In der Jack's Brasserie im Hotel Schweizerhof in Bern gibt es „Tatar vom Bio-Rind“. Im Restaurant Coupole in Paris steht "Tartare de bœuf de Charolais" auf der Speisekarte.
Tatar oder Tartar, mit oder ohne –r?
Im Hotel Waldhaus Dolder in Zürich wird „Rindfleisch Tatar (CH) nach Ihren Wünschen abgeschmeckt" serviert. Im Chat Botté im Genfer Hotel Beau Rivage gibt es „Tartar of thin green asparagus, olive oil and truffle“.
Der trendige Jamie Oliver spricht von „Tartar“. In Bertold Brechts Dreigroschenoper heisst es im Kanonensong: „Da machen sie vielleicht daraus ihr Beetsteak Tartar“
In Tausenden Restaurants und Kochbüchern heisst es „Tatar“, in Tausenden andern heisst es „Tartar“.
Der Duden ist eindeutig. Man sagt Tatar. „Mageres Hackfleisch vom Rind, das (mit Zwiebeln, Pfeffer und Salz vermischt) roh gegessen wird“.
Auch „das Portal für Rechtschreibung“, www.korrekturen.de ist eindeutig. Unter der Rubrik „Beliebte Fehler, die sich besonderer Beliebtheit erfreuen“ steht. „Richtige Schreibweise: Tatar – beliebte Fehler: Tartar“.
Doch das „Portal für Rechtschreibung“ mag viel von Rechtschreibung verstehen – kulinarisch kann es dazulernen.
Laut der Legende stammt das Beefsteak Tatar aus Südrussland. Die Tataren, die dort in ihrer autonomen Republik Tatarstan wohnen und einst von Dschingis Kahn angeführt wurden, sollen das zähe Fleisch unter ihre Sattel gelegt haben. Auf ihren Kriegszügen soll es so weichgeritten worden sein.
Also „Steak Tatar“ ohne –r? Doch jetzt wird es komplizierter.
Das Tartare mit –r bezeichnet nicht das Fleisch, sondern die Sauce, die mit dem rohen gehackten Fleisch serviert wird. Diese Sauce enthält meist Kapern, Zwiebeln, Knoblauch, Senf, Petersilien und Chili. Sie ist also oft scharf - höllisch scharf.
Und aus der Hölle kommt auch der Name. So jedenfalls erzählen es die Franzosen. Namensgeber der Sauce Tartare ist Tartaros, der Höllengott.
Er gehört der ersten griechischen Göttergeneration an und ist ein „Kind“ von Chaos, dem „Ursprungsgott“. Tartaros, ein eher unsympathischer Kerl, wohnt tief unten in der Erde, wo die Feuer speien. Und feurig „hot“ ist oft auch die Sauce Tartare.
Auch Dschingis Kahn und seine Tataren wurden früher Tartaren genannt, mit –r. Sie wüteten so blutrünstig als seien sie aus Hölle gekommen – entsandt von Tartaros.
Wie auch immer: So „hot“ ist die Sauce oft gar nicht. In der 1907 von „Aug. Jotterand, professeur de cuisine“ in Lausanne erschienenem Kochbuch „Le cours de cuisine chez soi“ heisst es: „Sauce Tartare. Se fait comme la sauce mayonnaise, seulement on y ajoute quelques cornichons, câpres et persil haché très fin“. Das ertragen alle.
Im «Petit Larousse» von 1990 ist die Sauce schärfer : «Viande hachée que l’on mange crue, mélangée avec jaune d’oeuf, des câpres et fortement assaisonée."
«Fortement assaisonée», stark gewürzt. Andere Rezepte mischen Koriander, Öl, Zitrone, Bouillon, Champignon, Eigelb und Pfeffer bei.
Da Tartar eine Sauce ist und sich nicht aufs Fleisch bezieht, gibt es auch Fischtartar, vor allem Lachs-Tartar oder Heringfilet-Tartar mit Äpfeln. Oder Gemüsetartar.
Also: Tatar oder Tartar – beides ist richtig. Auf Englisch und Französisch sagt man einzig Tartar. Und da das Französische noch immer die kulinarische Sprache dominiert, sagen auch wir häufig „Tartar“.
Ob Tatar oder Tartar: Wichtiger ist, dass das rohe Fleischgericht hygienisch sauber und das oft beigefügte Eigelb salmonellenfrei ist.
Das ist nicht immer der Fall. Magen- und Darmverstimmungen nach einem Ta(r)tar-Konsum kommen immer wieder vor.
(hh)