In Haiti wurde am Sonntag, 28. November, ein neuer Staatspräsident oder eine Staatspräsidentin gewählt.
Um gewählt zu werden, muss ein Kandidat oder eine Kandidatin im ersten Wahlgang das absolute Mehr der Stimmen erhalten. Eine Stichwahl unter den beiden Bestplatzierten würde am 16. Januar stattfinden. Der Präsident oder die Präsidentin werden für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt.
Zusammen mit der Wahl des Staatspräsidenten wurde ein Teil des Parlaments neu gewählt. Die Legisaltive besteht aus zwei Kammern: Dem Abgeordnetenhaus (99 Sitze) und dem Senat (30 Sitze).
Wahlberechtigt sind 4,7 Millionen Haitianer und Haitianerinnen.
Von den neun Millionen Einwohnern leben fast 70 Prozent unter der Armutsgrenze.
Die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos.
Zwei der neun Millionen Menschen sind unterernährt.
60 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten.
Zur Wahl für das Amt des Staatspräsidenten bewerben sich 19 Kandidatinnen und Kandidaten.
Mirlande Manigat. Die am 3. November 1940 geborene Universitätsprofessorin gilt als aussichtsreichste Kandidatin. Würde sie gewählt, hätte Haiti erstmals eine Frau an der Spitze des Staates. Die70Jährige leitet seit 29 Jahren das „Rassemblement des démocrates nationaux et progressistes“. Die Bewegung, die von Venezuela aus agierte, gehörte zur vehementesten Kämpferin gegen die korrupte Diktatur Duvalier. Mirlande Manigat ist seit 39 Jahren mit Leslie Manigat verheiratet. Er war 1988 vier Monate lang Staatspräsident. Mirlande Maniat, Katholikin und Autorin zahlreicher Bücher, liegt in den letzten Meinungsumfragen klar vorn, wird aber wahrscheinlich die absolute Mehrheit verpassen. Sie hat sich vor allem als Kämpferin für die Einhaltung der Menschenrechte und für die Besserstellung der Frauen einen Namen gemacht.
Jude Céléstin. 48 Jahre alt. Er ist der Wunschkandidat des jetzt abtretenden Präsidenten René Préval. Céléstin war führer Chef des staatlichen Transportunternehmens. In Meinungsumfragen liegt er an zweiter Stelle hinter Mirlande Manigat. Céléstin ist der Kandidat des Bündnisses „Inité“ (Unité). Wenige Tage vor den Wahlen soll ein Attentat auf ihn verübt worden sein. Sein Handicap ist seine Nähe zum jetzigen, sehr unbeliebten Präsidenten Préval. Die Haitianer fürchten, dass Céléstin als Präsident eine Marionette von Préval sein würde. Wenige Tage vor den Wahlen wurden dubiose Grundstückgeschäfte Céléstins in Florida publik. Seine Freundin soll zudem im Drogengeschäft mitmischen.
Sweet Mickey, eigentlich Michel Martelly. 49 Jahre alt. Die Kandidatur des populären Sängers galt zunächst als Jux. Er ist ein Vertreter der in Haiti populären konpa music, die afrikanische und europäische Wurzeln hat. Im Wahlkampf war er ein Senkrechtstarter, der vor allem in den Städten und bei der Jugend populär ist. In Wahlkampfauftritten am Fernsehen glänzte er mit interessanten, realistischen Ideen. Selbst seriöse Politologen sind positiv von seinem Programm überrascht.
Weitere Kandidaten sind:
Jacques-Edouard Alexis, Ministerpräsident von 1999 bis 2001 und 2006 bis 2008. Er kandidiert als Sprengkandidat des Bündnisses „Inité“ und wird Jude Céléstin einige Stimmen abjagen.
Charles-Henri Baker. Erreichte bei den Wahlen 2006 den dritten Platz.
Leslie Voltaire. Architekt. Er war Erziehungsminister und UNO-Beauftragter unter Préval.
Yvon Néptune, Kandidat der Partei des ehemaligen Präsidenten Aristide. War unter ihm 2001 bis 2004 Ministerpräsident. Nach dem Sturz von Aristide sass er zwei Jahre lang ohne Prozess im Gefängnis.
Weitere Namen:
René Préval. Geboren am 17. Januar 1943. Staatspräsident von 1996 bis 2001 und von 2006 bis heute. Da er zwei Mal Staatspräsident war, kann er nicht erneut kandidieren. Er übt starken Einfluss auf das Bündnis Inité aus. In der Bevölkerung ist er in den letzten Monaten sehr unbeliebt geworden.
Jean-Bertrand Aristide. 15. Juli 1953 geboren. Der „Priester der Armen“ war drei Mal Staatspräsident. Er wurde bei den ersten demokratischen Wahlen auf Haiti 1990 mit über 67 Prozent der Stimmen gewählt. Am 30. September 1991 wurde er von einer Militärjunta unter General Raoul Cédras weggeputscht. 1994 wurde er auf amerikanisches Betreiben hin erneut als Präsident eingesetzt. 2001 wurde er zum dritten Mal Präsident. Während seiner Amtkszeit bis 2004 wurden im Misswirtschaft, Korruption und Gewalt gegen Gegner vorgeworfen. Auf amerikanischen Druck hin musste er das Land verlassen. Aristide, der im südafrikanischen Exil lebt, betrachtet sich nach wie vor als rechtmässiger Präsident Haitis. Er soll ein Vermögen von 40 Millionen Dollar besitzen.
François Duvalier/Jean-Claude Duvalier. François Duvalier (Papa Doc) und sein Sohn Jean-Claude (Baby Doc) regierten Haiti 29 Jahre lang (seit 1957), terrorisierten die Bevölkerung und plünderten sie aus. Unter den Duvaliers starben 35 000 Haitianer. 1986 wurde Baby Doc abgesetzt und ging nach Frankreich ins Exil.
Jüngste Daten
Erdbeben. 12. Januar 2010, 16.53 Uhr Ortszeit. Schwerstes je in Nord- und Lateinamerika gemessenes Erdbeben. Die Zahl der Toten wird auf 300‘000 geschätzt. 300‘000 weitere Menschen wurden verletzt. Anderthalb Millionen Haitianer sind obdachlos.
Cholrera. Oktober 2010. Ausbruch der Cholera. Bisher 1500 Tote.
Zyklon. 6. November. Der Zyklon Tomas geht über Haiti nieder. Weite Teile des Landes werden überschwemmt und zerstört.
Wahlen. 28. November. Wahl eines neuen Staatspräsidenten/Staatspräsidentin.