Der herrschende Gottesgelehrte in Iran, Ayatollah Khamenei, hat den Europäern die Bedingungen vorgelegt, die er erfüllt sehen will, um im Atomabkommen zu bleiben, das Präsident Trump gekündigt hat. Er sagte in einer öffentlichen Rede, die europäischen Mächte sollten die iranischen Erdölverkäufe „beschützen“. Die europäischen Banken hätten den Handel mit Iran aufrechtzuerhalten. Grossbritannien, Frankreich und Deutschland müssten garantieren, dass sie zukünftig keine Verhandlungen mit Iran über Transkontinental-Raketen und über „regionale Aktivitäten“ Irans anstreben würden. Wenn die Europäer nicht fähig seien, diesen Forderungen nachzukommen, werde Iran seine nuklearen Aktivitäten wieder aufnehmen.
Ein Antwort auf die Forderungen Pompeos
Der amerikanische Aussenminister, Mike Pompeo, hatte kurz zuvor seine Iranpläne in einem Vortrag dargelegt. Er hatte von strengeren Boykottmassnahmen als je gegen Iran gesprochen und auch erwähnt, dass die USA die Mitarbeit ihrer Verbündeten bei diesen Embargo-Massnahmen erwarte. Seinen Ausführungen nach sollten die Boykott-Schritte dazu führen, dass Iran nicht mehr über genügend Mittel verfüge, um gleichzeitig seine eigene Wirtschaft in Gang zu halten und seine politischen Projekte im nahöstlichen Ausland zu fördern. Pompeo verlangte auch ausdrücklich, dass Iran seine Aktivitäten in Syrien und im Jemen beendet.
Privaten Firmen vor der Entscheidung
Für die Europäer dürfte es schwierig werden, die Bedingungen zu erfüllen, die Khamenei ihnen vorlegt. Nicht nur, weil sie einen bedeutungsvollen Bruch mit dem amerikanischen Verbündeten erforderten, ein Verbündeter, den man auch als Schutzmacht bezeichnen kann. Sondern auch, weil es die privaten europäischen Firmen sein werden, vor allem Grossfirmen, die zu beschliessen haben, ob sie das Wagnis geschäftlicher Beziehungen mit Iran auf sich nehmen sollen, wenn diese Beziehungen Strafmassnahmen von Seiten der USA nach sich ziehen. Für die meisten der Firmen dürften die Geschäftsbeziehungen zu den USA gewichtiger sein als alle Geschäfte, die sie in Iran machen könnten. Die französische Petroleum Firma „Total“ hat sich bereits von einem sehr grossen Engagement, das sie mit Iran abgeschlossen hatte, zurückgezogen.
Grenzen der Politik
Inwieweit die europäischen Staaten ihren Grossfirmen entweder Weisung erteilen können, dennoch in Geschäftsbeziehungen mit Iran einzutreten, oder inwieweit sie glaubwürdig versichern können, sie würden diesen Firmen Verluste ersetzen, die für sie aus amerikanischen Strafmassnahmen resultieren, ist ungewiss. Es handelt sich schliesslich um private Firmen, die ihre Entschlüsse selbst treffen müssen und Verantwortung gegenüber ihren Aktionären und ihren Mitarbeitern tragen.
Eine politische Hypothek für die Zukunft?
Was die Forderung einer Versicherung der Europäer angeht, dass sie keine Verhandlungen über iranische interkontinentale Raketen oder iranische Aktivitäten im nahöstlichen Raum führen werden, so kommt sie der Garantie einer stillschweigenden Duldung für die Gegenwart und für die Zukunft dieser iranischen Aktivitäten gleich. Obwohl dies Aktivitäten sind, die auch von den Europäern, nicht nur von den Amerikanern, missbilligt werden.
Zum Vorteil der Revolutionswächter
Unter diesen Bedingungen sind die Aussichten schlecht, dass der Nuklearvertrag mit Iran überleben kann. Für Iran selbst werden die unvermeidlichen Folgen sein, dass die iranische Wirtschaft weitgehend – allerdings nicht völlig – zusammenbricht. Dabei werden jedoch die Revolutionswächter, die auch die Träger der expansiven sowie der nuklearen Aktivitäten Irans sind, an Macht noch weiter zunehmen. Wahrscheinlich werden sie darüber hinaus auch als die Fachleute wirken, die versuchen, die amerikanischen Massnahmen zu überspielen und durch diese Tätigkeit ihre eigene Macht innerhalb der iranischen Wirtschaft, so angeschlagen diese als Ganze sein wird, weiter auszubauen und zu steigern.
Regimewechsel, aber zu Gunsten der Wächter?
Falls Pompeo und Trump, wie manche Beobachter glauben, mit den Wirtschaftsmassnahmen gegen Iran in Wirklichkeit einen Regimewechsel in Teheran zu bewirken versuchen, könnte es tatsächlich dazu kommen. Allerdings anders als gewünscht: Der Regimewechsel könnte auch in einer offenen oder kaschierten Machtergreifung durch die Revolutionswächter und ihrer Kommandanten bestehen.