Der Bürgerkrieg in Kolumbien zwischen der Armee und der marxistischen Farc-Guerilla ist wahrscheinlich der längste der Neuzeit – und er kann, militärisch, von keinem der Kontrahenten gewonnen werden. 50 Jahre schon traumatisiert der Krieg die Bürger, 200 000 Todesopfer soll er gefordert haben. Dazu kommen fünf Millionen Kolumbianer, die aus ihren Dörfern vertrieben wurden. Seit drei Jahren gibt es ernsthafte Verhandlungen für ein Friedensabkommen und damit verbunden: Hoffnung. Nachdem vor ein paar Wochen die Farc einen Armee-Stützpunkt angegriffen hat, wobei elf Soldaten ums Leben kamen und die Armee im Gegenzug 40 Rebellen tötete, sind Verhandlungen und Friedensprozess jetzt ins Stocken geraten.
Die Knacknuss freilich, die lag schon vor den blutigen Störmanövern auf dem Verhandlungstisch. Regierung und eine Mehrheit der Bevölkerung möchte die Farc-Anführer nach Friedenschluss für begangene Untaten (Drogenhandel, Entführungen, Terroranschläge) zur Verantwortung ziehen; und müsste sich natürlich gefallen lassen, dass auch die verbrecherischen Aktionen des Militärs untersucht würden. Die Farc-Kommandanten aber verstehen sich als Freiheitskämpfer und verlangen „impunidad“ – Straflosigkeit.
„impunidad“ ist ein in Süd- und Mittelamerika verbreitetes Gift, das von Argentinien bis Guatemala schon so manchen Demokratisierungsprozess beeinträchtigt hat. Ein Straflosigkeitsangebot an die Chefs der gestürzten Militärjuntas war oft der Preis, der entrichtet werden musste, um Frieden zu bekommen. Ein zu hoher Preis. Er schwächt und korrumpiert die Justiz, untergräbt das Vertrauen der Bürger in die Institutionen und lässt die Angehörigen der Opfer diktatorischer Regimes verbittern und verzweifeln. Generationen von Kolumbianern haben ihr Land nie anders als im Krieg erlebt. Sollte es jemals zu einem Ende des Konflikts kommen, kann ein solches Ende nicht gedacht werden, ohne dass sich die Verantwortlichen für 50 Jahre Horror vor einem Gericht verantworten müssen.