Der berühmteste und bestbezahlte französische Filmschauspieler, Gérard Depardieu, geboren 1948, über 170 Filme, am meisten Zuschauer nach Louis de Funès, ist ins belgische Néchin umgezogen – ein langweiliges Kaff 800 Meter von der französischen Grenze entfernt. In Belgien wohnen rund 200'000 Franzosen und 2000 bis 5000 davon gelten als Steuerflüchtlinge. Einer mehr oder weniger macht da nicht viel aus. Aber der «Umzug» von Depardieu hält täglich die Medien und die Regierung bis hinauf zu Präsident Hollande in Atem - wie seinerzeit die «Auswanderung» von Alain Delon und dann von Johnny Hallyday nach Gstaad in ein Chalet mit schlechter Akustik für Rockmusik. Premierminister Ayrault sprach von einem «schäbigen» Akt, und Depardieu, tief in seiner merkantilen und sonstigen Sensibilität getroffen, will ihm deshalb jetzt seinen französischen Pass zurückschicken. Er sei ein «Weltbürger». Seine Weinberge und Immobilien sind in der Tat weltweit verteilt. Er behauptet, er habe 2012 85 Prozent auf seinen Einkünften als Steuern bezahlt. Also hat er entweder keinen oder einen miserablen Steuerberater. Hollande hat vor der Präsidentenwahl gesagt: «Ich liebe die Reichen nicht» und dann den Höchststeuersatz für Einkommen über 1 Million Euro auf konfiskatorische 75 Prozent erhöht. Zwei Dummheiten zuviel. Jetzt will er – wegen Depardieu! – das Steuerabkommen mit Belgien ändern. Aber die zunehmenden Abwanderer sind die jüngere aktive Generation und suchen anderswo, in London, Deutschland, Italien (ja!) und den USA (nicht mehr in der Schweiz), nach Freiräumen. Und trotzdem glaubt man Hollande jetzt immer weniger, dass er ein Linker sei. Ein weinseliger Trost für Depardieu (erst für Mitterrand, dann für Sarkozy), der sich in Néchin zu Tode langweilt, aber sich da einbürgern lassen will. Jacques Brel muss sich im Grabe umdrehen. (Ulrich Meister, Paris)