Diese Woche beginnen in Moskau Vorgespräche für eine Syrienkonferenz, die nächsten Montag in der russischen Hauptstadt über die Bühne gehen soll.
Skepsis und Fragen
Gastgeber Wladimir Putin hat die syrische Regierung und die Opposition zu Gesprächen ohne feste Tagesordnung eingeladen, die er „Moskauer Initiative“ nennt. Nach den beiden gescheiterten Genfer Syrienkonferenzen von 2013 und 2014 unter dem Schirm der Vereinten Nationen überwiegen jedoch Skepsis und Fragen über die wahren russischen Absichten.
Syriens Präsident Baschar Al-Assad hat seine Teilnahme zugesagt, ebenso Iran. Al-Assad will aber nicht in einem Dialog mit der Opposition eintreten, sondern nur über die Grundlagen für den Beginn eines solchen Dialogs reden. Die weiterhin zerstrittene syrische Opposition steht der Einladung mehrheitlich ablehnend gegenüber. Sie sieht Russland nicht als neutralen Vermittler. Ihre Führer befürchten, dass Putin, das Assad-Regime und Teheran als Gewinner aus der Konferenz hervorgehen, das syrische Volk aber der Verlierer sein würde.
Nichts zu verlieren
Der derzeitige Sprecher der „Syrischen Nationalen Koalition“ im Exil, Ahmad Moaz Khatib, lehnte die Einladung nach Moskau ab, weil er die Voraussetzungen für einen Erfolg der Konferenz nicht erfüllt sieht. Russland habe keine einzige neue Idee eingebracht. Laut der New York Times raten indessen Vertreter der US-Regierung den syrischen Exilpolitikern, der Einladung nach Moskau zu folgen, weil sie bei diesen Gesprächen nichts zu verlieren hätten.
US-Aussenminister John Kerry erklärte vergangene Woche nach einem Gespräch mit dem Uno-Vermittler Staffan de Mistura in Genf: „Wir hoffen, dass die russischen Bemühungen hilfreich sein können.“ Die USA haben sich nicht mit Russland abgesprochen, der „Moskauer Initiative“ aber auch keinen eigenen Plan entgegenzusetzen. Es ist nicht einmal klar, ob sie weiterhin den Abgang von Baschar Al-Assad fordern, der für sie im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zu einem stillen Verbündeten geworden ist.
Uno nicht eingebunden
De Mistura, der den Titel eines „Sonderbeauftragten des Uno-Generalsekretärs für Syrien“ trägt, ist offensichtlich verärgert, dass er von Putin nicht als Konferenzteilnehmer, sondern nur als „Beobachter“ nach Moskau eingeladen wurde. Die Uno sei in der „Moskauer Initiative“ nicht eingebunden und er werde daher nur einen Mitarbeiter in die russische Hauptstadt entsenden, gab er in Genf bekannt.
Nichtsdestoweniger will De Mistura „die russische Initiative wie jede andere unterstützen, die den Syrern hilft, miteinander zu reden, und die Bewegung in Richtung auf einen breiteren Dialog bringt“. Eine politische Lösung müsse mit Gesprächen beginnen und nicht mit einer Gesprächsverweigerung.
Kein gemeinsames Vorgehen
Der schwedisch-italienische Doppelbürger führt seit 45 Jahren heikle Missionen im Dienste der Uno durch. Als Vermittler im Syrienkonflikt sieht er sich aber jetzt mit den gleichen Hindernissen konfrontiert, an denen bereits seine Vorgänger Kofi Annan und Lakhdar Brahimi scheiterten. Die grösste Hürde ist die mangelnde Unterstützung des Weltsicherheitsrats. Dort ziehen die fünf Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien in verschiedene Richtungen. Die bisherigen Auswirkungen des Bürgerkriegs – 220.000 Tote, fast elf Millionen Flüchtlinge im In- und Ausland, drei Millionen Kinder ohne Schulen, 290 zerstörte oder beschädigte Kulturdenkmäler – vermögen die Grossmächte nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen bewegen.
„Während die schweren Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und der Opposition andauern, steht der ‚Islamische Staat’ nur mehr 20 Meilen von der Millionenstadt Aleppo entfernt“, bedauerte De Mistura auf einer Pressekonferenz in Genf. Der Uno-Vermittler versucht einen vorerst auf Aleppo begrenzten Waffenstillstand zu erreichen, der Vertrauen schaffen soll. Al-Assad habe ihm persönlich zugesichert, dass er „interessiert ist, den Vorschlag zu studieren“. Aus syrischer Diplomatenquelle ist zu erfahren, dass Assad seine Verwaltungshoheit über ganz Aleppo zur Vorbedingung für einen lokalen Waffenstillstand gemacht habe. Die Aufständischen lehnen einen solchen Schritt entschieden ab. Nicht einmal die akute Bedrohung durch den „Islamischen Staat“ vermag die verfeindeten Syrer an den Verhandlungstisch zu bringen. Vielleicht hat die undurchsichtige „Moskauer Initiative“ doch ihr Gutes.