Verbrechen fürchterlich sein.
Alternativlos?
Das ewige Mantra aller Eurokraten gegen jedes vernünftige Argument lautet: Ist vielleicht nicht so gut, aber alles andere wäre noch viel schlimmer. Finanzkrise, Kernschmelze, Europa kaputt, Diktaturen und Kriege, Welt in Trümmern. Es ist müssig, diesen Unsinn zu widerlegen, daher nur ein überzeugendes Gegenargument: Welches Vertrauen verdienen die prognostischen Fähigkeiten von Eurokraten, die noch vor rund einem Jahr behaupteten, dass Griechenland nun wirklich keine Probleme habe und auf keinen Fall, absolut ausgeschlossen, Finanzhilfe bekommen müsste? Welches Vertrauen verdient überhaupt noch irgend eine Behauptung eines Euro-Politikers, bei dieser langen Liste von Wort- und Rechtsbrüchen?
Griechenland, der Euro, die Politik, der Rechtsstaat, der Steuerzahler, sie alle haben verloren. Gibt es auch Profiteure? Natürlich, in erster Linie deutsche und französische Banken. Dazu etwas Einmaleins. Je nach Rating eines Schatzpapiers muss eine Bank Zusatzzahlungen leisten, wenn sie ein solches Papier als Sicherheit für einen Handelskredit hinterlegt. Für einen Bond mit dem Rating AAA im Wert von einer Million sind da nur 5600 Euro oder Dollar oder was auch immer fällig. Ab B sprechen wir bereits von bis zu hundert Prozent zusätzlicher Deckung.
Die Profiteure
Das bedeutet, dass bei jeder Herabstufung Nachschusspflicht besteht, und zwar pronto. Wenn die EU das nicht künstlich verhindern würde. Und das bedeutet, dass sonst die immer noch bedenklich dünne Eigenkapitaldecke vieler Banken aufgebraucht wäre, denn europäische Finanzhäuser halten immer noch geschätzte 100 Milliarden griechische Schatzbriefe.
Konkret: Die Deutsche Bank hat einen Zeyer-Schuldschein im Wert von einer Million als Sicherheit für einen Kredit hinterlegt. Wenn Zeyer ein AAA-Rating hat, ist alles in Butter. Sinkt Zeyer aber auf CCC, also auf den Status von Griechenland, dann ist das Papier als Sicherheit wertlos geworden. Ausser, die EZB erbarmte sich meiner. Aber darauf wage ich nicht zu hoffen, denn ich bin vielleicht so pleite wie Griechenland, aber kein Staat. Für mich gilt leider nicht: Wenn Zeyer scheitert, scheitert Europa. Das wäre aber auch so unsinnig wie im Falle Griechenlands.