Während sich die Kämpfe zwischen Gadhafis Streitkräften und den Aufständischen ausweiten, haben die grossen internationalen Hilfsorganisationen am Montag in Genf an die Welt appelliert, 160 Millionen Dollar für die Betreuung der Opfer des Konflikts bereit zu stellen.
Diese Gelder werden allein für die kommenden drei Monate benötigt. Das Gipfeltreffen von 17 Hilfswerken ging von der Befürchtung aus, dass bis zu 400 000 Menschen Libyen verlassen werden. In dieser Zahl sind die 213 000 Menschen enthalten, die nach den Angaben der UNO seit dem 20. Februar über die Grenzen nach Tunesien, Ägypten, Niger und Algerien geflohen sind. Damit haben bereits 15 Prozent der Fremdarbeiter in Libyen ihr Gastland verlassen.
Zwar ist die Zahl der in Tunesien eintreffenden Libyenflüchtlinge in den vergangenen Tagen stark zurückgegangen, doch Beobachter der UNO führen diesen Umstand die stärkere Kontrolle der Grenze durch libysches Militär zurück. Die Koordinatorin der UNO für Dringlichkeitshilfe, Valerie Amos, die kürzlich vor Ort weilte, sagte vor der Presse in Genf: „Die zuletzt in Tunesien eingetroffenen Flüchtlinge erzählen von blockierten Strassen und der Präsenz libyscher Soldaten. Auch die Kämpfe im Westen Libyens einschliesslich in Tripolis gefährden die auf der Flucht befindlichen Menschen.“
Flüchtlings-Hochkommissar Antonio Guterres wies darauf hin, dass bisher alle in den Nachbarländern Libyens eingetroffenen Menschen Fremdarbeiter waren. Insgesamt gebe es in Libyen noch über zwei Millionen Migranten, von denen mehr als die Hälfte Ägypter sind. Von den übrigen stammen 80 000 aus Bangladesch und 40 000 aus Palästina. In einer tragischen Situation befänden sich Migranten aus Afrika südlich der Sahara, die von den Einheimischen oft für Söldner Gadhafis gehalten, misshandelt und beraubt werden.
Über 190 000 schon repatriiert
Als vorrangige Aufgabe der Hilfswerke wurde auf dem Gipfeltreffen die Heimschaffung der aus Libyen geflohenen Fremdarbeiter bezeichnet. Bisher konnten fast 192 000 Menschen repatriiert werden. Ausserdem fordern die Organisationen unbehinderten Zugang zu jenen Teilen Libyens, in denen sich die am meisten gefährdeten Menschen aufhalten. Das sei vor allem in den von der Regierung kontrollierten Gebieten der Fall. Die Hilfswerke schätzen, dass innerhalb Libyens etwa 600 000 Menschen humanitäre Hilfe benötigen.
Die Hilfswerke drängen auf die Entsendung unabhängiger Aufklärungsteams. Eine solche Untersuchung der Lage vor Ort wurde vergangene Woche vom Menschenrechtsrat beschlossen. Ein anderes Team wird von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in Absprache mit dem libyschen Aussenminister zusammengestellt. Bisher konnten jedoch die Ermittler nicht in Libyen einreisen.