Japan und Südkorea lassen Kampfjets in den Himmel steigen, und die Supermacht USA hat nicht nur über 70‘000 Mann in Ostasien stationiert, sondern lässt permanent eine Flugzeugträgergruppe in den umstrittenen Gewässern patroullieren.
Worum geht es? Seit Jahr und Tag um unbewohnte Felsinseln südwestlich von Japan, chinesisch als Diaoyu- und japanisch als Senkaku-Inseln bekannt. Die Inseln gehören seit dem 19. Jahrhundert zu Japan, wurden dann aber von China in den 1970er-Jahren beansprucht. 2012 dann „nationalisierte“ Tokio mit einem Kauf von Privaten die Senkakus. Der Zorn Chinas war gross. Dazu kommt nördlich zwischen China und Südkorea ein steiniges Eiland, das in Südkorea Ieodo-Insel und in China Suyan-Felsen heisst. Zwar sind die Felsbrocken seit Jahrzehnten buchstäbliche Steine des Anstosses. Doch nun hat China eine Luftverteidigungszone – eine international als Air Defence Identification Zone (ADIZ) genannte Einrichtung – etabliert. Die USA haben etwas Ähnliches seit Beginn des Kalten Krieges vor nunmehr 70 Jahren eingerichtet, Japan desgleichen seit 1969. Weitere achtzehn Staaten versuchen, mit identischen Vorrichtungen ihre vermeintlich oder tatsächlich bedrohte Sicherheit zu schützen.
Erdölvorkommen vermutet
Im aktuellen Falle geht es vor allem um „nationale Souveränität“. Weder Japans Premier Shinzo Abe noch Chinas Partei-Supremo Xi Jinping kann es sich innenpolitisch und innerparteilich Schwäche zu zeigen. Nationalismus wird in beiden asiatischen Grossmächten ganz gross geschrieben. Freilich geht es nicht nur um Souveränität sondern vornehmlich auch um Bodenschätze. Unter und rund um die steinigen Inseln nämlich werden grosse Vorkommen von Erdöl und Erdgas vermutet. Das gilt übrigens nicht nur für Diaoyu beziehungsweise Senkaku, sondern auch um all die Inseln im Südchinesischen Meer.
Es ist deshalb wohl kein Zufall, dass die chinesischen Staatsmedien die Verschiebung des ersten und einzigen Flugzeugträgers „Liaoning“ von der Heimbasis Qingdao nach Sanya, der Basis am Südchinesischen Meer prominent abhandelten. Die Fahrt ging durch die ADIZ durch die politisch sensible Strasse von Taiwan in die ebenfalls zwischen verschiedenen Staaten umstrittenen südlichen Gewässer. „Liaoning“, wen wundert es noch, wurden ständig begleitet von amerikanischen und japanischen Kriegschiffen. „Liaoning“, so hiess es im Verteidigungsministerium in Peking, sei keinesfalls ein Bedrohung und gegen kein Land gerichtet. Li Jie, Wissenschaftler am Marine-Forschungsinstitut, stellte denn auch durchaus zurecht fest: „Die Wahrheit ist, dass ‚Liaoning‘ technisch weit hinter den 10 amerikanischen Nimitz-Class-Flugzeugträgern rangiert, und der Abstand wird sich noch vergrössern, wenn der amerikanische Flugzeugträger‚ „USS Gerald R. Ford“ 2016 in Dienst gestellt wird“.
„… in hoher Alarmbereitschaft“
Auch die USA, Japan und Südkorea liessen sich nicht lumpen. Amerika schickte von ihrem pazifischen Stützpunkt Guam zwei B-52-Bomber über Chinas neu etablierte ADIZ-Überwachungszone, während Japan und Südkorea Kampfjets übers gleiche Gebiert donnern liessen. „Normale Überwachungs-Aktivitäten“ hiess es dazu in Washington, Tokio und Seoul. Die Chinesen reagierten, so das Parteiblatt „Renmin Ribao“ (Volkszeitung) „ruhig“. Die Überwachung sei „erfolgreich“ gewesen.
Die Lage jedoch bleibt gespannt. „Chinas Luftwaffe ist in hoher Alarmbereitschaf“, hiess es im chinesischen Verteidigungsministerium. Von den USA und Japan ist Ähnliches zu erwarten. Letztlich bleibt der Konflikt ein Fall für zwei. China und die Vereinigten Staaten von Amerika. Anfang Dezember wird US-Vizepräsident Joe Biden in Tokio, Seoul und in Peking erwartet. Biden wird dann vor allem in China glaubhaft machen müssen, dass die amerikanische Politik des „pazifischen Angelpunkts“ nicht gegen China gerichtet ist.
Diplomatie vom Feinsten ist gefragt
Der amerikanische Verteidigungsminister Chuck Hagel hat das unilaterale Chinesische Vorgehen mit der ADIZ-Überwachungszone allerdings mit einer Drohung beantwortet: „Ein Angriff auf eine der umstrittenen Inseln wird automatisch Amerikas vertragliche Verpflichtung auslösen, Japan zu verteidigen“. Wie Chinas historische bewanderte Führer wissen, haben aufstrebende Mächte sehr oft Kriege ausgelöst. Deshalb betont Peking auch immer wieder den „friedlichen Aufstieg“ Chinas als aussenpolitische Maxime. Es brauche, so heisst es parteioffiziell, „einen neuen Typus der Beziehungen zwischen den Grossmächten“. Parteichef Xi Jinping steht im Wort.
Wie so oft in der Vergangenheit haben ähnliche Situationen wie jetzt in den chinesisch-japanischen Gewässern gewollt und noch öfter ungewollt zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt, wie Europas Geschichte, zuletzt 1914, zeigt. Sicher jedenfalls ist eines: Zeit heilt im Falle der Diaoyu/Senkaku-Inseln keinesfalls die Wunden. Im Gegenteil, es wird schlimmer. Diplomatie vom Feinsten ist gefragt.