Jeder kennt die alte Mahnung, dass man bei der Beschäftigung mit Gedrucktem unbedingt auch das Kleingedruckte lesen sollte. Daran habe ich mich gehalten, als dieser Tage ein neues „Extrablatt“ der SVP ins Haus flatterte. Der Aufmacher auf der Frontpage: „Damit die Schweiz nicht zu Grunde geht – Volkswahl des Bundesrates!“ Auf Seite zwei dann in der linken unteren Ecke das Kleingedruckte: Das SVP-Extrablatt erscheint in der stolzen Auflage von 2'822'759 Exemplaren. Die für unsere Rubrik entscheidende zwei Sätze lauten: „Achtung: bei dieser Zeitung handelt es sich weder um Werbung noch um Reklame, sondern um eine politische Information. Darum darf sie auch in jene Briefkästen verteilt werden, auf denen sich ein Stopp-Kleber befindet.“
Es geht also um den Unterschied zwischen Werbung und Information. Zugegeben, die beiden Dinge sind nicht immer so simpel auseinanderzuhalten. Deshalb hat sich auch der Schweizer Presserat schon öfters mit dem Thema beschäftigen müssen. Seine Stellungnahmen laufen auf die Aufforderung an die Medien heraus, Werbung und Information nicht zu vermischen.
Die Macher des SVP-Extrablattes machen sich die Einordnung ihrer Texte einfach: Es kommen nur Stimmen zu Wort, die für die Volkswahl des Bundesrates (oder andere, von der SVP lancierten Initiativen) sprechen. Das alles segelt unter der vornehmen Bezeichnung „politische Information“. Doch dieser Anspruch ist platte Wortmanipulation. Wenn der Begriff „Information“ einen seriösen Sinn haben soll, dann müssten im „Extrablatt“ zumindest ansatzweise auch Argumente gegen die Volkswahl des Bundesrates vertreten sein. Völlig einseitige Darstellungen zu einem umstrittenen Thema ist keine Information, sondern allenfalls Werbung und Reklame. Oder auf einen eindeutigeren Begriff gebracht: Propaganda.
Gewiss sind auch den SVP-Financiers und Blattmachern solche Unterschiede bekannt. Sie insistieren im Kleingedruckten vor allem deshalb darauf, statt Werbung in Millionenauflage „politische Information“ zu verteilen, um die Stopp-Kleber auf den Briefkästen auszutricksen. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser ganze Aufwand bei der Abstimmung vom 9. Juni über die Volkswahl des Bundesrates als teure Fehlinvestition herausstellt. (Reinhard Meier)