Er wurde mit Millionen überschüttet. Sponsoren rissen sich um ihn. Fans kreischten, wenn sie ihn sahen. Politiker schüttelten ihm die Hand. Der Staatspräsident telefonierte ihm. Täglich erhielt er Dutzende Liebesbriefe. Autogrammjäger umringten ihn. Nicht nur in seiner Heimat wurde er angebetet und hochgejubelt wie ein Überirdischer.
Nur wenige, nicht nur Sportler, können einer solch exzessiven Verehrung widerstehen. Es braucht einen starken Charakter, um kühlen Kopf zu bewahren und nicht abzuheben. Djokovic hat diesen Charakter nicht.
Er erleidet das Schicksal vieler vom Ruhm davongetragener Halbgötter. Der Ruhm ist wie eine Droge, ein Gift und hat ihn blind gemacht. Er glaubt, er sei der Jesus Christus des Tennis Court. Als solcher meint er, sich alles leisten zu können. Regeln und Gesetze gelten für die anderen. Doch in seiner Überheblichkeit verlor er mehr und mehr die Contenance. Und wurde zur tragischen, lächerlichen Figur.
Unbelehrbarer Trotzkopf
Er hätte weiss Gott genug Geld gehabt, um einen professionellen Medienberater engagieren zu können. Anstatt gut bezahlte Anwälte zu engagieren, hätte er besser einen vernünftigen Berater angestellt. Ein solcher hätte ihn aus seiner Traumwelt auf den Boden der Realität zurückgeholt.
Jetzt hat er sich in selbstzerstörerischer Manier zum Buhmann gemacht, zum unbelehrbaren Trotzkopf. Selbst wenn er in Australien hätte spielen dürfen und selbst wenn er gewonnen hätte: Sein Image ist nicht nur beschädigt; es liegt in Trümmern.
Es genügt heute nicht mehr, ein Top-Sportler zu sein. Als Werbeträger muss man auch ein «good guy» sein.
Viele seiner Tennis-Kollegen schütteln nur den Kopf und wenden sich von ihm ab. In den sozialen Medien wird er mit Häme überschüttet. Es sind nur wenige, die für ihn demonstrieren. Er wird zunehmend einsam.
Verdient hat er das Geld vor allem mit seinen Sponsoren. Doch auch diese beginnen sich von ihm abzuwenden. Das Lacoste-Krokodil könnte bald zu anderen Ufern schwimmen. Es genügt heute nicht mehr, ein Top-Sportler zu sein. Als Werbeträger muss man auch ein «good guy» sein, der eine Vorbildfunktion hat. Roger Federer spielt diese Rolle perfekt. Djokovic hätte von Federer lernen können.
Auch als Galionsfigur der Impfgegner taugt er nichts
Getragen wird der Serbe noch von fanatischen nationalistischen und chauvinistischen serbischen Kreisen. Und von denen gibt es in Serbien genug. Auch der serbische Präsident Alexander Vučić, nicht gerade ein demokratischer Musterschüler, spielt die chauvinistische Karte. Doch all das nützt Djokovic nichts mehr. Auch als Galionsfigur der Impfgegner eignet sich der Tennisstar wenig. Wenn solche Egozentriker und Starrköpfe die Vorzeigefiguren der No-vax-Leute sind, na dann ...
Jesus ist gekreuzigt worden, jetzt wollen sie Novak kreuzigen.
Eine absolut lächerliche Rolle spielte seine Familie. Der Vater forderte die «freie Welt» auf, «sich zu erheben». «Wir sind stolze Menschen. Sie können uns nicht brechen», sagte er weiter. Sein Sohn sei die «Personifikation der Freiheit, alles Menschliche, was ein Mensch in sich trage».
Und dann dies: «Sie wollten Novak und ganz Serbien unterwerfen, auf die Knie zwingen. Jesus ist gekreuzigt worden – und jetzt wollen sie Novak auf die gleiche Weise kreuzigen.» Und: «Er ist nicht nur Serbien, er ist die ganze freie Welt.» Der rabiate Auftritt seiner Familie hat den Schaden, den der Sohn angerichtet hat, nur noch schlimmer gemacht.
«Gott sieht alles – mein Segen ist geistlich!»
Djokovic, der Esoterik nicht abgeneigt, scheint mehr und mehr den Boden unter den Füssen verloren zu haben. «Gott sieht alles – mein Segen ist geistlich!», sagt er. Und: Mit der Kraft seiner Gedanken könne er Wasser reinigen. Wenn das so weiter geht, wird er sagen, dass er übers Wasser gehen kann.
Auch in Serbien beginnen viele den Kopf zu schütteln. Viele schämen sich seiner. Längst nicht alle auf dem Balkan sind fanatische Chauvinisten. Im Gegensatz zum serbischen Präsidenten hat die serbische Premierministerin Ana Brnabic eine differenzierte Meinung: «Wenn man weiss, dass man positiv ist, muss man in Isolation.»
Natürlich ist der Spott und die Häme, die über ihn ausgeschüttet wird, manchmal übertrieben. Aber der Mensch liebt es nun einmal, wenn Angeber, die andere verspotten und sich über alle Regeln hinwegsetzen, vom Thron gestürzt werden.
Willst du den Charakter eines Menschen kennen ...
Sicher hat sich auch Australien in der Affäre blamiert, doch Djokovic hat sich mehr als blamiert: Er hat sich erledigt. Auch wenn er wieder siegen sollte, sein Image ist kaputt. Er wollte übers Wasser gehen, doch er ertrank dabei. Der Ruhm hat ihn zerstört.
Vielleicht ist er ganz am Schluss doch noch etwas einsichtig geworden und vom Olymp heruntergestiegen: Er akzeptiert die Ausweisung aus Australien.
«Willst du den Charakter eines Menschen kennen, so gib ihm Macht», sagte Abraham Lincoln. Man könnte diesen Spruch abwandeln. «Willst du den Charakter eines Menschen kennen, gib ihm Ruhm.»