In der Schweiz ist der heute 55-jährige Doppelbürger Foa vor allem bekannt als langjähriger Chef der Tessiner Zeitung „Corriere del Ticino“. Er wurde in Mailand geboren und nahm dann auch das Schweizer Bürgerrecht an.
Jetzt hätte Foa Präsident des öffentlich-rechtlichen italienischen Radios und Fernsehens (Rai) werden sollen. Dass die siegreichen italienischen Populisten einen ähnlich Gesinnten an die Spitze von Radio und Fernsehen setzen wollten, liegt auf der Hand.
Doch am Mittwoch ist Foa gescheitert. Der Aufsichtsrat der Rai, der ihn hätte wählen sollen, wählte ihn nicht. Foa stürzte über seine Nähe zu den Populisten, zu Steve Bannon und seinen wüsten Ausfall gegen den Staatspräsidenten.
Populistische Indoktrination?
Doch Lega-Chef Salvini, der starke Mann Italiens, will nicht aufgeben. Er sagt, er habe eine Lücke gefunden, um Foa dennoch ins Amt zu zwängen. So funktioniert Demokratie à la Salvini.
Der Wahl eines Rai-Präsidenten war eine Schlammschlacht vorausgegangen, in die sogar Staatspräsident Sergio Mattarella einbezogen wurde. Die Linke, aber auch Teile der bürgerlichen Rechten, kämpften gegen Foas Ernennung. Mit Erfolg. Kritisiert wurde er auch wegen seiner sehr kritischen Haltung gegenüber dem Euro und der EU.
Der Präsident des italienischen öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens hat wesentlich mehr Einfluss und Macht als zum Beispiel der SRG-Generaldirektor. Der Rai-Präsident kann ganz klar die politische und ideologische Linie vorgeben. Und da Foa von der Lega und den Cinque Stelle in den Sattel gehoben wurde, fürchteten vor allem linke Kreise eine populistische Indoktrination durch den halbstaatlichen Koloss mit seinen Dutzenden Stationen und Programmen.
Akademische Karriere
Marcello Foa war zunächst Sonderkorrespondent des „Giornale“ von Indro Montanelli, dem wohl grössten Monument in der italienischen Presselandschaft. Aus finanziellen Gründen verkaufte der feurige Antifaschist Montanelli seine Zeitung 1977 Silvio Berlusconi. Stimmen in Rom, die Foa schätzen, sagen, der neue Rai-Präsident sei eher vom streitbaren, rechtsstehenden Montanelli beeinflusst worden denn von Silvio Berlusconi. Unter Montanelli wurde Foa Vize-Auslandchef. Er berichtete unter anderem über die Wiedervereinigung Deutschlands, den Zerfall der Sowjetunion und die Einführung des Euro.
Dann begann er eine akademische Karriere. 2004 gründete er zusammen mit dem deutschen Professor Stephan Russ-Mohl in Lugano das „European Journalism Observatory“ (EJO). Auch dozierte er an der Universität in Lugano.
2011 begann sein Aufstieg bei „Timedia“, die den „Corriere del Ticino“ herausgibt. Bald wurde er CEO. Immer wieder gab er der BBC Interviews – aber auch dem russischen Propagandasender „Russia Today“. Nie kritisierte er dabei die völkerrechtswidrige Annektion der Krim durch Russland.
Salvini nahestehend
Schon lange stand er der populistischen, fremdenfeindlichen Lega nahe. Mit Lega-Chef Matteo Salvini verbinde ihn „eine Beziehung gegenseitiger Wertschätzung“. Salvini bezeichnet sich als Freund von Marine Le Pen und der anderen europäischen Populisten. Am 8. März dieses Jahres traf Foa zusammen mit Salvini mit dem amerikanischen Scharfmacher Steve Bannon in Mailand zusammen.
Dieser Marcello Foa, den die italienischen Zeitungen als „Souveränist“ bezeichnen, hätte jetzt „die kulturelle Revolution“ in die Rai hineintragen und sie „von Parasiten befreien“ sollen. So drückt sich Cinque Stelle-Chef Luigi Di Maio aus, der zusammen mit Salvini die Regierung prägt.
Doch das Journalismusverständnis der Cinque Stelle ist oft befremdend. Beppe Grillo, der Mitgründer der „5 Sterne“ gilt noch immer als Guru der Bewegung. Er veröffentlicht in seinem populären Blog immer wieder Artikel, die tel quel von den russischen Propagandamedien Sputnik und Russia Today (RT) übernommen wurden. Da werden oft die dümmsten Verschwörungstheorien verbreitet. Ist das die „kulturelle Revolution“, die Di Maio anstrebt?
„Ekelhafte“ Erklärung des Staatspräsidenten
Die Populisten sind der Meinung, die Rai habe bisher zu sehr die Linke zu Wort kommen lassen und die populistischen Parteien vernachlässigt. Das stimmt höchstens teilweise. Die verschiedenen Rai-Programme sind in den letzten Jahren eher nach rechts gerückt.
