Sein Buch Die sieben Säulen der Weisheit (dt. 1936), ein literarisch wertvoller, historisch nicht immer zuverlässiger Bericht, machte ihn zu Lebzeiten in England bekannt. Weltweit berühmt wurde er durch den Film Lawrence of Arabia von David Lean mit Peter O’Toole in der Titelrolle.
Der Film, der 1962 in die Kinos kam, zeichnete vor dem Hintergrund grossartiger Wüstenlandschaften das Bild eines exzentrischen Übermenschen, der sich mutig und selbstlos für die Freiheit der Araber einsetzt. Dieses Bild vereinfacht freilich das Profil einer Persönlichkeit von irritierender Widersprüchlichkeit.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich das Osmanische Reich im Niedergang. Im 16. Jahrhundert hatte die Macht der Türken von Ungarn über den Balkan zum Persischen Golf und vom Vorderen Orient über Ägypten nach Tunesien gereicht. Drei Jahrhunderte später begann der Vielvölkerstaat zu zerfallen.
Die imperialistischen Mächte England, Frankreich und Italien holten sich, was der Autorität des „kranken Mannes am Bosporus“, entglitt: Ägypten, Tunesien, Libyen. England beherrschte Ägypten und den 1869 eröffneten Suezkanal. Die Kronkolonie Indien war nun auf dem Wasserweg rascher zu erreichen; zugleich aber trachtete man danach, den Landweg vom Vorderen Orient über den Irak und Persien zu kontrollieren. Im Juni 1916 rief Hussein, der Scherif von Mekka, zu einem Aufstand gegen die osmanische Oberhoheit auf. Dies kam den Engländern in doppelter Weise gelegen. Indem man Hussein im Freiheitskampf gegen die Türken unterstützte, erweiterte man den eigenen Einflussbereich nach Osten; zugleich eröffnete man eine zweite Front gegen Deutschland, das sich im Ersten Weltkrieg mit den Türken verbündet hatte.
Dies war die Stunde von T.E. Lawrence. Der junge Mann hatte in Oxford Geschichte und alte Sprachen studiert; dann hatte er bei archäologischen Grabungen am oberen Euphrat mitgewirkt. Dabei lernte er Arabisch und machte sich mit den Sitten und Gebräuchen der Wüstenbewohner vertraut. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Lawrence als Nachrichtenoffizier zum Kommandostab der englischen Truppen in Kairo entsandt. Seine Aufgabe war es, das Gebiet östlich von Suez kartographisch aufzunehmen und Informationen über die türkische Besatzung in diesem Gebiet zu sammeln.
Guerillakrieg
Im Oktober 1916 wurde Lawrence damit beauftragt, Verbindung zu den Anführern des arabischen Aufstands aufzunehmen. Er reiste in die arabische Halbinsel und traf mit den Söhnen Husseins, Abdulla und Faisal, zusammen. In der Folge entwickelte er eine neuartige Taktik des Guerillakrieges.
Die arabischen Aufständischen, wenig zuverlässige, schlecht ausgerüstete Stammeskrieger, waren nicht in der Lage, die Türken in offener Schlacht zu schlagen. Lawrence musste sich vielmehr damit begnügen, den Feind durch Überraschungsangriffe, bald da, bald dort, zu schädigen. Durch Überfälle und Sprengstoffattentate auf die Eisenbahn Damaskus-Medina versuchte er ferner, den feindlichen Nachschub lahmzulegen. Obwohl „Amir Dynamite“, wie ihn die Araber nannten, militärisch nicht ausgebildet war, erwarb er sich, den Respekt der Aufständischen. Er kleidete sich wie sie, passte sich ihrem Lebensstil an und zeigte einen Einsatz, der bis an die Grenzen menschlicher Leidensfähigkeit ging.
Im Juli 1917 fiel die Hafenstadt Akaba. Lawrence hatte nun seine Guerilla-Aktionen mit einer gut ausgerüsteten Expeditionsarmee zu koordinieren, die unter dem Kommando von General Allenby stand und von Kairo aus nach Jerusalem vorstiess. Am 1. Oktober 1917 zog Lawrence mit seinen Beduinen in Damaskus ein. Um sich gegenüber den Aufständischen für ihre im Grunde eher bescheidene Mithilfe erkenntlich zu zeigen, liess General Allenby die Araber vor den regulären britischen Truppen in die Stadt einmarschieren. Damit war der Aufstand in der Wüste abgeschlossen.
