Die kleinen Schritte sind dadurch bedingt, dass es im Stil der jemenitischen Kriegsführung liegt, und in dem der Huthis besonders, zu kämpfen, dann zu verhandeln, möglicherweise sogar einen Vertrag abzuschliessen, doch dann wieder zu kämpfen, wieder zu verhandeln, den bisherigen Vertrag abzuändern oder zu ergänzen, erneut zu den Waffen zu greifen usw.
Nimmt das Parlament den Rücktritt des Präsidenten an?
Zurzeit haben Präsident al-Hadi und seine Regierung ihren Rücktritt eingereicht. Doch dieser Rücktritt wird erst gültig, nachdem das Parlament ihn angenommen hat. Sollte es ihn ablehnen, bliebe der Präsident, nach den Gesetzestexten, weitere drei Monate an der Macht.
Das Parlament sollte zusammentreten. Doch es hat seine Sitzung hinausgeschoben. Ein späterer Versammlungstermin soll noch angesetzt werden. Zweck der Verschiebung soll sein, dass alle Seiten noch einmal hinter den Kulissen miteinander sprechen und verhandeln können, bevor die offizielle Parlamentssitzung durchgeführt wird. Die Absprachen könnten noch einige Zeit dauern, bevor sie zum Abschluss kommen. Sollte das Parlament den Rücktritt des Präsidenten annehmen, würde der Parlamentsvorsitzende, der zur Partei des früheren Staatschefs, Ali Saleh Abdullah,- General Peoples Congress (GPC) - gehört, die Präsidentschaft interimistisch übernehmen, bis ein neuer Präsident gewählt werden kann. Soweit die Gespräche und die Legalität.
Vor Kämpfen in Mareb
Was die politischen Realitäten angeht, scheint sich ein neuer Waffengang vorzubreiten, bei dem es um die Beherrschung der Wüstenprovinz Mareb geht, der wichtigsten Erdölprovinz Jemens. Die Stämme von Mareb treffen Vorbereitungen, um gegen die Huthis zu kämpfen, welche ihrerseits danach trachten, in Besitz der Erdölprovinz zu gelangen.
Die Stämme haben verbündete Stämme der Nachbarprovinzen zu Hilfe gerufen und ihre Bewaffneten sind in vielen Fällen schon eingetroffen. Auch Geld aus Saudi Arabien soll sie erreicht haben. Um ihre Waffenvorräte zu ergänzen, haben die Stämme von Mareb einen Waffentransport der regulären Armee angegriffen und geplündert.
Demonstrationen für und gegen die Huthis
Die Huthis versuchen ihrerseits, Waffen und Macht zu sammeln, indem sie die in der Hauptstadt lagernden Waffen an sich nehmen und die Kommandozentralen von Militärs und Sicherheitskräften zu übernehmen suchen. Sie haben ein Militärlager in der Nähe des Präsidentenpalastes besetzt und geplündert, und sie belagern zur Zeit die Luftwaffenbasis von Sanaa. Dem Kommandanten der Luftwaffe haben sie den Zugang zu seiner Basis verweigert.
Die Huthis haben am Samstag Demonstrationen in Sanaa mit Gewalt aufgelöst, in denen ihr Abzug aus der Haupstadt gefordert wurde. Dabei haben sie auch zwei Pressefotographen geschlagen, gefangen genommen und verschleppt. Auf der Strasse zwischen dem Flughafen und der Hauptstadt fand eine Gegendemonstration von Freunden der Huthis statt. In ihr sollen Soldaten mitgelaufen sein, die zu den Anhängern Ali Saleh Abdullahs, des ehemaligen Staatschefs, gehören.
Ali Saleh Abdullah im Hintergrund
Die Partei Ali Salehs (GPC) und die Huthis arbeiten politisch zusammen. Wenn die Huthis politische Forderungen stellen, stimmen ihnen die Sprecher der GPC zu und umgekehrt. Der Sender von al-Jazeera hat ein - seinen Quellen nach abgehörtes - Telefongespräch publiziert, in dem Ali Saleh Abdullah einem höheren Huthi-Chef Weisungen erteilt und diese stets mit "yes Sir" quittiert werden. Was zu den anderen Verdachtsmomenten über Kollusion der beiden, einst feindlichen, Kräfte hinzu kommt. Was auch, wenn es zutrifft, erklären könnte, warum die Armee nicht gegen die Houthis einschreitet.
Nur gerade die Palastgarde des gegenwärtig zurückgetretenen Präsidenten hatte dies in der vergangenen Woche versucht und war offenbar rasch unterlegen.
Der ehemalige Präsident hat davon gesprochen, dass es bald zu Neuwahlen kommen sollte. Die Huthis befürworten einen Präsidialrat, um diese Wahlen vorzubereiten. Die Jemeniten sprechen bereits über die Möglichkeit, dass der Sohn des früheren Präsidenten, General Ahmed Ali Abdullah Saleh, gewählt werden könnte, denn, so wird einer von ihnen zitiert, "er konnte als Brigadier eine tüchtige Armee aufstellen und für Ordnung sorgen."
Al-Kaida als lachender Dritter?
Die kleinen Einzelschritte, die man beobachten kann, scheinen auf eine Lage hinzuführen, in der sich schlussendlich, nach weiteren Manövern und Palavern, zwei Kräfte gegenüberstehen werden, Ali Saleh Abdullah mit seiner Familie und seinen Anhängern im Volk und in der Armee einerseits, und andrerseits die Huthis. Ob die beiden dann werden ausfechten müssen, wer von ihnen die Herrschaft erringt, oder ob sie zusammen werden regieren können, dürfte dann der Einsatz weiterer Manöver und wahrscheinlich auch Kämpfe werden.
Es gibt aber auch einen lachenden Dritten in dieser Gesamtkonstellation. Er ist AQAP, der arabische Zweig von al-Kaida, der beständig Anschläge durchführt, zur Zeit in erster Linie gegen die Huthis, aber auch noch gelegentlich gegen die verbliebenen Sicherheitskräfte.
Für die AQAP Kämpfer sind die Huthis Schiiten, die sie mit Iran gleichsetzen und die sie im Namen des Sunnismus bekämpfen. Auch die den Huthis feindlichen Stämme von Mareb sind Sunniten, und diese Gemeinsamkeit kann es den AQAP-Aktivisten erlauben, ihre Rekrutierungsbasis auszudehnen und die Gebiete, in denen sie Schutz finden, auszuweiten.
Ein lachender Vierter ist auch zu erwähnen. Dies sind die separatistischen Gruppen des jemenitischen Südens in Aden und anderen Zentren. Sie haben die Rücktrittserklärung al-Hadis zum Anlass genommen, um zu erklären, der Süden werde von nun an keine Befehle mehr aus Sanaa entgegennehmen.
Zusammenbruch der amerikanischen Pläne
Der weinende Fünfte dürften die Amerikaner werden, die bisher versucht hatten, sich auf die offizielle Armee Jemens abzustützen und diese zu stärken, um gemeinsam mit ihr und mit Hilfe ihrer fragwürdigen und wahrscheinlich kontra-produktiven Drohnenschläge AQAP zu bekämpfen.
Saudi Arabien gehört ebenfalls zu den zurzeit Überspielten. Dem Vernehmen nach haben die Saudis die Zahlungen, die sie bisher an die jemenitische Regierung und an die Armee leisteten, stillschweigend eingestellt. Dies dürfte ihnen schon bald eine Verhandlungsgrundlage bieten, weil das Land, wer immer regieren wird, schlechterdings nicht ohne die Hilfsgelder auskommen kann.