Zunächst das Personal in diesem Stück. Auf der einen Seite Uli Hoeness, Wurstfabrikant und lange Jahre Chef des erfolgreichsten deutschen Fussballclubs. Sowie offenbar süchtiger Zocker und Steuerhinterzieher. Auf der anderen Seite das Trio infernal Axel Weber, VR-Präsident, Sergio Ermotti, CEO, und Andrea Orcel, Investmentbank-Chef der UBS. Die Drei kassierten für ihre Bemühungen im Jahr 2013 rund 28 Millionen Franken.
Peanuts
Auch das sind noch Peanuts, wenn man sie mit den 82,4 Millionen für die gesamte UBS-Konzernleitung vergleicht. Das ist ein Trinkgeld gegenüber den «Key Risk Takers» der UBS, die fürs vergangene Jahr 1,04 Milliarden abräumten. Wobei dieser Begriff aus dem modernen Banglisch irreführend ist, denn niemand von diesen Händlern und Direktoren nimmt irgend ein persönliches Risiko.
Insgesamt verfährt die UBS auch 2013 nach dem einfachen Prinzip: Jahresgewinn der Bank gleich Vergütungstopf. Je rund 3 Milliarden. Dass aus dem gleichen Jahr, nach dem mit 1,4 Milliarden Busse beigelegten Libor-Skandal, weitere potenzielle Milliardenzahlungen für mögliche Beteiligungen an Devisen- und Goldpreismanipulationen drohen, na und? Seit wann hat im modernen Banking «Risk Taking» mit Bonus, Verantwortung oder gar persönlicher Haftung zu tun?
Armes Würstchen
Auf der anderen Seite haben wir einen Uli Hoeness, der soweit bekannt eigenes und geliehenes Geld in der Schweiz verstaute und angeblich mit wilden Zockereien aus rund 20 Millionen Mark bis zu 150 Millionen Euro machte – und einen Grossteil davon auch wieder verlor. Da Hoeness aber, im Gegensatz zu Bankern, tatsächlich ein «Risk Taker» ist, konnte er seine Verluste nicht auf seine Gewinne aufrechnen. Und da er auf zwischenzeitlich entstandene Erträge in Deutschland keine Steuern zahlte, muss er nun auch noch das Prozessrisiko übernehmen.
Hoeness bezahlt also für sein Verhalten mit dreieinhalb Jahren Gefängnis, einer ihn wohl ruinierenden Gesamtnachzahlung von schätzungsweise 45 Millionen Euro und sozialer Ächtung. Wenn nicht lebenslänglich, dann doch für viele Jahre.
Die Moritat von Meckie Messer
In der Dreigroschenoper verglich Brecht das Raubtier Haifisch, das seine Zähne sichtbar im Gesicht trägt, mit dem kleinen Gangster Macheath, dessen Messer man aber nicht sieht. Und die Schauerballade sollte uns lehren:
Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.
Dem genialen Dialektiker Brecht hätte es gefallen, dass im Abendlicht des Finanzkapitalismus seine Moritat neu und anders funkelt. Die Haifische sind weiterhin im Licht und tun das, was halt ihrem Naturell entspricht. Deshalb ist es sozusagen natur- und damit auch finanzrechtlich erlaubt und legal, was sie tun. Jagen, wegbeissen, fressen. Ohne Skrupel, nur verantwortlich für das eigene Wohlergehen. Und wer wollte von einem Haifisch, selbst wenn er Krawatte und Anzug trüge, Moral, Ethik, Anstand, gar Nachsicht einfordern? Ein absurder Gedanke.
Da ist es doch bekömmlicher, mal gelegentlich einen kleinen Meckie Messer aus dem Dunklen zu zerren und für seine gar schröcklichen Taten an den Pranger zu stellen. Auf dass das Volk von Steuerhinterziehern, denn nichts anderes sind die Deutschen, die ein Sechstel ihres Bruttoinlandprodukts durch Schwarzarbeit herstellen, an ihm ihre geheuchelte Entrüstung abarbeiten kann, während es von Haifischen umkreist wird.
Aus dem Dunklen
Natürlich liegt da ein weiteres Zitat aus der Dreigroschenoper jedem auf der Zunge: «Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?» Aber auch da hat sich die Situation seit 1931 in Deutschland etwas verändert. Der Banküberfall eines Ersttäters wird nicht strenger bestraft als Steuerhinterziehung, selbst wenn sich dieser Ersttäter selbst anzeigt und alle nötigen Beweise zu seiner Verurteilung liefert.
Völlig straffrei geht aber der Banker aus, selbst wenn er das Naturell eines Haifischs hat. Selbst wenn er sein Geldhaus verantwortungslos gegen die Wand fährt, den dadurch entstehenden Schaden der Allgemeinheit überbürdet und jede persönliche Haftbarkeit ablehnt. Bislang ist weltweit, ein paar Billionen Schadensbilanz später, kein einziger, nicht ein führender Banker weder straf- noch zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen, zu Gefängnis oder zu Abgabe seines persönlichen Gewinns zum Schaden aller verurteilt worden.
Wenn die Haifische Menschen wären
Weniger bekannt als die Moritat von Meckie Messer ist die Geschichte von Herrn Keuner, der von der kleinen Tochter seiner Wirtin gefragt wird: «Wenn die Haifische Menschen wären, wären sie dann netter zu den kleinen Fischen?» – «Sicher», antwortet Herr K., erst dann gäbe es überhaupt Kultur im Meer, «die Theater auf dem Meeresgrund würden zeigen, wie heldenmütige Fischlein begeistert in die Haifischrachen schwimmen», was sie in den Schulen bereits gelernt haben. Es lohnt sich, Brechts Kalendergeschichten mal wieder zu lesen.