Ein Waffenstillstand in Sanaa, der am Montag geschlossen worden war, hat nur einen Tag lag gehalten. Am Dienstag brachen neue Schiessereien aus, als die Huthis den Präsidentenpalast belagerten und schliesslich eroberten. Sie sollen die dortigen Waffenlager geplündert haben. Präsident al-Hadi befand sich nicht in dem Palast sondern in seiner Privatresidenz, die weit entfernt in einem anderen Teil von Sanaa liegt. Er wurde dort belagert. Doch die Huthi drangen nicht in die Residenz ein. Es herrschte gespannte Ruhe, nachdem zwei Soldaten vor dem Wohnsitz des Präsidenten getötet worden waren.
Abdel Malik al-Huthi erklärt sich
Der Anführer der Huthis, Abdel-Malek al-Huthi, hielt zum ersten Mal eine Rede im staatlichen Fernsehen, das von den Huthis schon am Montag erobert worden war. Er erklärte den Präsidenten nicht als abgesetzt. Doch er machte klar, dass dieser sich den Wünschen der Huthis zu fügen habe. "Alle Optionen stehen offen", sagte er,"und niemand, weder der Präsident noch sonst irgendwer, wird sich unseren Massnahmen entziehen, wenn er sich darauf versteift, eine Verschwörung gegen den Jemen durchzuführen."
Er drängte al-Hadi, "die politischen Veränderungen, die wir fordern," zu beschleunigen. Die Huthis, sagte er, seien Opfer von Korruption und falschen Versprechen geworden. Die Regierung habe die "Friedenspartnerschaft vom September" nicht respektiert. "Wir versuchen, der Regierung etwas Legitimität zu verschaffen."
Verschwörungstheorie
Dies bezieht sich auf den Vertrag, den die Huthis am 21. September mit al-Hadi geschlossen hatten. Sein Wortlaut wurde nur in den groben Zügen bekannt. In den Augen der Huthis enthält er offenbar auch Zusagen zu einer Änderung des bestehenden politischen Systems.
Dies ist ein Hauptpunkt der Propaganda der Huthis. Sie sagen, nicht ohne Grund, alle Pläne, die zur Zeit der Nationalen Dialogkonferenz in einer beinahe einjährigen Diskussion aller politischen Kräfte formuliert wurden, seien blosses Papier geblieben. Nach der Konferenz hätten die bisherigen politischen Machthaber erneut die Macht unter sich aufgeteilt.
Der Huthi-Führer beklagte die Armut der Bevölkerung, die in der Tat bitter ist und immer weiter zunimmt. Er behauptete, eine internationale Verschwörung gegen Jemen bewirke sie. Die gleiche Verschwörung versuche nun, eine Verbindung zwischen der Mordattacke auf Charlie Hebdo und Jemen zu konstruieren. Er behauptete auch, die Regierung habe Al-Quaida - bittere Feinde der Huthis - "geholfen in allen Provinzen zu wachsen, und der Präsident verbot der Armee, gegen sie vorzugehen".
Das Volk mit uns
Die politischen Führer seien tief in Korruption und Tyrannei versunken. "Die Nation begann, sich auf eine tragische Lage und auf den vollen Zusammenbruch hin zu bewegen. Die Lage hat sich an allen Fronten verschlechtert, jener der Wirtschaft, der Politik und der Sicherheit - in grossem Ausmass". Er fuhr fort: "Das Volk Jemens hat nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder es widersteht solchen Verschwörungen oder es geht gegen sie vor. Die Verschwörer gehen darauf aus, Chaos im Land zu verbreiten." - "Das ist der Grund" sagte der Huthi-Chef , "weshalb wir mit dem jemenitischen Volk vorangegangen sind, obgleich dies manche Mächte innerhalb und ausserhalb Jemens ärgert. Doch das jemenitische Volk ist mit uns und versteht unsere Ziele."
Die Huthis als Macht hinter dem Thron des Präsidenten
Es gibt in der Tat Anhänger der Huthis, die hoffen, ihr Regime könne des Land aus den Händen seiner bisherigen politischen Klasse befreien und dadurch voranbringen. Doch es gibt auch Demonstranten in Sanaa, die es nach wie vor wagen, gegen die bewaffnete Präsenz der Huthis zu protestieren und zu fordern, dass ihre Bewaffneten die Stadt verlassen.
Beim Vorgehen der Huthis handelt es sich offenbar bisher nicht um einen Staatsstreich klassischer Art. Vielmehr scheint die Absicht des Huthi-Führers zu sein, al-Hadi nominell als Staatschef beizubehalten, aber ihn zu einer Politik zu zwingen, die sich an die Vorstellungen und Weisungen der Huthis hält. Der Vorteil für die Huthis bei diesem Vorgehen liegt darin, dass sie formell die bestehende Legitimität nicht verletzen, sondern nur versuchen, sie zu ihrem Vorteil zurechtzubiegen. Dies ist wichtig für sie, weil das Land von den internationalen Geldgebern abhängt. Diese könnten im Falle eines vollendeten Staatsstreichs ihre für Jemen lebenswichtigen Zuschüsse einstellen. Ausserdem ist es für die Macht "hinter dem Thron" immer leichter als für die direkt Verantwortlichen, sich der Verantwortung zu entziehen, wenn die Dinge schief laufen, wie es im Jemen schwer zu vermeiden sein wird.
Der Sicherheitsrat hat sich in einer Erklärung entschieden hinter den - zur Zeit offensichtlich machtlosen - Präsidenten gestellt und betont, dass er die Legitimität verkörpere.