Aha, Du machst auch auf Selbstausbeutung, warf die Bekannte mit halb ironischem, halb sarkastischem Unterton ein, als bei unserem Gespräch die Rede auf meine Mitarbeit beim Journal 21 kam.
Dort werden bekanntlich Beiträge finanziell nicht honoriert, das heisst man arbeitet „für Gottes Lohn“, wie es so schön heisst. Man könnte aber auch sagen, man arbeitet für diese Internet-Zeitung aus Freude am publizistischen Experiment und aus Interesse, sich journalistisch mit Themen zu beschäftigen, mit denen man sich schon seit langer Zeit auseinandersetzt. Kann man das Selbstausbeutung nennen? Natürlich nicht, denn jede Arbeit, die man mit innerem Engagement erledigt und mit der man sich identifizieren kann, ist eher ein Akt der Selbstverwirklichung – materielle Aspekte hin oder her.
Dennoch bemüht die erwähnte Bekannte im Zusammenhang mit ihrem kleinen Unternehmen, an dem sie wenig verdient, für das sie viel arbeitet und mit dem sie offenkundig mit Leib und Seele hängt, häufig den Begriff Selbstausbeutung. Nichts gegen Selbstironie – und ein Quentchen davon schwingt bei diesem Ausdruck wohl immer mit. Doch ebenso ist darin nach meinem Gefühl eine Prise Weinerlichkeit und Anklage gegen die Ungerechtigkeit der Welt oder der Gesellschaft enthalten, die meine bedeutungsvolle Arbeit zumindest pekuniär nicht genügend honoriert.
Das mag bei manchen Künstlern, freien Journalisten oder Aktivisten der Freiwilligenarbeit durchaus nachvollziehbar sein. Fragt man aber die Betroffenen, ob sie denn lieber für ein höheres Einkommen bei einer Bank oder als Immobilienverkäufer arbeiten oder sonst einen Büro-Job erledigen würden, wird das in der Regel weit zurückgewiesen. Nein, damit möchte man auf keinen Fall tauschen. Deshalb tut man gut daran, eine gesunde Dosis Skepsis einzuschalten, wenn der modisch angehauchte Begriff Selbstausbeutung aufs Tapet kommt – mit oder ohne ironische Färbung.
Ähnliche Vorbehalte regen sich bei mir übrigens auch gegenüber dem Modewort Burnout . Doch das ist ein sehr weites Feld, dessen Beackerung den Rahmem dieser Sprachkolumne sprengen würde.
R. M.