Das Verfahren verlief unkompliziert. Die Angeklagten hatten alle zuvor schon ein Geständnis unterschrieben, Palmöl von der PT Indo Kebun Unggul (IKU) gestohlen zu haben.
Zwar hatten die 16 Kubus, von denen nur Hendra lesen und schreiben kann, die teilweise nicht einmal die Landessprache sondern nur ihren eigenen Dialekt beherrschen, keine Ahnung vom Inhalt des Dokuments unter das sie da ihre Zeichen gesetzt hatten. Zwar war ihnen gar nicht bewusst gewesen, dass sie Diebstahl begangen hatten, doch um das Investitionsklima in Indonesien zu verbessern, sollte Rechtssicherheit für die Unternehmen geschaffen werden.
Tatsächlich waren die Kubu mächtig über den Tisch gezogen worden. Schon 1996 hatte IKU gegen das Versprechen einer 70prozentigen Gewinnbeteiligung aus der Ölpalmenernte 87 Kubufamilien 1600 Hektar Wald- und Plantagenland (auf dem sie bislang Durian, Mangos und Kautschuk angebaut hatten) abgeschwatzt. Für das Jahr 2000 war die erste Ernte und somit auch die erste Auszahlung des Gewinnanteils erwartet worden. Doch bis heute haben die Kubus noch nicht eine Rupiah gesehen. Also nahmen sie die Sache in die eigenen Hände und ernteten die Früchte, aus denen das im Westen neuerdings so geschätzte Öl gepresst wird. "Das ist unser Palmöl, von unserem Land", behaupteten sie vergebens.
Die Palmölmafia
Weniger verfolgt, dafür weit erfolgreicher operieren Indonesiens professionelle Palmölbanditen, die Sumatra längst im Mafiastil unter sich aufgeteilt haben. Sie schicken sogenannte "Palmöl-Ninjas", die 200 000 Rupiah (rund 17 Euro) pro Einsatz erhalten, die Plantagen zu plündern und die Früchte abzutransportieren. Andere zapfen die riesigen Kessel an, in denen der Rohstoff (Crude Palm Oil) gelagert wird, und transportieren ihn in Mafia-eigenen Tankwagen und Schiffen nach Singapur und Europa, wo wenig nach der Herkunft des begehrten Produktes gefragt wird. "Jeden Monat verlieren wir 40 Millionen Rupiah infolge der Ninja-Aktivitäten", berichtet ein Plantagenmanager. Jeden Monat würden mindestens die Hälfte aller 12 000 Mitglieder der Zentralen Vereinigung der Palmöl-Bauern alleine von Riau (Provinz auf Sumatra) Opfer solcher Raubzüge, sagt der Vorsitzende der Bauernorganisation.
Europas Wünsche
Unter dem Druck, die Auflagen des Kyoto-Abkommens zu erfüllen, den CO²-Ausstoß zu reduzieren, hatte das Europäische Parlament 2003 beschlossen, den Anteil an biologischen Treibstoffen zwischen 2005 und 2010 von zwei auf 5,75 Prozent und bis 2020 auf zehn Prozent zu erhöhen. Nur vier Jahre später meldete Europa erhöhten Bedarf an. In einem Bericht nannte das Europäische Parlament Indonesien als eines jener Länder, die diese wachsende Nachfrage nach biologischen Treibstoffen decken könnten. Wie jeder Rohstoff, den die Länder der sogenannten Dritten Welt exportieren, so wirbeln die Aussichten auf phänomenale Gewinne, die mit diesem Importprodukt der industrialisierten Welt zu erzielen sind, auch Indonesiens Gesellschaft und Landschaft durcheinander.
Kaum hatte die EU ihre Wünsche geäussert, unterzeichnete Indonesiens Regierung mit 56 Investoren und Firmen ein Memorandum of Understanding im Umfang von 12,4 Milliarden Dollar, um ein nationales Projekt zur Herstellung von biologischem Treibstoff aufzubauen. Um Anbauflächen für die geplanten Palmölplantagen zu schaffen, sollten mindestens 1,3 Millionen Hektar Regen- und Hartholzwald in Kalimantan (Borneo) und Westpapua den Kettensägen zum Opfer fallen.
