Davos ist mit über 10’000 ständigen Einwohnern schon längst eine Stadt. Hier wird alljährlich das WEF durchgeführt mit illustren Gästen aus der ganzen Welt. Davos gehört zu den bekanntesten Wintersportorten der Alpen und besitzt nicht nur eine der besten Eishockeymannschaften, sondern ist auch Austragungsort des Spenglercups, der Weltklassehockey garantiert.
Architektonisch ist das Ortsbild durchzogen. Auf den ersten Blick präsentiert sich den Besucherinnen und Besuchern ein unstrukturiertes Gemisch von Hotelbauten, Ein- und Mehrfamilienhäusern, wuchtigen öffentlichen Gebäuden und Talstationen von Bergbahnen, die wie Spinnenbeine die Hänge ertasten. Es gibt aber auch Juwelen, die man allerdings suchen muss, etwa die Werke von Rudolf Gabarel (Hochgebirgsklinik Zürcher Heilstätte, Bahnhof Davos-Platz, Umbau Rathaus Davos-Platz), das Kirchnermuseum von Gigon und Guyer, das Kongresszentrum von Ernst Gisel, das von Degelo Architekten um- und ausgebaut wurde, und nicht zuletzt das kürzlich erweiterte Eisstadion, das eine veritable Sportkathedrale ist.
1979 musste das Spielfeld des HC Davos in kürzester Zeit überdacht werden, da der Club ansonsten die Spielberechtigung in der obersten Liga verloren hätte. Die Lösung des einheimischen Architekturbüros Krähenbühl verhalf dem Stadion zu einer starken visuellen Präsenz in den Schweizer Medien. Zusammen mit dem Bonaduzer Ingenieurbüro Walter Bieler AG wurde, ausgehend von den vier schon bestehenden Betonfundamenten, die aus einem früheren, 1970 abgebrochenen Projekt stammen, eine magistrale Holzdecke gespannt, welche an ihrem höchsten Punkte 34 m über der Eisfläche schwebt.
Bis zum jüngsten Ausbau erfolgten mehrere partielle, wenig sensible Eingriffe, so etwa eine luftige Fluchttreppe aus Stahl, auf welche die Schneemassen des Daches fielen, und eine aus schubladenartigen Kästen bestehende Erweiterung auf der Nordseite.
2016 bestand eine derart lange Liste mit Änderungswünschen, dass an vier Teams ein Studienauftrag für einen Umbau vergeben wurde. Die Marques Architekten AG in Luzern wurde schliesslich mit der Weiterbearbeitung und der Ausführung betraut. Die Aufgabe war höchst komplex und ist für Aussenstehende nicht bis ins letzte Detail verständlich. Entscheidend war die Auflage, die Fluchtwege den neuen Anforderungen der Gebäudeversicherung anzupassen. Ausserdem mussten zusätzliche Garderoberäumlichkeiten für die Mannschaften geschaffen werden. Auch galt es die Tribünenarchitektur anzupassen, für die Donatorenclubs und die Teamleitung lauschige Lounges einzurichten sowie das schon bestehende Restaurant neu zu gestalten.
Für ambitionierte Architekten ist dies auf den ersten Blick nicht gerade eine berauschende Ausgangslage, weil die Möglichkeiten für auffallende Formgebungen eingeschränkt waren. Daniele Marques und Rainer Schlumpf erachten solche Rahmenbedingungen jedoch nicht als Fesseln, sondern als eine anspruchsvolle Herausforderung, das Neue mit dem Bestehenden zu verzahnen. Explizit verstehen sie dies als ein Weiterbauen am Monument.
In der Tat bleibt das Eisstadion mit der gewaltigen Bedachung auch nach dem Umbau als das vertraute Denkmal erhalten. Der wichtigste Eingriff im Äussern ist auf den ersten Blick fast nicht erkennbar, und doch vermag erst dieser Zusatz, das Stadion formal ideal zu verdichten. Es handelt sich um einen auskragenden, von rohen Betonbalken gestützten Umgang, der die Zirkulation um das ganze Stadion überhaupt erst erlaubt. Der Grundriss der Überdachung, die ein fettes Kreuz zeichnet, wird zu einem Achteck erweitert. Die Marques Architekten AG verzichtete auf luxuriöse Werkstoffe zugunsten von schalungsroh belassenem Beton und unbehandelten Holzpanelen. Besucherinnen und Besucher dürften das subtile Lichtspiel, das sich beim Abschreiten des Ringes einstellt, kaum bemerken. Abschnitt für Abschnitt ergeben die Blicke auf die Umgebung sozusagen ein 360-Grad-Panorama. Die in den Ecken der Bedachung gewonnenen Flächen dienten dazu, die benötigten Fluchttreppen zu integrieren. Das Restaurant ist Teil des Ringes und gleichzeitig ein in sich abgeschlossener Raum, der mit Alvar-Aalto-Tischen und -Stühlen bestückt ist. Speziell sind die von der Decke herunterhängenden Leuchtstäbe, die an Eiszapfen erinnern sollen.
Der Sockel der Ummantelung besteht weitgehend aus rohem Beton. Je höher man steigt, umso grösser ist der Anteil an Holz, bis man knapp unter der Decke ausschliesslich von den gebogenen und ineinander verzahnten Holzträgern umgeben ist. Hier richteten die Luzerner Architekten denn auch für die Präsidentenloge den verblüffendsten Raum ein. Unmittelbar unter den Schrägen der Dachkonstruktion hat man einen Ausblick auf die Umgebung wie auch durch schmale Öffnungen auf das Spielfeld. Für die Nasszellen und die Theke stellten Marques und Schlumpf eine Art Urhütte hinein.
Das Eisstadion steht am Rande eines Parks, an dessen Begrenzung sich weitere wichtige öffentliche Gebäude befinden, wie das Kirchnermuseum und das Kongresszentrum. Durch zusätzliche Grünflächen und Bäume wollten die Gestalter den Park in die Umgebung des Stadions erweitern, was allerdings nur ansatzweise realisiert werden konnte. Im Vergleich zum Zustand vor dem Umbau wirkt die Halle nun wie ein präzis geschliffener Edelstein. Dazu tragen nicht nur der Ring bei, sondern auch die vier dreieckigen Abschlüsse der Bedachung, die ursprünglich offen, später unsensibel ausgefacht wurden. Das Büro aus Luzern ersetzte die Füllungen mit einem Holzraster, wobei auf der Nord- wie auf der Südseite das Raster mit Glas hinterlegt wurde, durch welches am Abend das Licht von innen nach aussen dringt.
Alle Fotos: Fabrizio Brentini
Dem Eismeister Markus Caviezel sei für die kundige Führung durch das labyrinthische Innere und für die sachdienlichen Informationen herzlich gedankt.