Spannend wie am ersten Tag
Schon jetzt zeigte sich freilich, dass die Freiheit, welche die Engländer den Arabern allenfalls zuzugestehen bereit waren, begrenzt war und die Unabhängigkeit nicht einschloss. Bereits im Jahre 1916 hatten Franzosen und Engländer im Sykes-Picot-Geheimabkommen ihre gegenseitigen Interessensphären abgesprochen. Der Plan von Lawrence, unabhängige Königreiche unter der Herrschaft der Söhne von Hussein zu errichten, hatte in den Friedensverhandlungen von Versailles keine Chance. Es scheint auch, dass Lawrence für die Anliegen der Araber nicht so unmissverständlich eintrat, wie dies sein Bericht nahelegt.
Der Nahe Osten war nur ein Nebenschauplatz des Ersten Weltkriegs, und den Hauptverdienst am Sieg über die Türken fiel nicht Lawrence, sondern Allenby zu. Wenn man sich heute vor allem an Lawrence erinnert und wichtige weitere Akteure längst vergessen sind, so darum, weil sein Bericht Die sieben Säulen der Weisheit spannend wie am ersten Tag zu lesen ist. Auf ähnliche Weise sicherte sich übrigens der junge Winston Churchill – ein Bewunderer von Lawrence – mit den Büchern über seine Beteiligung an Feldzügen in Indien und dem Sudan frühen Ruhm. Das Werk von Lawrence bezeugt nicht nur eine literarische Begabung, welche die Dramatik der Ereignisse wirkungsvoll zu inszenieren weiss. Zugleich schildert es die Leistung eines Tatmenschen, der in der Auseinandersetzung mit den Türken nicht nur seiner Nation dienen will, sondern sich durch den Kampf auch ein gesteigertes Bewusstsein seiner selbst zu verschaffen sucht.
Heroisierender Grundton
Schon das Vorwort des Buches ist geprägt von einem heroisierenden Grundton. „Jahre hindurch“, beginnt Lawrence, „lebten wir, aufeinander angewiesen, in der nackten Wüste unter einem mitleidlosen Himmel. Tagsüber brachte die brennende Sonne unser Blut in Gärung, und der peitschende Wind verwirrte unsere Sinne. Des Nachts durchnässte uns der Tau, und das Schweigen unzähliger Sterne liess uns erschauernd unsere Winzigkeit fühlen. Wir waren eine ganz auf uns selbst gestellte Truppe, ohne Geschlossenheit oder Schulung, ganz der Freiheit zugeschworen, dem zweiten der Glaubenssätze des Mannes – ein so verzehrendes Ziel, dass es alle unsere Kräfte verschlang, eine so erhabene Hoffnung, dass vor ihrem Glanz all unser früheres Trachten verblasste.“
Es ist oft gesagt worden, dass der bis an die äusserste Grenze seiner Leistungsfähigkeit getriebene Einsatz von Lawrence eine Neigung zum Masochismus verrät. Über einen Ritt in der Hochofenglut des Wüstenwindes Khamsin schreibt Lawrence: „Aber ich für mein Teil liebte diesen Khamsin fast, da seine Martern mit einer überlegten und wohl berechneten Tücke gegen den Menschen anzukämpfen schienen und es etwas Aufmunterndes hatte, ihm direkt entgegenzutreten, seine Kraft herauszufordern und seine Gewalt zu übertrumpfen.“
"Er biss und küsste mich"
Berühmt und ist die Stelle, wo Lawrence die Geschichte seiner Gefangennahme, den Vergewaltigungsversuch durch einen Türken, die Folterung und seine Flucht beschreibt. Fast möchte man meinen, Lawrence berausche sich am Ungeheuerlichen des Erlebnisses, wenn er schreibt: „Dann beugte der Bej sich über mich, schlug seine Zähne in meinen Hals und biss, bis das Blut kam. Darauf küsste er mich. Dann liess er sich von einem der Leute ein Bajonett geben. Ich glaubte, dass er mich töten wollte und wurde sehr traurig.“.
