Vor gut zehn Jahren machte der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) mit einer viel beachteten Kampagne auf sein Konzept des Tarifverbunds aufmerksam. S-Bahn-Züge waren beschriftet mit «Ich bin auch ein Tram». Auf diesen wiederum hiess es «Ich bin auch ein Schiff». Und auf Postautos stand zu lesen «Ich bin auch eine Bahn». Toll gemachte Werbung! Höhepunkte waren die Kinospots, in denen der Elfer mit rauschender Bugwelle auf dem See aufkreuzte oder ein Dampfer der Zürichseeflotte im Parkett des Opernhauses anlegte.
Mit «Ich bin eine Bahn» hatten sich jedoch die Werber und ihre Auftraggeber auf sprachliches Glatteis begeben. Die Bahn ist ein Verkehrssystem, bestehend aus Schienen, Bahnhöfen, Rollmaterial, Fahrplänen etc. Deshalb kann man zwar Bahn fahren, die Bahn benützen, der Bahn den Vorzug geben, aber nicht in eine Bahn steigen. Das Vehikel, das auf den Eisenbahnschienen verkehrt, heisst Zug.
Aber so ganz sicher ist das auch wieder nicht. Der Sprachgebrauch kennt durchaus an Bahnsysteme gebundene Vehikel, die «Bahn» genannt werden. Ein solcher Fall sind die Seil- und Schwebebahnen. Hier ist das gesamte technische System eine unlösbare Einheit, sodass dessen bewegte Elemente gar nicht vom Ganzen unterschieden werden.
«Bahn» oder typischerweise «Bähnchen» sind aber auch Züge, die einzig auf bestimmten Regionalstrecken verkehren. Offensichtlich werden auch sie als fest in einen überschaubaren Verkehrsträger eingebundene Bestandteile gesehen, sodass sich die sprachliche Differenzierung erübrigt.
Die Zürcher S-Bahn jedoch, die ein beträchtliches Stück Schweiz abdeckt und jährlich rund 600 Millionen Passagiere transportiert, ist für den Bähnchen-Appeal zu gross. Da steigt man längst nicht mehr in die Bahn, sondern in den Zug. Eine Ausnahme sollten wir aber zugestehen, nämlich die auch zum ZVV gehörende Üetlibergbahn: Ihre Triebwagen auf der Strecke des Zürcher Hausbergs dürfen «Bähnchen» bleiben. (um)