Mindestens zwölf Todesopfer forderte am Wochenende ein nächtlicher Luftangriff auf die Militärbasis Mezeileh in Ostsyrien unweit des Ortes Deir ez-Zor. Nach unbestätigten Berichten handelt es sich bei den Opfern um Afghanen und Iraker, die Teil des iranischen Militäreinsatzes in Syrien waren. Die angegriffene Basis war erst in letzter Zeit verstärkt zu einem Zentrum dieses Militäreinsatzes geworden, sie hatte Kämpfer aufgenommen, die aus Westsyrien in den Osten des Landes verlegt worden waren und sie war auch Anlaufstelle für Waffen-Nachschub aus dem Iran, der auf dem Weg über den Irak nach Syrien gelangte.
Wer die Angreifer auf die Basis waren, ist bisher offiziell nicht bekannt, man geht jedoch davon aus, dass es sich um einen erneuten Angriff der israelischen Luftwaffe handelte. Bis vor einigen Wochen waren Angriffe dieser Art auf iranische Ziele in Syrien fast an der Tagesordnung gewesen, vermutlich wegen der innenpolitischen Entwicklungen in Israel (Wahlen, Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung). Vor allem aber wegen der Corona-Pandemie auch in Israel und dem Iran trat vorübergehend Ruhe ein.
„Endlösung“
Wenn die Angriffe nun wieder begonnen haben, dann einmal sicher deswegen, weil die Spannungen zwischen Israel und dem Iran unverändert andauern, selbst nach dem begrenzten Rückzug des Iran innerhalb Syriens.
Der „Oberste Führer“ des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, heizte diese Spannungen unter anderem damit an, dass er im Internet seine „Endlösung“ für den Konflikt Israel/Palästina verbreitete: Der „Widerstand“ gegen Israel müsse fortgesetzt werden, bis zu einem Referendum, das über den palästinensischen Staat entscheide. (Der Begriff „Endlösung“ war sicher nicht von ungefähr aus dem Vokabular der Nazis übernommen, die hiermit den Massenmord an den Juden bezeichneten. Merkwürdigerweise erklärte Khamenei an anderer Stelle, dass sein Ziel ein Staat Palästina sei – mit muslimischen, christlichen und jüdischen Bürgern. An wieder anderer Stelle forderte er allerdings auch wieder die Zerstörung Israels.)
Trumps Hin und Her
In Israel wiederum rangiert der Iran an oberster Stelle der Krisen-Tagesordnung und daran dürfte sich auch kaum etwas ändern, zumindest solange Immer-Noch-Ministerpräsident Netanjahu sich auf Rückendeckung aus dem Weissen Haus verlässt.
In letzter Zeit hatten die innenpolitischen Entwicklungen in den USA (Corona, Streit um Rassismus und Wahlkampf) die bisher schier uneingeschränkte Unterstützung Donald Trumps für Israel aber doch zunehmend in Frage gestellt.
Die Russen dürfen bleiben
Nicht so allerdings, was das Vorgehen Israels gegen iranische Einheiten in Syrien betrifft: Der US-Sonderbeauftragte für Syrien, James Jeffrey, hatte bereits Anfang Mai in einem Interview mit der saudischen Zeitung „A-Sharq al-Awsat“ („Der Nahe Osten“) eine Erklärung hier abgegeben: Washington trete für das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegenüber der Bedrohung durch den Iran ein. Israel habe deswegen das Recht, iranisches Militär in Syrien anzugreifen, dessen Aufgabe es letztlich sei, Israel zu gefährden. Israel solle dabei nur syrische Opfer vermeiden.
Jeffrey ging sogar so weit zu behaupten, Israel schütze damit nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen Nachbarn Syriens – den Libanon, Jordanien, den Irak und die Türkei. Ziel der USA und Israels sei es, dass alle fremden Truppen – ihnen voran die aus dem Iran – Syrien verlassen. Die Russen allerdings schloss er dabei aus: Diese seien ja bereits vor 2011 in Syrien gewesen …
Moskaus kalkulierte Zurückhaltung
Die Rolle Moskaus war bereits wiederholt Anlass zu Spekulationen. Etwa, warum israelische Luftangriffe die nach Syrien gelieferte russische Luftabwehr S300 offenbar nicht fürchten müssen. Experten weisen darauf hin, dass die Raketen auch in Syrien unter russischer Kontrolle stehen und dass Moskau es so auch weiterhin halten wolle: Syrische Luftabwehr hatte vor geraumer Zeit auf israelische Bomber gezielt, dabei aber ein russisches Flugzeug abgeschossen.
Moskau verfolgt angeblich aber auch politische Ziele mit seiner Zurückhaltung. So wolle es – wie auch die USA und Israel – einen Abzug der Iraner aus Syrien, ebenso der Türkei und letztlich eine Ablösung Bashar al Assads und dessen Austausch gegen einen Moskau-treuen Politiker. Syrien verlassen will Moskau offenbar nicht, sondern es will Syrien als politische Basis der zurückkehrenden Supermacht ausbauen, nachdem noch zur Sowjetzeit dort errichtete Militärbasen seitdem unbeschadet überlebt und sich weiter entwickelt haben.
Es dürfte einige Zeit dauern, bis man solch weitgesteckte Ziele erreichen wird. Wenn man sie überhaupt erreichen kann. Das Coronavirus wird auch hier weiterhin ein Wörtchen mitzureden haben. Wie auch der US-Wähler und die iranische Führung in Teheran.