Zehntausend jesidische Männer wurden vom IS massakriert und gefoltert. Frauen und Mädchen wurden verschleppt und vergewaltigt. Viele wurden auf der Flucht erschossen oder erfroren bei ihrer Flucht auf dem Berg Sindschar. Junge Männer wurden gezwungen, für den «Islamischen Staat» zu kämpfen. Von Tausenden Jesiden fehlt jede Spur. Die jetzt vorgelegte neue Untersuchung spricht ausdrücklich von «Völkermord».
Der Vorwurf des Genozids an den Jesiden ist nicht neu. Bereits 2017 hatte Paulo Sérgio Pinheiro, Vorsitzender der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission zu Syrien, erklärt: «Völkermord an den Jesiden hat stattgefunden und ist im Gange.» Die Massaker begannen 2014.
Massenexekutionen verherrlicht
Der jetzt publizierte Bericht bestätigt die Vorwürfe und liefert weitere Beweise. 2015 habe der IS in einem Video «direkt und öffentlich» dazu aufgefordert, Völkermord an den Jesiden zu begehen, heisst es in dem Bericht.
Auf aufgefundenen Videos habe der IS Massenexekutionen an den Jesiden «verherrlicht» und die IS-Anhänger aufgefordert: «Tötet sie, wo immer ihr sie findet.»
«Physisch und biologisch ausrotten»
Die «Unitad»-Untersuchungskommission, die den neuen Bericht verfasst hat, wird vom britischen Anwalt Karim Asad Ahmad Khan geleitet. Die Unitad befasst sich mit den Verbrechen des «Islamischen Staates». Kahn wird im Juni zum Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ernannt. Der Bericht wurde am Montag dem Uno-Sicherheitsrat vorgelegt.
Kahn erklärt, die Unitad habe überzeugende Beweise gefunden, dass der IS in der Sindschar-Region die Jesiden «physisch und biologisch ausrotten» wollte.
Schiitische Muslime
Die Jesiden, schiitische Muslime, sind eine ethnisch-religiöse Minderheit. Ihr Kernland ist der nordwestliche Irak, das nördliche Syrien und die südöstliche Türkei. Vor den Massakern sollen etwa eine Million Jesiden gelebt haben, die Hälfte davon im zerklüfteten nordwestlichen Irak.
Der Glaube der Jesiden vereint Elemente mehrerer alter nahöstlicher Religionen. Die vorwiegend sunnitischen Kämpfer des IS betrachten sie als Ketzer, die ausgerottet werden müssten.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die Unitad-Kommission untersuchte Daten auf Laptops und Handys, die IS-Angehörigen gehörten. Ferner bezieht sich der Bericht auf forensische Untersuchungen von Massengräbern.
«Tausende Jesiden wurden versklavt, Frauen und Kinder wurden aus ihren Familien entführt und brutalstem Missbrauch ausgesetzt, einschliesslich Serienvergewaltigungen und anderen Formen unerträglicher sexueller Gewalt», heisst es in dem Bericht. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit «dauerten viele Jahre an».
Senfgas
Bei ihrem Ausrottungs-Feldzug entwickelte der IS chemische Waffen, heisst es in der Untersuchung. An der Universität im nordirakischen Mosul unterhielt der «Islamische Staat» Labore. Dort befand sich das Epizentrum des Chemiewaffenprogramms. Hergestellt wurden unter anderem «giftige tödliche Verbindungen einschliesslich Thallium, das an Gefangenen getestet wurde, was zu ihrem Tod führte».
Zudem entwickelte der IS Senfgas, «das im März 2016 mit 40 Raketen auf die turkmenische schiitische Stadt Taza Khurmatu abgeschossen wurde», sagte Khan.
Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen
Khan sagte, die Unitad habe eine Vielzahl von Beweisen gesammelt, «die vor Gericht standhalten könnten». Der nächste Schritt sei, die von der Unitad gesammelten Informationen zu nutzen, «um die Erwartungen der Überlebenden zu erfüllen».
Die Beweise sollen internationalen Gerichte vorgelegt und die Verantwortlichen für «diese schrecklichen Verbrechen» angeklagt werden.