Der Tick entstand vor langer Zeit in der deutschen Schweiz, zuerst auf der Gasse, dann schwappte er auf den Militärdienst über, und schliesslich kam er in gehobenen Kreisen an.
An viele Sätze, vor allem an Fragen hängt man das Wort „oder“ an. „Es giesst wieder aus Kübeln, oder?“ „Willst du eine an die Fresse, oder?“ Vor allem in Zürich wird das „oder“ Slang-artig akzentuiert und gedehnt.
Früher hatte das „oder“ vielleicht eine Bedeutung. Es war die Abkürzung für „… oder kommst du nicht ins Kino“, „… oder stimmt es nicht, was ich sage“. Diese Bedeutung hat es meist verloren. Es ist zum hohlen, überflüssigen „oder“ geworden. „Geht es dir gut, oder?“, „Ghat’s na, oder?“, „Häsch en Chopfschuss, oder?“, „So geil, oder?“
Dann trat das „oder“ den Siegeszug Richtung Westen an. In der französischen Schweiz wurde es mit „ou bien“ übersetzt. Seit längerem grassiert es in Genf und Lausanne, in Sion und Neuenburg genauso wie in der deutschen Schweiz. Und es machte an der Landesgrenze keinen Halt.
Jetzt hat das „ou bien“ auch Frankreich erobert. „On y va ou bien?“. Es wird derart oft angewendet, dass es jetzt sogar in einem Buch erwähnt wird. „Ein Tick, der aus der Schweiz kommt“ schreibt Frédéric Pommier in seinem Buch “Petites Maladies du parler d’aujourd’hui“ (Seuil). Jeden Freitagmorgen präsentiert Frédéric Pommier auf dem öffentlich-rechtlichen Radiosender „France Inter“ eine witzige Sprachglosse. Dabei weist er auf sprachliche Neu-Kreationen hin. Seine Glossen hat er jetzt in einem Buch zusammengefasst.
Vielleicht ist es das erste und letzte Mal, dass „La Grande Nation“, die so gern über die Schweiz spottet, etwas von den „Petits Suisses“ importiert.
C’est juste ou bien?
(hh)