Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredaktor der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» hat unlängst im Magazin seines Blattes über seine bisher einjährigen Erfahrungen als Veganer berichtet. Um es vorwegzunehmen: Er ist begeistert von seiner neuen Essgewohnheit, auf alles, was vom Tier stammt, zu verzichten. «Lange nicht so gut gefühlt», schreibt der 57-jährige und 87 Kilo schwere Journalist zum Schluss. «Die Euphorie hält an, ich kann nichts dagegen tun.»
Nutzung oder Ausbeutung von Tieren?
Unter anderem erklärt der Autor dem Leser, dass nicht nur die ganze Industrie der heutigen Tierverwertung darauf angelegt sei, gegenüber der fleischverzehrenden und milchtrinkenden Bevölkerung zu verschleiern, wie grausam, inhuman und umweltschädlich die massenhafte Ausbeutung von Tieren sei.
Auch die mit diesen Realitäten verbundene Sprache diene dem Zweck, die Tierverwertung zu verharmlosen und das «schlechte Gewissen des kollektiven Unbewussten» zu beruhigen. Immer werde das Tier als «das ganz Andere, das Niedere umdefiniert». Man spreche bei Tieren von Maul statt Mund, Fressen statt Essen, Saufen statt Trinken, Werfen statt Gebären, Wurf statt Babys, Herde statt Gemeinschaft.
Da ist wohl einiges dran, aber ganz überzeugend ist die diagnostizierte sprachliche Diskriminierung der Tiere auch wieder nicht. Ulrich beeilt sich denn auch zu betonen, es gehe ihm mit diesen Beispielen nicht darum, ein neues Feld der politischen Korrektheit zu eröffnen. Ist es grundsätzlich so abwegig, zwischen Tieren und Menschen in verschiedener Hinsicht sprachliche Unterschiede zu machen? Geht es dabei nicht auch um verständliche Differenzierungen, die ja im Übrigen nicht durchgehend, sondern je nach Kontext und Stil verwendet werden? So ist etwa bei Pferden keineswegs immer von Saufen die Rede. Und andererseits wird dieses eher abwertende Wort im entsprechenden Zusammenhang durchaus auch auf Menschen gemünzt.
Katz und Maus
Der stellvertretende «Zeit»-Chefredaktor argumentiert weiter, «das Töten und Benutzen von Tieren» lasse sich moralisch nicht begründen, «wenn der Mensch auch ohne gut leben kann». Das wiederum ist eine für einen kritischen Journalisten erstaunlich pauschale Formulierung, die mancherlei Fragen offenlässt. Soll etwa der Einsatz eines Blindenhundes moralisch fragwürdig sein? Und was sagt der Veganer dazu, dass viele Tiere keineswegs davor zurückschrecken, andere Tiere umzubringen und aufzufressen? Wer schon erlebt hat, wie die liebe Katze etwa mit einer armen Maus umspringt, wird vielleicht den einen oder andern Vorbehalt geltend machen, wenn von unschuldigen Tieren und fleischgierigen Menschen die Rede ist.
Immerhin lässt auch der enthusiastische Veganer Bernd Ulrich durchblicken, dass für ihn noch nicht alle Aspekte im Zusammenhang mit seiner neuen Tier-Mensch-Lebensphilosophie abschliessend geklärt sind. So räumt er ein, dass er vorläufig noch Lederschuhe trägt, obwohl er weiss, dass dieses Leder ja von Tieren stammt. Auch zum Thema Honig hält er die Antwort in der Schwebe, obwohl er zugibt, dass man den Honigkonsum durchaus als «Ausbeutung» von Bienen auslegen könnte.
Man müsste mit den Hühnern sprechen
Ebenso lässt der Autor bei der Frage, ob der Konsum von Eiern wirklich auf eine rücksichtslose Ausnutzung von Hühnern hinauslaufe, noch einen Spalt für andere Meinungen offen. Auf das Argument einer Kollegin, die Hühner legten doch gerne Eier, erwidert er höflich, da wäre er nicht so sicher, man müsste «mal mit den Hühnern sprechen». Tatsache sei jedenfalls, dass Hühner weniger Eier legten, wenn sie ihnen nicht täglich weggenommen würden.
Man merkt, es gibt noch etliches zu klären zwischen Veganern und sogenannten Mischköstlern – nicht nur im sprachlichen Bereich.