Ist die diplomierte Hundefriseuse Susi bedeppert, weil sie nicht Deutsch kann und den Deppenapostroph verwendet? Ist sie nicht. Nicht mehr.
Der sogenannt sächsische Genitiv verbreitet sich in der deutschen Sprache wieder wie Pilze nach dem Regen. So also der Apostroph in „Susi’s Vierpfoten-Salon“. Sprachpfleger und Sprachkritiker nennen dieses Zeichen seit langem "Deppenapostroph“ oder „Idiotenapostroph“. Man spricht von "Apostrophenwahn" und "Apostrophitis". Ganz richtig müsste es heissen „Susis Vierpfoten-Salon“.
Natürlich geht dieser Wahn, der Gebrauch des (angel)sächsischen Genitivs, auf das Englische zurück. It’s a hard day’s night. His master’s voice, Labour’s defeat, Johnny’s winebar.
So lesen wir denn: Meier’s Malergeschäft, Pfeffingen (BL), Edith’s Flohmarkt, Mägenwil (AG), Kaiser’s Reblaube, Zürich, Brunner’s Textil und Pflegezentrum, Universitätsstrasse Zürich, Meier’s Bluemelädeli, Niederglatt, Müller’s Posthotel, Oberiberg, Huber’s Gartenbauteam, Birrhard (AG), Müller’s Kiosk und Backwaren, Neuhausen (SH), Huber’s Wystübli, Alpnach Dorf, Priska’s Kosmetikstudio, Gossau, , Meier’s Kosmetik und Second Hand, Birsfelden, Emil’s Werkstatt, Muhen.
All das ist falsch. Doch es ist erst falsch seit dem Jahr 1901. Früher, im 19. Jahrhundert, war der Gebrauch des sächsischen Genitivs im Deutschen gang und gäbe. Doch dann versammelten sich die Sprach-Gurus in Berlin zur „Zweiten Orthographischen Konferenz“. Und dort wurde dem sächsischen Genitiv der Garaus gemacht. Seither ist man ein Depp, wenn man ihn anwendet.
Der Entscheid von 1901 war ein recht willkürlicher Entscheid. Man konnte Jahrhunderte lang unbeschadet mit dem sächsischen Genitiv leben. Auch die Werke grosser Dichter erlitten dadurch keinen Schaden. Die Orthographische Konferenz begründete ihren Entscheid so: Apostrophe ersetzen einen Buchstaben oder ein Wort. Sie sind aber nicht dazu da, um Trennungen vorzunehmen. So ist’s. Punkt. In „Heidi’s Bündnerspezialitäten, Arosa“ ersetzen sie keinen Buchstaben, sondern sind eine Trennung. Also: falsch.
Wie immer gibt es Ausnahmen.
Das Buch von Hans im Genitiv: „Hans‘ Buch“ – mit dem Deppenapostroph. Das Auto von Franz: „Franz‘ Auto“. Die Brille von Klaus: „Klaus‘ Brille“. Das „Kapital“ von Marx: „Marx‘ Kapital“.
So spricht und schreibt zwar keiner, aber richtig ist es dennoch.
Personennamen, die auf ein –s, ein –z, ein –x oder auf –ce enden, erhalten den Apostroph im Genitiv. „Max‘ Freundin“; Bundesrat Merz‘ Reise nach Libyen; Alice’s Wunderland; Beatrice’s Computer; Sokrates‘ Schriften.
Früher sagte man: Maxens Freundin, Merzens Reise, Hansens Buch, Franzens Auto. Wer heute so spricht oder schreibt, hat viel Staub angesetzt. Dann doch lieber: Die Freundin von Max.
In der DDR hat man – vielleicht in Abgrenzung zum Westen – den sächsischen Genitiv fast gepflegt. Da hiess es: Ulla’s Imbiss, Heidi’s Würstelbude. War das denn so schlimm? Die DDR ist jedenfalls nicht am sächsischen Genitiv zu Grund gegangen.
95 Jahre nach dem Verbot des sächsischen Genitivs fand wieder eine Rechtschreibereform statt. Sie wurde inzwischen mehrmals aktualisiert. Da gibt man sich tolerant, da öffnet man Türen, die bisher fest verriegelt waren.
In Paragraph 97 E der „Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung, überarbeitete Fassung des amtlichen Regelwerks 2004“ steht zwar, dass „normalerweise“ vor dem Genitiv-s kein Apostroph gesetzt werde.
Aber, dann folgt ein Satz, der Spielraum lässt: „Von dem Apostroph als Auslassungszeichen zu unterscheiden ist der gelegentliche Gebrauch dieses Zeichens zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung –s“.
Man darf also, wenn man will, zur Verdeutlichung der Grundform den Apostroph sedtzen.
Damit ist Susi’s Vierpfoten-Salon reingewaschen. Jeder und jede sollen selbst entscheiden, was besser aussieht: „Susi’s Salon“ oder „Susis Salon“, Gabi’s Bettwäsche“ oder „Gabis Bettwäsche“, Heidi“s Wohlfühloase in Arosa“ oder „Heidis Wohlfühloase“, „Willi’s Garage“ oder „Willis Garage“, Sara’s Bücher“ oder „Saras Bücher“.
Das soll aber kein Freipass sein, betonten die Sprachhüter, vor allem nicht bei Ausdrücken, die mit einem Konsonanten enden. „Meier’s Lebensmittelladen“ bleibt definitiv falsch.
Die Rechtschreibereform von 1996 hat eine weitere Ausnahme geortet.
„Andreas Weinbar“. Ist das die Weinbar einer Dame namens Andrea oder ist es die Bar eines Herrn namens Andreas? Um Klarheit zu schaffen, darf die Dame schreiben: Andrea’s Weinbar. In Andreas Weinbar hat der Herr das Sagen.
Spielen wir weiter: „Carlos Restaurant“, ist das Restaurant des italienischen Carlo. „Carlos’ Restaurant" aber ist das Restaurant des spanischen Carlos.
Trotz einiger Ausnahmen: zu 95 Prozent ist der sächsische Genitiv im Deutschen falsch.
Übrigens: Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hielt wenig von der orthografischen Reform, die 1901 den sächsischen Genitiv verdammte. Er stimmte der Reform dann zwar zu, forderte aber, dass die Schriftstücke, die ihm vorgelegt wurden, in der alten Orthographie geschrieben waren – inklusive Deppenapostroph.