Das drohende Verbot von TikTok in den USA ist ein Fanal. Rund 60 Prozent des Unternehmens sind zwar von internationalen, primär amerikanischen Investoren gehalten, die Substanz und deren Verbreitung wird aber von China gesteuert. Dem China von Xi Jinping.
TikTok, dieses Volks-Belustigungs(verdummungs?)-Monster ist Teil der Überflutung der Social Media zur vermehrten globalen Einflussnahme von chinesischer «soft power» und auch direkter Kanal von den Abermillionen Benutzern zum chinesischen Überwachungsstaat. Darum wurde zunächst das US-Repräsentantenhaus mit grosser, parteiübergreifender Mehrheit tätig, was vom Senat eben bestätigt wurde. Dessen Übernahme durch andere westliche Länder, eingeschlossen der EU, dürfte lediglich noch eine Frage der Zeit sein.
Weder Manga noch K-Pop
Unterhaltung aus Asien hat schon früher in Wellen auf den Rest der Welt übergeschwappt. So etwa die Manga Comics aus Japan oder Filme und Popmusik aus Korea. Warum also die politische Abwehr gegen die oberflächlich harmlose App TikTok? Weil das Produkt aus einem Land stammt, das unter Xi zum politischen und militärischen Monster geworden ist, das den Frieden und die herrschende Ordnung in der Asien-Pazifik-Region, aber auch global bedroht. Das hat mit dazu geführt, dass sich die chinesische Wirtschaft abwärts entwickelt und sich westliche Akteure aus der Volksrepublik zurückziehen.
Schweizerischer Rückzug aus China
Das gilt auch und gerade für die Schweiz. In der Ausgabe der NZZ vom 16.03.24. erschienen zwei bezeichnende Artikel: «Schweizer Unternehmen stellen ihr Chinageschäft auf den Prüfstand: Nach Jahren der Euphorie herrscht in Wirtschaftskreisen gegenüber China zunehmend Ernüchterung. Auch Schweizer Firmen reagieren verunsichert. Mit Sandoz und Lonza haben sich jüngst zwei Schwergewichte gar zum Rückzug entschlossen».
Sowie: «Hongkongs Banker (darunter befindet sich bekanntlich auch die UBS, Anm.) zittern vor dem neuen Gesetz zur nationalen (chinesischen) Sicherheit». Das China unter Xi Jinping ist nicht mehr das China, daswir seit dem Tod von Mao zu kennen glaubten.
Politik unter Xi
Seit einigen Jahren wird Xi vom Primus inter Pares in der chinesischen Führungsclique zum neuen Mao. Allein sein Machtwort zählt. Sein Bild hängt allüberall, seine Schriften sind die Bibel für die Partei, für Schulen und Universitäten und werden den Massen am Arbeitsplatz und mit dem täglichen Brot aufgedrängt. Unter Xi ist die interne Sicherheit zur Totalüberwachung aller Bürger und Bürgerinnen ausgewuchert, offener Dissens ist unmöglich und die nationalen Minderheiten, nicht nur die Uiguren werden erbarmungslos sinisiert.
Zum ersten Mal seit Mao hat Xi dem Premierminister, Nummer zwei im Lande und traditionell für die Wirtschaft zuständig, verboten, im Anschluss an den diesjährigen Volkskongress seine eigene Pressekonferenz abzuhalten. Xi hatte ja schon dafür gesorgt, dass der willfährige Li Quiang diesen Posten erhielt, der sich entsprechend mit Demutsgesten unterwarf. Unvergessen ist die global ausgestrahlte Szene, als Xi anlässlich eines vergangenen Kongresses den ehemaligen Premier Hu Jintao öffentlich demütigte, indem er ihn wie eine lästige Fliege wegscheuchte. Gerade in Asien wird eine solche Blossstellung, ein öffentliches «losing face», von jedermann verstanden: Es gibt nur einen Gott und der bin ich.
Das Militär unter Xi
Das chinesische Militärbudget wächst um knapp 10% von Jahr zu Jahr. Es beinhaltet allerdings keineswegs alle Rüstungsausgaben. Darin nicht eingeschlossen sind insbesondere alle militärischen R&D sowie die Küstenwache, die zur Befestigung des südchinesischen Meeres und zur Speerspitze eines Angriffs auf Taiwan ausgebaut wird.
Die gegenwärtige Wirtschaftsflaute bedeutet allerdings, dass auch das Rüstungsbudget beinträchtigt wird. Xi will das nach seinen Aussagen vor Vertretern des Militärs am Volkskongress mit erhöhten Produktionszahlen von kostengünstiger Ausrüstung kompensieren. Wie Putin in der Ukraine setzt er für den Konfliktfall auf Masse unter Inkaufnahme von grossen anfänglichen Verlusten in der Folge technologischer Überlegenheit eines Widersachers. Was das für einen Angriff auf Taiwan bedeutet, werden wir in einem separaten Artikel darlegen.
Wirtschaft unter Xi
Die völlige Unterwerfung der chinesischen Wirtschaft unter das Diktat der Politik, gekoppelt mit den allgemein bekannten, für die Wirtschaft der Volksrepublik verheerenden Faktoren, hat zu einer deutlichen Absetzbewegung weltweiter Anleger geführt. Innerhalb einer Woche Anfang Jahres hat ein Aktienausverkauf an chinesischen Börsen in der Höhe von zwei Billionen Dollar für einen Einbruch des Aktienindexes MSCI/China um 60% seit dem Höchststand Anfang 2021 gesorgt. Zahlreiche Anleger und Beobachter halten China nun für «uninvestable», wie anlässlich einer kürzlichen Konferenz von Goldman Sachs in Hongkong zum Ausdruck kam.
Für die Industrie dürfte von Interesse sein, dass die Zentralregierung in Beijing kürzlich einige hochverschuldete Provinzen zu radikalen Streichungen von Infrastrukturvorhaben gezwungen hat. Die Tätigkeit im Bereich Real Estate liegt bekanntlich ohnehin seit einiger Zeit am Boden. Die Auftragsvolumen für Unternehmen sinkt damit drastisch, wie das beispielsweise Schindler in China bereits am eigenen Leib erfahren hat.
Und die offizielle Schweiz?
Eine Schlussbemerkung zur offiziellen schweizerischen Chinapolitik: Vor diesem Hintergrund erstaunt die doppelte Akzentsetzung Berns auf China. Politisch, indem das Land in der aussenpolitischen Strategie 2024–27 als «Priorität» in Asien eingestuft wird. Wirtschaftlich mit dem schweizerischen Begehren-– konträr zu allen westlichen Partnerländern – für eine Ausweitung des bilateralen Freihandelsabkommens. Dies zu einem Zeitpunkt, wo illegales chinesisches Massendumping dem nahe beim Schreibenden ansässigen Unternehmen für Sonnenkollektoren Meyer-Burger das Genick bricht und damit mehrere Hundert europäische Arbeitsplätze verschwinden.