Für Aufregung sorgte Foa, als Staatspräsident Sergio Mattarella die von Salvini geforderte Ernennung des 81-jährigen Paolo Savona zum Wirtschaftsminister stoppte. Savona liebäugelt damit, aus dem Euro auszusteigen. Foa reagierte wenig staatsmännisch. Mattarellas Erklärung sei „ekelhaft“ (disgustoso). Dann liess er sich völlig gehen. Auf Facebook wetterte er, Mattarella solle „doch gleich die Regierung entlassen und die Diktatur ausrufen“. Nach einem Sturm der Entrüstung versuchte er mit dürftigen Worten einen peinlichen Rückzieher.
Keine Spuren hinterlassen?
Wer also ist dieser Italo-Schweizer, der vielleicht doch noch ins Präsidentenamt gezwängt wird? Ein guter Journalist, ein Populist, eine Marionette, ein zäher Karrierist, ein cleverer Blender? Die Meinungen gehen diametral auseinander.
Im Corriere del Ticino hörte Journal21.ch Verschiedenes: Nicht wenige auf der Redaktion waren nicht unglücklich, dass Foa nach Italien gehen sollte. Er sei immer korrekt und freundlich gewesen, habe jedoch keine Spuren hinterlassen.
Diese Meinung teilen nicht alle. Einer, der ihn beruflich am besten kennt, ist der renommierte deutsche Medienprofessor Stephan Russ-Mohl. 16 Jahre haben die beiden an der Universität Lugano zusammengearbeitet.
Brückenbauer
Gegenüber Journal21.ch sagt Russ-Mohl: „Foa hat trotz schwieriger Rahmenbedingungen das grösste private Tessiner Medienunternehmen und den Corriere del Ticino ins Digital-Zeitalter geführt, die Zeitung erkennbar qualitativ verbessert und ihre liberal-konservative Positionierung nicht verändert.“ Zudem sei er „in der Tessiner Öffentlichkeit und auch an unserer Universität als Moderator, Gesprächspartner und Medienexperte stark präsent“.
Weiter: „Er hat zusammen mit mir vor 14 Jahren das European Journalism Observatory gegründet – und uns über viele Jahre als verlässlicher Partner und Ratgeber begleitet. In diesen Jahren haben wir das zunächst dreisprachige Projekt zu einem europäischen Netzwerk ausgebaut, das in 14 Sprachen kritisch und wissenschaftlich den Journalismus begleitet. Ich gehöre politisch nicht in sein Lager, aber wenn jemand Brücken bauen kann zwischen verschiedenen Parteien, dann ist das er.“
Im Solde Bannons?
Eine bekannte Tessiner Journalistin, die bestens mit dem Tessin und der Szene vertraut ist und Foa persönlich kennt, sieht es radikal anders: Gegenüber Journal21.ch sagt sie, Foa hege deutliche Sympathien für Steve Bannons Propaganda. „Im Tessin weiss man nicht genau, wie er es geschafft hat, CEO des Corriere del Ticino zu werden. Seit er da war, ging es mit dem Corriere bachab, die Zeitung verliert Hunderte Abonnenten. Leider konzentriert sich Foa nicht auf administrative Arbeit, leider schreibt er auch, und zwar immer wieder reine Trump-freundliche Propaganda.“
Foa habe „offen Marine Le Pen unterstützt und er sah ihren Sieg im zweiten Wahlgang voraus. Er ist clever aber unbeholfen. Mehrmals hat man ihn beim Verbreiten von Fake News ertappt. Beim Übersetzen englischer Texte macht er gravierende Fehler.“ Das Problem sei, so die Tessiner Journalistin, „dass es ihm gelang, sich in der Universität Lugano zu infiltrieren, einer Universität die von der Lega und der ‚Comunione e Liberazione‘ beeinflusst ist. Dass er dort Journalistenkurse gibt, ist eine Schande.“
22 statt 27 Stimmen
Am Mittwochmorgen hätte der parteipolitisch zusammengesetzte Aufsichtsrat der Rai Foa wählen sollen. Das Gremium zählt 40 Mitglieder. Nötig gewesen wäre eine Zweidrittelmehrheit, also 27 Stimmen. Foa erhielt 22 Stimmen und ist damit nicht gewählt. Die Linke stimmte gegen ihn. Auch Berlusconis Forza Italia war ihm sehr kritisch gesinnt. Berlusconi selbst hat sich gegen Foa ausgesprochen.
Ob es Salvini gelingt, seinen Protégé doch noch ins Amt zu zwängen, ist unklar. Ebenso unklar ist, ob der geschmähte und angezählte Foa unter diesen Umständen dann immer noch Rai-Präsident werden will.
Kreise, die Berlusconi nahestehen, freuten sich am Mittwoch über die Niederlage Salvinis und Di Maios. Berlusconi soll gesagt haben: „Lange wäre Foa ohnehin nicht Rai-Präsident geblieben. Die Regierung Salvini-Di Maio wird bald stürzen – und mit ihr stürzt auch der Rai-Präsident.“