Indonesiens Moore als riesige Kohlenstofflager
Mindestens die Hälfte aller tropischen Torfsümpfe liegt in Indonesien. Diese über 10 000 Jahre alten Moore enthalten riesige Kohlenstoffablagerungen. Im Gegensatz zu Mooren und Sümpfen in kalten Gegenden wie Sibirien oder Kanada, die aus Moos entstanden sind, bestehen diese tropischen Moore aus dem natürlichen Abfall der Wälder, der auch im Sumpfwasser nicht vermodert. Weil sie Kohlendioxyd - jenes Gas, das die Erwärmung der Atmosphäre verursacht - so wirksam absorbieren wie Wasser, verlangsamen sie die globale Erwärmung. So speichern sie Unmengen Kohlenstoff, der sofort in die Atmosphäre zurückströmt, wenn sie zerstört werden. "Ein einziger Quadratkilometer Sumpf enthält soviel Kohlenstoff, wie von einer 100 000-Einwohner-Stadt in einem Jahr durch Luftverschmutzung ausgestossen wird", sagt Jack Rieley von der Universität Nottingham, der in Zentralkalimantan "ein natürliches Laboratorium" untersucht. Die 10 000 Jahre alten Sümpfe könnten mehr Kohlenstoff enthalten, als alle fossilen Brennstoffe der Welt in vier Jahren verbreiteten, schätzt der Professor. "Der Verlust von fünf Zentimetern Torfschicht im Jahr wird mehr als 100 Millionen Tonnen Kohlenstoff freisetzen."
Die trocken gelegten Sümpfe sind die Hauptursache für die regelmässigen Waldbrände, die während der Trockenzeit nicht nur Sumatra und Borneo, sondern oftmals auch Singapur und grosse Teile Malaysias in riesige Rauchwolken hüllen. Als Experten der Consultingfirma Delft Hydraulics sowie der International Wetlands (eine Non-Profit-Organisation, zu deren Unterstützern 60 Regierungen und 15 Umweltschutzgruppen zählen) Indonesiens Torfmoore untersuchten, beobachteten sie eine "stille Katastrophe", die sich dort in den letzten zehn Jahren angebahnt habe und im Umfang noch zunehmen werde. Die wachsende globale Nachfrage nach Holzbrei zur Papierproduktion, nach Hartholz und Palmöl sowie lokale Entwicklungsprojekte seien die Ursachen für die Zerstörung der Wälder und Böden. Die Zerstörung der tropischen Torfmoore Südostasiens, die 0,2 Prozent der globalen Landfläche bedecken, ist verantwortlich zu machen für acht Prozent der CO²-Emissionen weltweit, so stellte International Wetlands fest.
Die legale und illegale Zerstörung der Wälder
Insgesamt werden in Indonesien derzeit auf sieben Millionen Hektar Ölpalmen gezogen, zusätzliche 18 Millionen Hektar Waldlandes wurden gerodet, um weitere Ölpalmenplantagen zu schaffen. Unabhängig davon sind in Plänen der autonomen Provinzregierungen noch einmal 20 Millionen Hektar Waldes vor allem in Sumatra, Kalimantan, Sulawesi und West Papua für den Aufbau von Ölpalmenplantagen vorgesehen. Und in Zentralkalimantan entsteht die weltweit grösste Ölpalmenplantage (1,8 Millionen Hektar).