Überhaupt neigt Lawrence zu martialischer Schilderung, deren Glaubwürdigkeit durch andere Quellen nicht immer erhärtet ist. So berichtet er etwa, wie er, von Rachedurst getrieben, den Befehl gegeben habe, keine Gefangenen zu machen. „In blinder Raserei“, schreibt er, „erweckt durch die Greuel von Tafas, töteten und töteten wir, zerschlugen selbst noch die Köpfe der Gefangenen, stachen Tiere nieder, als könnten nur Tod und rinnendes Blut unseren Schmerz lindern.“
Neben solchen Passagen finden sich in den Sieben Säulen der Weisheit auch detaillierte, wissenschaftlich genaue Beschreibungen von arabischen Sitten und Gebräuchen – man ist hier sehr weit vom aufgesetzten Exotismus von Karl Mays Durch die Wüste entfernt. Und es finden sich Textstellen, die zeigen, dass der Autor gelegentlich am Sinn seines Kampfes zweifelte und sein Engagement kritisch hinterfragte. So möchte Lawrence sein Verständnis der arabischen Fremdkultur so weit wie möglich vorantreiben, muss sich aber immer wieder eingestehen, dass ihm der Zugang verwehrt bleibt.
Selbstzweifel
An seinem dreissigsten Geburtstag zweifelt er an sich selbst und gibt sich Rechenschaft von der Gespaltenheit seines Wesens. „Wenn ich mit Menschen zusammen war“, schreibt er, „hatte ich immer das Gefühl, nicht ich selbst zu sein. Das führte zu einem Sichbemühen, der Untugend des Dilettanten, der um die Kunst herumtappt. So wie ich meinen Krieg übergenau ausgedacht hatte, weil ich kein Soldat war, so hatte ich meine Taten übergenau ausgearbeitet, weil ich kein Mann der Tat war. Es waren sehr bewusste Versuche, und mein Ich stand abseits als kritischer Zuschauer.“
Selbstzweifel dieser Art befallen ihn immer wieder, und sein Ehrgeiz und seine Sehnsucht nach Ruhm erscheinen ihm als fragwürdige Triebkräfte des Handelns. „Aber mein Gefühl für die Verkehrtheit meiner und der arabischen Situation“, schreibt er, „hatte mich von meinem unreifen Ehrgeiz geheilt, jedoch mir die Sehnsucht nach einem guten Ruf unter den Menschen belassen.“
Nach seinem Einsatz in den Reihen der arabischen Aufständischen war Lawrence noch kurze Zeit als Berater im Kolonialministerium tätig. Ein amerikanischer Journalist und ein englischer Impresario hatten dafür gesorgt, dass die Taten des Wüstenkämpfers bekannt wurden: Der Mythos des „Lawrence of Arabia“ entstand. Doch Lawrence wollte nicht, wie er sich ausdrückte, zum Helden einer „Wildwest Show“ werden. Ihn drängte es, seiner Existenz auf andere Weise Glaubwürdigkeit verschaffen.
Mit dem Motorrad verunglückt
Unter falschem Namen diente er als gewöhnlicher Soldat einige Jahre bei der Flieger- und Panzertruppe. Während dieser Zeit verfasste er eine Übersetzung von Homers Odyssee und feilte an seinem Hauptwerk. Im Jahre 1926 erschien die erste Ausgabe der Seven Pillars of Wisdom und kurz darauf eine sehr erfolgreiche Kurzfassung unter dem Titel Revolt in the Desert (dt. Aufstand in der Wüste). Im Februar 1935 wurde Lawrence aus dem Militärdienst entlassen. Im Mai desselben Jahres verunglückte der mit seinem Motorrad tödlich. Er war 47 Jahre alt.
Die Sieben Säulen der Weisheit stehen wie ein erratischer Block in der grossen Tradition englischer Kriegs- und Reiseberichterstattung. Mit dem chauvinistischen Hurra-Imperialismus, der die europäischen Grossmächte vor dem Ersten Weltkrieg heimsuchte, hat das Buch wenig zu schaffen. Weit eher erscheint das gewaltige Werk als Abgesang auf ein Britisches Empire, das den Zenit seiner Blüte bereits überschritten hat. Es bedurfte noch eines Zweiten Weltkriegs, um dem Imperialismus den Todesstoss zu versetzen.