Die aus US-Kreisen lancierte Meldung, der Iran sei „weiterhin“ damit beschäftigt, atomwaffenfähige Trägerraketen zu entwickeln, löste in israelischen Regierungskreisen am Wochenende eine Welle bellikoser Erklärungen, Warnungen und auch Drohungen aus: So erklärte Aussenminister Yisrael Katz, die Regierung sei entschlossen, militärisches Eingreifen in Erwägung zu ziehen, wenn der Iran seine atomaren Rüstungspläne fortsetze, und Verteidigungsminister Naftali Bennet ging am Sonntag noch einen Schritt weiter, als er in einer Konferenz verkündete: „Wir sagen dem Iran: Syrien wird euer Vietnam werden.“
Bennet war erst kürzlich von Ministerpräsident Netanjahu zum Verteidigungsminister ernannt worden, obwohl die Beziehungen zwischen beiden im zurückliegenden Jahr alles andere als gut gewesen waren, und Bennet sogar in den letzten beiden Wahlen erfolglos mit einer Rechtsaussen-Partei angetreten war. Ihn trotzdem in die Koalition aufzunehmen, war einmal der Versuch Netanjahus, doch noch eine Regierungsmehrheit zu finden, zum zweiten aber sollte es den Premier auch entlasten in einer Zeit, wo er sich wegen der drohenden Korruptionsprozesse gegen ihn immer mehr Sorgen um sein politisches Überleben machen muss.
Der „unentbehrliche“ Netanjahu
Bei all dem dürfte aber klar sein, dass weder der Verteidigungs- noch der Aussenminister den generellen Trend der israelischen Politik bestimmen, sondern dass dies immer noch Netanjahu tut. Und diesem geht es einmal darum, Zeit zu gewinnen gegenüber der Justiz, zum zweiten aber, sich als unentbehrlich für Israel zu produzieren: Zeit gewinnen könnte er, indem auch diesmal wieder Neuwahlen beschlossen würden (etwa für Anfang März 2020) und er weiter nach einem Schlupfloch aus seiner vertrackten Situation suchen könnte.
„Unentbehrlich“ aber würde er, wenn es in naher Zukunft zu offenen Feindseligkeiten und militärischen Auseinandersetzungen mit dem Iran käme. Solch eine Entwicklung mit dem damit verbundenen „nationalen Notstand“ würde auf gewisse Zeit den gegenwärtigen Zustand der israelischen Politik einfrieren und der gegenwärtigen Übergangsregierung Netanjahus weitgehend freie Hand lassen.
Vorbild für eine Regelung zwischen den USA und dem Iran?
Auf den traditionellen Verbündeten, die USA, mag Netanjahu sich dabei vermutlich nicht allein verlassen. Dazu hat er in den letzten Monaten zu oft miterleben müssen, dass Präsident Trumps Politik allzu oft von Inkonsequenz geprägt war: So hat Washington zwar wissen lassen, dass es den Siedlungsbau in den 1967 eroberten palästinensischen Gebieten nicht als Verstoss gegen das Völkerrecht betrachte, gleichzeitig aber ignoriert es frühere Hinweise Trumps, er habe nichts gegen eine Annexion dieser Gebiete durch Israel.
Mehr aber noch: Hatte Netanjahu sich bisher in einer Waffenbrüderschaft mit Trump gegen den Iran gefühlt, so hat er inzwischen doch wiederholt erleben müssen, dass der US-Präsident selbst in diesem Punkt erstaunliche Flexibilität an den Tag legen kann. Zuletzt an diesem Wochenende, als Washington und Teheran in Zürich zwei Häftlinge austauschten und Trump die dazu führenden Verhandlungen überschwänglich lobte und als mögliches Vorbild für eine künftige Regelung zwischen den USA und dem Iran bezeichnete.
Die USA testen
Vor diesem Hintergrund bekommen die israelischen Drohungen gegenüber dem Iran vom Wochenende zusätzliches Gewicht: Zu den bereits erwähnten innenpolitischen Gründen kommt nun auch noch das Motiv, die USA in ihrer Bereitschaft zu testen, Israel in einer offenen Auseinandersetzung mit dem Iran zu unterstützen.
Dazu reichen markige Politiker-Reden nicht aus und so kam es denn kaum als Überraschung, dass am Sonntag gemeldet wurde, iranische Militär-Ziele im syrisch-irakischen Grenzgebiet seien von „unbekannten“ Flugzeugen angegriffen worden. Selbst wenn es bisher keine Beweise für die Identität der Angreifer gibt, so hat es in der Vergangenheit doch israelische Angriffe dieser Art gegeben – sekundiert von stolzen Eingeständnissen israelischer Politiker.