Doch längst haben die Behörden den Überblick verloren. Beinahe monatlich berichten die Zeitungen des Landes aus einer anderen Region, in der Wälder einschliesslich Naturschutzparks den legalen und illegalen Aktivitäten der Palmölindustrie zum Opfer fallen. In Aceh im Norden Sumatras haben illegale Holzfäller im Auftrag illegal operierender Firmen Zehntausende Hektar Regenwald abgeholzt und abgebrannt, was nicht nur die Orang Utans vertrieb, sofern sie nicht in den Feuern umkamen, sondern auch die Menschen, für die die aus dem einstigen Sumpfgebiet aufsteigende Hitze unerträglich wurde. Und erst im Juli liessen die Behörden Hartati Murdaya verhaften, eine Geschäftsfrau, die zusammen mit ihrem Mann über 50 Firmen besitzt und mit Bestechungsgeldern an die zuständigen regionalen Behörden ihre offiziell genehmigte 22 000 Hektar grosse Ölpalmenplantage in Südsumatra, auf 75 000 Hektar vergrösserte.
Selbst den Befürwortern des alternativen Treibstoffs fällt es zunehmend schwerer gute Argumente zu finden. Sogar das auch in Indonesien beliebte Argument, neue Industrien schafften Arbeitsplätze, ist längst widerlegt. Während schätzungsweise zwei Prozent der indonesischen Bevölkerung von der Palmölindustrie leben, sind immer noch über 40 Prozent auf die Ressourcen der Wälder angewiesen: Zumeist Völker, die im Innern Borneos, Westpapuas, Sumatras oder Sulawesis leben. Sie werden zunehmend verdrängt und sind dann in den Elendsvierteln der Grossstädte zu finden, in einer Welt, die sie bis dahin überhaupt nicht kannten.
Wachsender Widerstand
So wie die Kubu, die um ihre Lebensgrundlagen fürchten müssen, beginnen sich langsam auch andere zu wehren. In Malaysia, das heute auf 40 Prozent seiner landwirtschaftlich nutzbaren Flächen Ölpalmen anbaut und zusammen mit Indonesien 83 Prozent der Weltproduktion liefert, rebellieren die Penan, ein Dayak-Volk in der malaysischen Borneo-Provinz Sarawak. Mit Zweigen und Pfählen bauten sie Blockaden, um das Land, das sie schon seit Jahrtausenden bewohnen, zu schützen. In Brasilien, wo aus Zuckerrohr Ethanol produziert wird, wehren sich Bauern dagegen, dass zunehmend mehr Land für die Treibstoffproduktion für die weltweit 800 Millionen Autos bereitgestellt wird, und fordern: „Das Land muss genutzt werden, die Menschen und nicht die Autos zu ernähren.“
Weitere Opfer des Fortschritts
Nicht wehren können sich Tiere. Alarmiert registrierten Experten, dass die Rodung der Wälder auf Borneo und Sumatra für Ölpalmenplantagen die grösste Gefahr für die biologische Vielfalt des Regenwaldes darstellt. (So weisen etwa Sumatras Wälder eine zweieinhalbmal grössere Vielfalt der Fauna auf als die Wälder des Amazonasbeckens und eine 1,8 mal grössere als der zentralafrikanische Regenwald.) „In Wahrheit sind die Zeiten des Tigers, des Elefanten oder des Orang Utans schon vorbei“, sagt Willie Smits, der ein Orang-Utan-Überlebenszentum in Borneo und SarVision aufbaute, ein Satellitendienst, der das Verschwinden des Regenwaldes kartographiert. Plantagenbesitzer und –manager hassen die Menschenaffen und jagen sie gnadenlos, weil sie gerne die Sprösslinge der Ölpalmen fressen. „Wir finden Orang Utans mit abgeschnittenen Köpfen oder verbrannt. Jägern werden 150 000 Rupiah (14 Euro) für die rechte Hand eines Orang Utans als Beweis, dass sie ein Tier getötet haben, bezahlt. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes Jahr 5000 Orang Utans auf Borneo sterben und 1000 auf Sumatra – d.h. jeden Tag sterben 15 Orang Utans.
Angesichts der teilweise katastrophalen Folgen der unkontrollierten Palmöl-Produktion besinnen sich inzwischen auch Regierungen, die zuvor euphorisch dem „erneuerbaren Treibstoff“ nachjagten. Die Regierung der Niederlande strich inzwischen sämtliche Subventionen für die Palmölindustrie.