Jahrelang war ein Hauptargument der USA beim Streit mit Teheran um das iranische Atomprogramm, dass der Iran daran gehindert werden müsse, Atomwaffen zu entwickeln und herzustellen. Die Europäer, die seit 2008 Atomverhandlungen mit Teheran führten, übernahmen dieses Argument und feierten sieben Jahre später die Unterzeichnung des Abkommens (JCPOA). Allein Israel traute der Sache nicht und hörte nicht auf, dem Iran unlautere Absichten und eine Gefährdung Israels zu unterstellen. Und das, obwohl Israel die einzige Atommacht im Nahen Osten ist.
Diese Behauptungen wurden durch den frisch gewählten US-Präsidenten Donald Trump übernommen, als dieser sich anschickte, das Abkommen in Frage zu stellen und drohte, es
aufzukündigen. Trump muss bekannt gewesen sein, dass der Iran die Auflagen des Abkommens erfüllte, und er begründete seine Ablehnung nun zusätzlich mit der Rolle des Iran in der Region. Besonders in den bewaffneten Konflikten im Jemen, Syrien und zwischen Israel und der „Hamas“ im Gazastreifen.
Ein Versuchsreaktor als Geschenk an den Schah
Nur zaghaft machten die anderen Unterzeichner des Atomabkommens den Einwand, die erwähnten Konflikte hätten mit der Atomfrage ja nichts zu tun. Letztlich lenkten die meisten von ihnen aber ein, indem sie sich hinter den positiven Berichten der IAEA Atomenergie-Behörde verschanzten und nichts unternahmen, als Trump vor einem Jahr die Zustimmung der USA zum Abkommen aufhob und begann, den Iran erneut mit Sanktionen zu belegen, und es seitdem darüber zu wachsenden militärischen Spannungen am Persischen Golf kommt.
Ein Blick in die Archive der letzten Jahrzehnte hätte allen Beteiligten vieles ersparen können. Vorausgesetzt natürlich, dass diese Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit an den Tag gelegt hätten. Oder doch zumindest das Rückgrat, die anderen auf die Fakten aufmerksam zu machen: Der Iran hatte noch zur Zeit des Schahs seinen ersten Versuchsreaktor von den USA erhalten und war auch einer der ersten Unterzeichner des Nichtverbreitungsabkommens (NPT) gewesen. Nach der Revolution zeigten die neuen Herrscher zunächst kein besonderes Interesse an Nukleartechnologie, langsam aber wird der Iran auch auf diesem Bereich aktiv. Seine Nuklearanlagen werden von den Inspektoren der IAEA kontrolliert und die haben nichts auszusetzen.
„With moderate confidence“
Wiederholt versichert die Teheraner Führung, an Atomwaffen kein Interesse zu haben. Es halten sich aber Gerüchte, dass der Iran sich mit wachsender Aktivität um Atomforschung und möglicherweise auch Atomwaffen bemühe. So bestätigt Ende Oktober 2007 ein gemeinsamer Bericht aller US-Geheimdienste (National Intelligence Estimate / NIE) zwar, dass Teheran bereits im Herbst 2003 sein erstes Atomwaffenprogramm eingestellt habe und seitdem offenbar nicht wieder aufgenommen habe. Iran habe auch die Anreicherung von Uran eingestellt und sich bereiterklärt, das Zusatzprotokoll zum NPT zu unterzeichnen (dieses ist dann allerdings nicht geschehen).
Der Bericht bilanziert: „Es ist unsere einigermassen überzeugte Einschätzung, dass der Iran sein Atomwaffen-Programm bis Mitte 2007 nicht wieder aufgenommen hat, aber wir wissen nicht, ob es gegenwärtig plant, Atomwaffen zu entwickeln.“
- „We assess with moderate confidence Tehran had not restarted its nuclear weapons program as of mid-2007, but we do not know whether it currently intends to develop nuclear weapons.“
- „We continue to assess with moderate-to-high confidence that Iran does not currently have a nuclear weapon.” („Wir schätzen weiter mit höherer Überzeugung, dass der Iran gegenwärtig keine Atomwaffen hat.“
Überflussige Atomverhandlungen?
Dieser Befund sämtlicher US-Geheimdienste hätte eigentlich die Atomverhandlungen überflüssig machen und vielleicht durch etwas striktere Kontrollen der IAEA ersetzen können. Nachdem aber doch verhandelt und einige Einigung erzielt wurde, mutet es absurd an, dass der US-Präsident das Abkommen verlässt und damit eine ernste Krise mit dem Iran auslöst. Selbst wenn er jetzt nicht müde wird zu betonen, dass da ja noch die „anderen Punkte“ seien, mit denen der Iran „gegen den Geist des Abkommens verstosse.
Auch hier ist kein oder kaum Widerspruch aus Europa zu hören. Dabei trifft es zwar zu, dass die Huthi-Rebellen im Jemen auch iranische Waffen benützen, die saudisch geführte Allianz gegen die Huthis aber setzt amerikanische Waffen ein und tötet damit in erster Linie Zivilisten.
Und die USA geben dabei auch noch logistische Hilfe. Selbst das Argument, diese Allianz unterstütze die „rechtmässige Regierung“ des Jemen, ist mehr als fragwürdig: „Präsident“ Hadi war mit einer Regierung eigentlich zurückgetreten und regiert überwiegend aus dem saudischen Exil, wo er – direkt und indirekt – die Unterstützung der USA bekommt. In Syrien wiederum haben die USA zwar den IS bekämpft, aber auch zumindest am Anfang Gruppen der Opposition mit Waffen unterstützt, während der Iran Präsident Assad hilft, an der Macht zu bleiben. Was immer man davon – und von Assad – halten mag.