Zum Uno-Migrationspakt, den die Schweiz am 10. Dezember bei einer Konferenz in Marrakesch von annähernd 190 Aussenministern mitunterzeichnen soll, ist hierzulande eine kritische Diskussion entbrannt. Das ist gut so und belebt das demokratische Bewusstsein. Und es animiert hoffentlich manche Bürger, sich den Text genauer anzuschauen, der in Marrakesch mit grossem Zeremoniell unterzeichnet werden soll.
Verschwurbeltes Sprachdickicht
Um dem Leser dieser Zeilen ein Beispiel von der sprachlichen Undurchdringlichkeit und leeren Unverbindlichkeit dieses Migrationspaktes zu vermitteln, sei hier ein mehr oder weniger zufällig herausgegriffener Abschnitt (Punkt 18g) aus dem 32-seitigen Dokument zitiert:
„(Wir werden ... ) Migranten im Rahmen der nationalen Notfallvorsorge und -bewältigung berücksichtigen, einschliesslich durch Berücksichtigung einschlägiger Empfehlungen aus den von Staaten gelenkten Beratungsprozessen, wie etwa der Guidelines to Protect Migrants in Countries Experiencing Conflict or Natural Disaster (Leitlinien der Initiative ’Migrants in Countries in Crisis‘ zum Migrantenschutz in von Konflikten oder Naturkatastrophen betroffenen Ländern).“
In diesem verschwurbelten Stil ist der gesamte Text von A bis Z zusammengepappt. Was das zur praktischen Lösung der vielschichtigen und in fast jedem Land unterschiedlich gelagerten Migrationsfrage beitragen soll, dürfte auch gutwilligen Staatsbürgern, die nicht hinter jedem Regierungsprojekt eine linke oder rechte Verschwörung wittern, rätselhaft bleiben.
Es geht hier auch nicht um das grundsätzliche Recht und die Pflicht unserer Regierung, sich im Rahmen internationaler Organisationen um konkrete Lösungen schwieriger globaler Probleme wie die Entschärfung von Migrations- und Flüchtlingsfragen zu bemühen. Doch was soll ein rhetorisches Konvolut von 34 Seiten, deren Bandwurmsätze kein Normalsterblicher versteht und von denen jeder weiss, dass es nach dem grossen Beschwörungstamtam der in Marrakesch versammelten Aussenminister folgenlos in den Archiven verschwinden wird?
„Meilenstein“ für die Menschheit?
Die aufwendige Wirkungslosigkeit solchen Wortgeklingels ergibt sich schon daraus, dass dieser globale Migrationspakt ausdrücklich als rechtlich unverbindlich deklariert wird. Er steht damit auf gleicher Stufe wie die vor einigen Jahren unterzeichnete Uno-Agenda 2030, die das Ende von Hunger und Armut und die weltweite Gleichstellung von Mann und Frau bis zu diesem Stichjahr deklariert. Gut möglich, dass es bis 2030 partielle Fortschritte bei der Hungerbekämpfung oder in Sachen Frauenrechte geben wird. Aber glaubt jemand im Ernst, das sei das Verdienst eines langfädigen und unverbindlichen Uno-Dokuments?
Doch solche Einwände hindern die Initianten und Apologeten des sprachlich und inhaltlich unlesbaren und verworrenen Migrationspaktes nicht daran, diesen grossspurig als „Meilenstein“ für die Menschheit anzupreisen. Weshalb begnügen sie sich nicht, ihre wohl gut gemeinten Absichten in einer übersichtlichen Prinzipien-Erklärung auf einer oder zwei Seiten in klarer, verständlicher Sprache zusammenzufassen?
Man könnte über solche Wort-Exzesse und die von gut bezahlten Diplomaten und Bürokraten darum herum inszenierten Geschäftigkeiten die Schultern zucken. Dies nach dem Spruch: Wenn so ein aufgeblasener Worthülsen-Wälzer wie der Uno-Migrationspakt nichts nützt, so schadet er wohl auch nicht viel. Doch das wäre eine falsche Verharmlosung.
Die FDP-Nationalrätin Doris Fiala, als Abgeordnete im Europarat eine erfahrene Kennerin in Flüchtlings- und Migrationsfragen, hat recht, wenn sie davor warnt, dass solche Leerlauf-Übungen ein Steilpass für all jene nationalistischen und reaktionären Kräfte seien, die mit Gusto behaupten, das „Mainstream-Establishment“ kümmere sich nicht um die wahren Sorgen des einfachen Volkes. Stattdessen würden von abgehobenen Bürokraten und Theoretikern immer neue Vereinbarungen und Rechte zugunsten fremder Zuwanderer und Flüchtlingen ausgeheckt, die sich in unsere Sozialsysteme einschleichen wollten.
Die SVP-Strategen werden sich im Hinblick auf die so genannte Selbstbestimmungs-Initiative vom 25. November die Hände reiben, wenn der Bundesrat bei seiner Absicht bleibt, Aussenminister Cassis nach Marrakesch zu schicken, um dort im Kreis unzähliger Amtskollegen in das Hohelied für einen überflüssigen Migrationspakt einzustimmen.