De Gaulle hatte die anekdotische Meinung, dass ein Land - Frankreich - mit über 350 Käsesorten unregierbar sei. Man möchte ihm in diesen Sommertagen Recht geben, aber nicht wegen den Käsen. Rabiate Taxifahrer wollten sich unliebsame (und nicht ganz legale) Konkurrenten vom Hals schaffen. Die Regierung verbot die billigere Konkurrenz. Die Zigarettenverkäufer stülpten Plastiksäcke über Radargeräte, um gegen die anonymen Zigarettenpakete zu protestieren. Das war, wie der Ärztestreik, nicht gewalttätig. Also reagierte die Regierung nicht. Als hemdsärmelige Bretonen im letzten Jahr kurzerhand die teuren Installationen für die neue Schwerverkehrsabgabe, die ihnen nicht passte, demontierten oder zerstörten, zog sie aber sogleich das entsprechende Gesetz zurück. Zur Freude des Parlaments, das es beschlossen hatte!
Als vor weniger Tagen ebenso verzweifelte wie unzimperliche Bauern mit ihren Traktoren einen Tag lang die Zufahrten zu Lyon blockierten, konnte die Regierung nicht wegschauen. Sie machte Subventionen locker. Aber die Bauern wollten keine Almosen, sondern kostendeckende Preise für ihre Produkte und denunzierten den mörderischen Preiskampf in der EU und unter den einheimischen Grossverteilern. Eine lautlose Tragödie war schon lange im Gang: Abertausenden von Bauernbetrieben droht der schnelle Konkurs, wenn die Preise nicht angehoben werden. Die Regierung hat nichts kommen sehen (wollen). Jetzt entschuldigt sie sich, dass sie die Preise nicht diktieren könne (anderswo tut sie es).
Ein verquerer, überholter Korporatismus, verbunden mit Klientelismus und Regionalismus stellt sich immer wieder korrigierend oder lähmend, und immer lauthals, gegen den jakobinischen Zentralstaat und seine Politikerkaste, die nur an die nächsten Präsidentenwahlen denkt. Frankreich unregierbar? Jede Woche macht ein Minister einen ebenso interessanten wie unausgegorenen Vorschlag, den er in der Woche darauf schleunigst wieder zurückzieht. Frankreich unregierbar? Nein, schlichtweg "unregiert". Bon appetit für die nächste Käseplatte!