Am Dienstag begannen am New Yorker Uno-Hauptquartier die öffentlichen Hearings der bisher acht Bewerber um den „unmöglichsten Job der Welt“, wie der erste Generalsekretär Trygve Lie seinen Posten bezeichnete.
Zwei Stunden grillen
Gestern standen die Bulgarin Irina Bokova, der Portugiese Antonio Guterres und Igor Luksic aus Montenegro auf dem Prüfstand. Heute und morgen folgen Danilo Türk (Slowenien), Vesna Pusic (Kroatien), Natalia Gherman (Moldawien), Srgjan Kerim (Mazedonien) und Helen Clark (Neuseeland). Jeder Bewerber wird zwei Stunden lang gegrillt. Nachdem er sein Programm vorgestellt hat, muss er über Gott und die Welt Auskunft erteilen.
Das Übergewicht der Kandidaten aus Osteuropa erklärt sich daraus, dass nach einem ungeschriebenen Gesetz diese Region an der Reihe wäre, zum ersten Mal einen Uno-Generalsekretär zu stellen. Stark wird auch der Ruf nach einer Frau an der Spitze der Uno im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter. Vier Frauen hoffen daher auf ihre Chance.
Die aussichtsreichsten Bewerber
Um mit dem weiblichen Geschlecht zu beginnen, so haben Irina Bokova und Helen Clark die besten Aussichten. Bokova ist Generaldirektorin der Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco), Clark leitet das Entwicklungsprogramm der Uno (UNDP). Zuvor war sie Premierministerin Neuseelands.
Bei den Männern dominieren Antonio Guterres und Danilo Türk. Guterres amtierte zuvor als Regierungschef Portugals und zehn Jahre lang bis Ende 2015 als Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge. Türk ist ein altes Schlachtross der Diplomatie. Seit Anfang der achtziger Jahre, damals noch im Dienste Jugoslawiens, mischte er bei vielen Konferenzen mit und wurde unter Kofi Annan Vize-Generalsekretär der Uno. Nach dem Zusammenbruch der Föderation Jugoslawien brachte er es zum gewählten Präsidenten Sloweniens.
Gesucht: eine neutrale Person
Die übrigen Bewerber spielten auf dem internationalen Parkett keine grosse Rolle. Luksic, Pusic, Gherman und Kerim sind frühere Aussenminister ihrer Länder. Letzterer war auch Vorsitzender einer Uno-Vollversammlung. Der Umstand, dass sie aus Staaten ohne weltpolitische Bedeutung stammen, muss sich aber nicht zu ihren Ungunsten auswirken. Gesucht wird eine neutrale Person, die keiner der Grossmächte auf die Zehen tritt.
Die öffentliche Prüfung der Kandidaten um das Amt des Uno-Generalsekretärs, an der auch Vertreter von Nichtregierungs-Organisationen Fragen stellen dürfen, soll die Transparenz des Wahlverfahrens erhöhen. In Wirklichkeit wird sich aber kaum etwas ändern. Gemäss der Uno-Charta muss der Sicherheitsrat der Generalversammlung einen Namen empfehlen. Einer solchen „Empfehlung“ hat sich die Generalversammlung noch nie widersetzt.
Die Möglichkeit des Veto
Es bleibt also dabei, dass der künftige Generalsekretär von den 15 Mitgliedern des Sicherheitsrats ausgeknobelt wird – in der Praxis von den fünf ständigen Mitgliedern, die jeden Mehrheitsentscheid mit ihrem Veto blockieren können.
Die USA könnten wohl jeden der acht Bewerber(innen) akzeptieren. Russland wird aber gewiss die Frauen und Männer aus Nato-Staaten oder einem Land wie Moldawien, das wegen Transnistrien mit Moskau im Streit liegt, aussortieren. Mit dem Sozialdemokraten Guterres und dem sehr flexiblen Türk könnten die Russen wohl leben. Diesen beiden Politikern werden daher die besten Chancen eingeräumt.
Entscheidung im Herbst
Die Kandidatenliste ist allerdings noch offen. Die Entscheidung wird erst im Herbst fallen. Für Juni wurde ein neues Hearing der Generalversammlung anberaumt. Bis dahin könnten sich noch einige weitere Interessenten melden. Die Schweizer Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey setzt sich lautstark dafür ein, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Ring steigt. Wunschdenken oder das Bedürfnis, aufzufallen? „Mutti“ Merkel müsste verrückt sein, ihre derzeitige Stellung gegen die einer machtlosen Uno-Generalsekretärin zu tauschen. Ausserdem fehlt ihr das Rüstzeug wie ein fliessendes Englisch.
Die Amtzeit eines Uno-Generalsekretärs beträgt fünf Jahre. Alle bisherigen Chefs der Weltorganisation sind für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt worden, ausser der Ägypter Butros Butros-Ghali, der bei der US-Regierung unter Bill Clinton und insbesondere bei dessen Aussenministerin Madeleine Albright in Ungnade fiel. Albright zauberte damals den Ghanaer Kofi Annan aus dem Hut, der aber seine Sache ernst nahm und sich dafür den Zorn von George W. Bush einhandelte. Spass machte das Amt eigentlich nur seinem abtretenden Inhaber Ban Ki-Moon.