Ruschitzka wirkt schon seit 1996 am Universitätsspital, an dem er sich, wie er betont, sehr wohl fühlt. Für seine Arbeit hat er mehrere Auszeichnungen bekommen, unter anderen den Friedrich-Goetz-Preis der Uni Zürich für seine Leistungen in der Grundlagen- und klinischen Forschung. 2016 wurde er Präsident der Heart Failure Association (HFA), der europäischen Gesellschaft für Kardiologie. „Die Kardiologie macht Fortschritte wie noch nie“, sagt er, „wir retten heute zahlreiche Menschen, bei denen das früher nicht möglich gewesen wäre.“
Kein Silodenken
Doch noch immer ist die Herz-Kreislauf-Erkrankung die häufigste Todesursache in Europa, auch deshalb, weil die Menschen immer älter werden. Dank neuer Therapien aber können etwa Herzinfarkte bis hin zu Herzklappenfehlern heute viel schonender behandelt werden. Noch vor einigen Jahren konnten Patienten wegen vorgerückten Alters oder Begleiterkrankungen nicht mehr operiert werden. Das sei heute ganz anders.
Ruschitzka weist auf grosse Forschungsanstrengungen hin, etwa im Bereich Herz-Hirn. „Wer nur das Herz sieht, versteht die Kardiologie nicht richtig“, meint er. In seiner Klinik sei das „Silodenken“ fehl am Platz. Im Zentrum der Bemühungen stehe immer der Patient als Ganzer. Seine Lebensqualität würde dank der „personalisierten Medizin“ laufend verbessert. Und er fügt hinzu, Ärzte verschiedener anderer Fachrichtungen ebenso wie Allgemeinpraktiker sollten seiner Meinung nach noch intensiver in Sachen Ganzheitlichkeit geschult werden. Die menschlichen Organe sind aufeinander angewiesen.
Prävention! Prävention!
Gesundheitliche Prävention ist einfach, kostet wenig oder gar nichts – und wird doch vernachlässigt. Ruschitzka: „Nur schon, wenn sich jemand, der das vierzigste Lebensjahr überschritten hat, regelmässig den Blutdruck misst, tut er viel für sich.“ Der für das Herz gefährliche zu hohe Blutdruck kann leicht gesenkt werden. Die Leute merken dessen Ansteigen nicht wirklich. Zu den Risikofaktoren gehören auch genetische Veranlagung, Rauchen, zu viel Cholesterin, Diabetes. „Leider“, bedauert Ruschitzka „kommen die Patienten sehr oft zu spät zu uns, nämlich dann, wenn sie bereits erkrankt sind (an Arteriosklerose etwa) und unter Beschwerden leiden. Sie sollten zur ärztlichen Kontrolle kommen, wenn sie sich noch gesund fühlen.“
Zur genetischen Veranlagung kann Ruschitzka prominente Beispiele anführen: Trump, Clinton. Bei beiden sind familiäre Herzkrankheiten belegt. Trumps Bruder, der schwere alkoholische Probleme hatte, starb an einem Herzinfarkt. Clinton überlebte nach seiner Amtszeit ebenfalls einen Infarkt. Es ist sicher angebracht, zum Zweck der Prävention etwas in der Familiengeschichte nachzuforschen. Frank Ruschitzka erzählt von einer jungen Frau, die traurig zu ihm kam. „In meiner Familie stirbt man früh.“ Durch genaueres Wissen über die Gründe kann vielleicht Abhilfe geschaffen werden.
Ruschitzka weist darauf hin, dass das Herz normalerweise täglich 100’000 Mal schlägt. Das Herz eines 80-jährigen Menschen hat drei Milliarden Mal geschlagen. „Wir sollten dieses wundervolle Organ“, so fährt er fort, „respektieren, ja, es lieben. Denn es leistet Schwerarbeit für uns.“ Er ist überzeugt, dass wir mit einer gesunden Lebensführung und einer konsequenten Beachtung der uns bekannten Risikofaktoren einen grossen Teil der Herzerkrankungen vermeiden können.
„Es bricht mir das Herz“
Das Wort Herz ist im Sprachgebrauch breit verankert. Herzig, herzlos, herzlich usw. usw. „Mir tut das Herz weh“, sagen viele Menschen, wenn sie etwas Erschütterndes beobachten, hören oder „es bricht mir das Herz“. Und immer wieder ist zu vernehmen, wir sollten uns nicht so anstrengen, aufregen „sonst bekommst du noch einen Herzschlag“. Tatsächlich erhöhen psychische Belastungen wie Trauer, Mobbing, Enttäuschungen, Stress das Herzinfarktrisiko sogar bei gesunden Menschen.
Zwischenmenschliche Belastungen können grösseren Schaden anrichten als äusserliche Aufregungen wie zum Beispiel Verspätungen, oder Ärger über verlorene Dinge. Mitunter hört man von alten Menschen, die Partner oder Partnerin durch den Tod verloren haben, dass einige Monate oder ein Jahr auch sie sterben. Trauer kann so gross sein, dass sie zum Syndrom des gebrochenen Herzens führt (Tako-Tsubo-Syndrom), das bei hoher Intensität tödlich sein kann.
Weniger bekannt ist, dass Rauchen das Herz noch mehr schädigt als die Lunge. Schon mässiges Rauchen kann das Herzinfarktrisiko erhöhen. Auch Passivraucher erleiden Schaden. Im Rauch, der in der Nähe entsteht, ist die Konzentration an Schadstoffen oft noch stärker als beim direkten Zug an der Zigarette.