Zunächst die Schlachtordnung. Die Schweizer Nationalbank (NB) hat verkündet, dass sie keinen Franken-Euro-Kurs unter 1.20 tolerieren werde und dafür unbeschränkt Devisen aufzukaufen bereit sei. Darin ist impliziert, was sie nicht macht: Sie bindet den Franken nicht an den Euro und sie hat kein gleichartiges Kursziel gegenüber dem Dollar oder anderen Währungen bekannt gegeben. Wie geht es nun weiter?
Euroschwäche
Es ist zentral wichtig zu verstehen, dass die Wurzel des Problems nicht in einem starken Franken, sondern in einem schwachen Euro liegt. Das ist nicht Hans was Heiri, sondern fundamental. Daraus folgt, dass sich die Schweizer Währung nicht durch eine beispielsweise restriktive Geldmengenpolitik der NB verteuert hat, sondern dass der Euro, verursacht durch die unsägliche Politik im Zusammenhang mit Staatsschulden, an Wert verloren hat. Normalerweise sollten Wechselkurse um die sogenannte Kaufkraftparität oszillieren. Wenn ich also mit 4 Euro den gleichen Warenkorb wie mit 4 Franken kaufen kann, dann wäre der ideale Wechselkurs 1 zu 1. So viel zur Theorie.
Finanzwissenschaft ...
Auch bei Wechselkursen zeigt sich aber in der Praxis, dass die sogenannte Finanzwissenschaft gar keine ist und deshalb auch keine brauchbaren Erklärungen oder Modelle liefern kann. Das zeigt sich besonders hübsch beim Wechselkurs Franken – Euro. Ziemlich genau die Hälfte aller Koryphäen vertritt wortgewaltig die These, dass die NB nichts machen könne, alle Interventionen nur rausgeschmissenes Geld seien und zudem eine fürchterliche Inflation drohe. Die andere Hälfte behauptet, dass der heute eingeschlagene Weg das einzig Richtige sei, Erfolg haben werde und keinesfalls zu einer gravierenden Geldentwertung in der Schweiz führe. Man kann es sich aussuchen, welcher Hälfte man Glauben schenken will. Angebot und Nachfrage
Als eines der unumstösslichen Grundgesetze der Ökonomie gilt, dass mehr Angebot bei gleichbleibender Nachfrage zu fallenden Preisen führe. Da Währungen seit der Freigabe der Wechselkurse zu einer Handelsware wie fast alles andere auch geworden sind, sei dieses Prinzip auch hier anwendbar. Soweit auch hier die Theorie. Daraus müsste also folgen, dass eine finster entschlossene NB, die per Tastenklick beliebige Mengen von neuen Franken schafft, damit ein anvisiertes Kursziel von bspw. 1.20 Franken für den Euro halten könnte. Wenn die Finanzwelt so einfach funktionieren würde.
Geldblasen
Wie Warren Buffett bereits Anfang der 90er-Jahre mit dem englischen Pfund durchexerzierte, ist es einem Spekulanten aber möglich, selbst die englische NB in die Knie zu zwingen. Mit dem Einsatz von eher läppischen 15 Milliarden £ gewann er eine Leerverkaufswette auf einen fallenden Pfundkurs und kassierte eine Milliarde £ als Wochengewinn. Das war 1992, und selbstverständlich war das Pfund auch überbewertet und die britische Wirtschaft in der Krise. Andererseits beträgt heutzutage das unvorstellbare Volumen aller Devisengeschäfte pro Jahr 955 Billionen Dollar (das sind 955 000 000 000 000). Darin inbegriffen ist natürlich der übliche Derivatezoo, also Wettscheine ohne eigenen Wert, mit denen Spekulationswetten abgeschlossen werden.
Nutzt es was?
Bösartige Kritiker behaupten nun, dass die angekündigte Intervention der NB etwa so zu verstehen sei, wie wenn man in den Zürichsee ein Glas Wasser leere und dann beim nächsten Stauwehr schaue, ob der Wasserspiegel merklich angestiegen sei. Andererseits ist der Frankenwert nach dieser Ankündigung sofort gesunken, der Euro kostet im Moment über 1.20. Wenn wir im kriegerischen Vokabular bleiben wollen, hat also bereits die Ankündigung «Feuer frei» Wirkung gezeigt. Wie viel Munition die NB allerdings in Zukunft verfeuern muss, weiss kein Mensch. Genauso wenig, ob sich ein paar riesige Hedgefonds zusammentun werden und sich sagen: 955 Billionen Gesamtvolumen, kleine Schweizer NB, die kriegen wir platt.
Finanzdschungel
Vielleicht muss man es sich so vorstellen, dass die NB ab heute in einen wild wuchernden Finanzdschungel hineinschiesst und hofft, dort ihr Unwesen treibende Hedgefonds und andere Ungetüme wenn nicht zu erlegen, so doch zumindest abzuschrecken. Und das erst noch, ohne eine gröbere Inflation der Schweiz auszulösen. Ich habe keine Ahnung, wie das ausgehen wird, wünsche aber der NB und dem Schweizerfranken viel Glück.