Etwas ist neu: Militärpolitische Vorlagen sind bisher vom Schweizer Stimmvolk stets deutlich angenommen worden. So wurde 1983 die Volksinitiative „für eine Schweiz ohne Kampfflugzeuge“ mit über 57 Prozent abgelehnt. Sogar die Volksinitiative „gegen Kampflärm in Tourismusgebieten“ wurde 2008 von über 68 Prozent abgeschmettert.
Jetzt, zum ersten Mal, sagen die Stimmenden Nein. Nein zur Beschaffung des schwedischen Kampfflugzeuges Gripen. Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit bringt ein Verteidigungsminister eine wichtrige militärpolitische Vorlage nicht durch.
Das Volk sagt Nein, obwohl die Befürworter des Gripen eine fast phänomenale Pro-Kampagne gestartet hatten. Viel, viel Geld wurde investiert. So wurde unter anderem in alle Schweizer Haushalte eine vierfarbige Broschüre verteilt, in der die Crème de la Crème das Flugzeug in den Himmel hob.
Alle Register wurden gezogen: Die Schweiz sei ohne Gripen nicht mehr sicher. Das WEF könne nicht mehr stattfinden. Wir schulden es unseren Kindern, ein sicheres Dach über dem Kopf zu haben. Die Unabhängigkeit und Sicherheit der Schweiz stehe auf dem Spiel. Die Ukraine-Krise zeige, wie wichtig die Landesverteidigung sei. Ein Nein zum Gripen wäre ein „Angriff auf die Souveränität“. Ein Nein wäre ein Schritt zur Totalabschaffung der Armee. Und so weiter.
53,4 Prozent Nein - das ist ein beachtlicher Erfolg der Gegner. Eine detaillierte Analyse wird zeigen, weshalb der Gripen abstürzte, bevor er flog.
Für die einen waren die 22 Flugzeuge wohl zu teuer. Und vielleicht wiegen sich Schweizerinnen und Schweizer in Sicherheit, sehen keine unmittelbare Bedrohung und erachten die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges als nicht dringend notwendig.
Wenn es jetzt heisst, die Armee-Gegner hätten den Gripen zu Fall gebracht, ist das Unsinn. Sie mögen dazu beigetragen haben, aber sie sind zu schwach, um ein Nein durchgesetzt zu haben. Andere Gründe spielten mit.
Vielleicht liegt es am Abstimmungskampf der Befürworter. Ueli Maurers aggressives, teils schnoddriges Auftreten befremdet immer mehr. Wer nicht für ihn ist, wird versenkt. Journalisten, die ihm kritische Fragen stellen, behandelt er wie Dreck. Wir sind alles Dummköpfe, wenn wir nicht sehen, wie toll dieses Flugzeug ist.
Wer gegen den Gripen ist, ist schon fast ein Landesverräter, er unterminiert die Sicherheit der Schweiz. „Die Gegner wollen die Abschaffung der Armee“, paukte uns Maurer und seine Entourage immer wieder ein.
Wir wollen die Armee nicht abschaffen, wir sind für eine starke Armee. Doch wir haben das Recht, einige kritische Fragen zu diesem Flugzeugtyp zu stellen – ohne gleich als Verräter und Armee-Gegner denunziert zu werden. Eine sachliche Diskussion mit den Gripen-Befürwortern war meist nicht mehr möglich. Wenn Du ein Schweizer bist, stimmst du Ja, wenn Du ein Verräter bist, stimmst Du Nein. Das war fast Nötigung.
Gut möglich, dass vielen Stimmenden diese Holzhammer-Haltung auf die Nerven ging. Sie stimmten nicht gegen den Gripen, sondern gegen Ueli Maurer und diese fast erpresserische Abstimmungskampagne. Es war kein Denkzettel für die Armee, sondern ein Denkzettel für Ueli Maurer und seine Adlaten.
Vielleicht wären die zusätzlichen 3,5 Prozent, die für ein Ja nötig gewesen wären, nicht verloren gegangen, wenn ein Didier Burkhalter oder eine Doris Leuthard die Vorlage verteidigt hätten. Dass man das Schicksal des Gripen mit dem Schicksal der gesamten Armee verband, war ein Unsinn.
Ueli Maurer wird es diesmal schwer haben, die böse Linke, die Medien - und das Fernsehen sowieso - für seinen Flop verantwortlich zu machen - so wie er es bei Niederlagen zu tun pflegt. Erwiesenermassen haben viele Bürgerliche gegen das Flugzeug gestimmt.
Die Schweiz wird nach dem Gripen-Nein nicht untergehen. Auch ihre Souveränität und ihre Sicherheit wird sie nicht verlieren. Man wird ein anderes Flugzeug finden und beschaffen.
Aber vielleicht wäre der Gripen wirklich ein gutes Flugzeug gewesen. Vielleicht findet man kein besseres. Sicher aber findet man einen besseren Verteidigungsminister.