In der Uhrenindustrie ist keine Krisenzeit abzulesen. Die Branche ist eine der wenigen, die von wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis dahin verschont geblieben ist. Nicht zuletzt dank dem boomenden Luxusgeschäft. Uhren bleiben nach wie vor ein begehrtes Produkt, vor allem Golduhren und komplizierte, extrem teure Zeitmesser, erweisen sich als beliebte Objekte. Dieser Trend und diese Entwicklung widerspiegeln sich eindeutig in den Geschäftszahlen des grössten Uhrenkonzerns der Welt, der Swatch Group in Biel. Im letzten Jahr ist der Umsatz um 11 Prozent auf 7,143 Mrd. Fr. angestiegen. Bei konstanten Wechselkursen hätte die Steigerung gar 22 Prozent betragen. Erstmals wurde die 7 Mrd. Fr.-Grenze überschritten. Davon entfallen mit 6,3 Mrd. Franken (ein Plus von 14 Prozent) über 88 Prozent auf den eigentlichen Uhren- und Schmuckbereich. In der Swatch Group sind etwa ein Dutzend Marken vereint. Die bekanntesten sind Breguet, Blancpain, Omega, Rado, Longines, Tissot, Certina und Swatch.
Der Konzerngewinn hat sich auf 1,614 Mrd. Fr. verbessert, das entspricht einer Zunahme von 18 Prozent. Der Gewinn pro Aktie wird mit 23,48 Fr angegeben. Auf Grund der Rekordwerte und der guten Aussichten wird der Generalversammlung vom 16.Mai beantragt, die Ausschüttung an die Aktionärinnen und Aktionäre um 15 Prozent anzuheben, dass heisst auf Fr. 5,75 pro Inhaberaktie und Fr.1,15 Pro Namenaktie. Die operative Marge hat sich nur leicht von 23,5 auf 23,9 Prozent erhöht. Die hohen Rohstoffpreise (Gold, Diamanten usw.) haben sich ausgewirkt. Nach Bekanntgabe der Ergebnisse hat die Börse negativ reagiert und der Titel verlor vier Prozent. Zu Beginn des Jahres hatte der Titel noch um 16 Prozent zugelegt. Ob tatsächlich Skepsis und Vorsicht berechtigt sind, ist eine andere Frage. Die Uhrengruppe ist nämlich kerngesund. Das Eigenkapital der Gruppe wird mit ca. 8 Mrd. Fr. ausgewiesen, was einer Eigenkapitalquote von über 82 Prozent entspricht und eine äusserst solide Finanzierung der Gruppe bekräftigt. „Die Swatch Group ist für die Zukunft bestens gerüstet und hält an ihrer gesunden und langfristig angelegten Wachstumsstrategie fest“, wird in Biel betont.
1350 neue Arbeitsplätze in der Schweiz
Das Unternehmen hat 2011 Arbeitsplätze in rekordverdächtiger Anzahl geschaffen. So hat der Personalbestand weltweit um 11 Prozent auf 28 000 zugenommen. Allein in der Schweiz wurden laut Angaben 1350 neue Stellen geschaffen und die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ca.14 700 erhöht.
Swatch Group weist ferner für das letzte Geschäftsjahr ein Investitionsvolumen von 580 Mio. Fr. aus. Ausdruck einer klugen Weitsicht und einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Zukunftsstrategie wie sie von Nicolas Hayek (1928 – 2010) begründet wurde und die bisher nahtlose Erfolgswelle auslöste. Etwa 60 Prozent der Investitionssumme kamen dem Ausbau des Produktionssektors zugute. Nach wie vor werden aber noch Kapazitätsengpässe verzeichnet. 15 Prozent der Investitionen wurden für den Ausbau des Vertriebsnetzes eingesetzt und schliesslich 25 Prozent für die Eröffnung neuer Läden. Insgesamt 140 Boutiquen wurden 2011 weltweit eröffnet. Der Umsatz in den eigenen Geschäften liegt gegenwärtig bei etwa einer Milliarde Franken. Auch dieses Jahr „werde die Gruppe weiter gezielt in das Vertriebsnetz weltweit und die Produktionskapazitäten in der Schweiz investieren“, wird ausdrücklich festgehalten.
Auch die Konkurrenz der Swatch Group ist nicht im Rückstand. Kaum eine Uhrenfirma, die nicht Erfolgszahlen melden kann. Die Richemont-Gruppe (mit Marken wie Cartier, IWC, Piaget usw.) wartet mit zweistelligen Wachstumsraten und Ausbaukonzepten auf. Allein Cartier plant im neuenburgischen La Chaux-de-Fonds eine neue Produktionsanlage mit 300 neuen Arbeitsplätzen. Im Val de Travers sind ebenfalls ein Neubau und die Schaffung von etwa 400 Stellen vorgesehen. Die meisten Unternehmen konnten letztes Jahr Produktion, Umsatz und Gewinn deutlich ausweiten. Die zunehmenden Investitionen in die Produktionsanlagen sind wohl auch ein Zeichen, dass viele Unternehmen sich von der Abhängigkeit der Swatch Group zu lösen gewillt sind. Mittel- bis langfristig will nämlich Swatch Group die Belieferung von Rohwerken und Komponenten an Dritte sukzessiv einstellten.
Zugpferd der Exportwirtschaft
Die Schweizer Uhrenindustrie insgesamt, konnte im vergangenen Jahr Uhren und Uhrwerke im Gesamtwert von 19,3 Mrd. Fr. exportieren, das entspricht einer Zunahme gegenüber dem Vorjahr um nahezu 20 Prozent. Damit ist die Branche eindeutig das Zugpferd der gesamten schweizerischen Exportwirtschaft. Beim Dachverband der Schweizer Uhrenindustrie, der Fédération Horlogère FH in Biel, wird auch für dieses Jahr mit einem Zuwachs von 5 Prozent gerechnet, also einem Exportwert von deutlich über 20 Mrd. Franken. Seit 20 Jahren kann die Schweizer Uhrenbranche fast pausenlos zulegen. Insgesamt beträgt die Zunahme für die erwähnte Zeitspanne 283 Prozent!
Wie weit die breitgefächerte Branchenzuversicht im Laufe des neuen Jahres in neuen Rekordzahlen ihren konkreten Ausdruck finden wird, bleibt im Moment noch eine offene Frage. Es wird sich weisen, wie lange die Zeitmessbranche von der Finanzkrise und den allgemeinen globalen und ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten und ungünstigen konjunkturellen Entwicklungen zeitlos verschont bleibt. Sicher bieten die weltweiten Märkte, vor allem in China und im asiatischen Raum generell, noch ein grosses Absatzpotential. An der bevorstehenden BASELWORLD, die grösste Uhrenmesse der Welt, vom 8. bis 15. März 2012 in Basel, werden wertvolle und zuverlässige Indizien für die künftige Entwicklung erkennbar. Tausende von Besuchern werden erwartet. Sie dürften in der Tat für volle Auftragsbücher sorgen. Doch es darf nicht vergessen werden, auch in der Uhrenindustrie wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Auch Luxus-Bäume nicht.