Drei Geschosse aus Myanmar schlugen in der südwestchinesischen Provinz Yunnan ein und zerstörten ein Gebäude. Verletzt wurde niemand. Wenige Tage später detonierte die Bombe eines burmesischen Militärflugzeugs in einem Zuckerrohfeld in der Stadt Lincang in der südwestchinesischen Provinz Yunnan und tötete vier Menschen. Kampfjets seien daraufhin in die Region geschickt worden, um weitere Flugzeuge aus Myanmar aus der Region „zu verjagen“, berichtete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua.
Wiederum ein paar Tage später lösten Bomben oder Artilleriegeschosse der Streitkräfte Myanmars in der zerklüfteten Bergregion bei Mengdui, etwa 40 Kilometer nordöstlich der Grenze zwischen den beiden Nachbarn, Waldbrände aus. Zeugen sprachen von Kämpfen und „vielen Toten. Ziemlich viele Menschen sind gestorben“, berichtete ein Bauer aus Nasan. Die chinesischen Behörden hätten bisher alle Nachrichten über die Vorgänge in den Medien unterdrückt. „Sie haben eine Nachrichtensperre verhängt, so dass nirgends etwas darüber zu lesen ist.“
Erzürnt über die kriegerischen Aktivitäten der burmesischen Streitkräfte in der Grenzregion und auf chinesischem Gebiet bestellte Chinas Vizeaußenminister Liu Zhenmin den Botschafter Myanmars in Beijing ein, um die Regierung in Naypyidaw zu warnen. Sie solle sicherstellen, dass es zu keinen neuen Grenzverletzungen komme.
Heftige Kämpfe
Seit dem 9. Februar eskalierte der seit Jahrzehnten anhaltende Konflikt zwischen den Streitkräften Myanmars und der Nationalen Demokratischen Bündnisarmee Myanmars (MNDAA) der ethnischen Minderheit der Kokang, der nun nach China überzugreifen droht. Die Kokang sind Nachkommen einer han-chinesischen Familie, die im 18. Jahrhundert in Burma einwanderte, sowie der über 100'000 Soldaten aus Tschiang Kai-cheks Guomindang, die 1949 vor Maos siegreichen Armeen ins Nachbarland flohen. Die MNDAA unter Führung ihres chinesisch-stämmigen Kommandeurs Peng Jiasheng versucht die Kontrolle über ihr Siedlungsgebiet, die sie 2009 an die Truppen der Militärjunta verloren hat, zurückzugewinnen.
Flüchtlinge berichten von einer Intensivierung der Kämpfe in den letzten Tagen. „Letzte Nacht war der Beschuss ohrenbetäubend“, erzählte ein Anwohner. „Die Rebellen griffen im Rücken der Regierungstruppen aus einem Hinterhalt an, dem Angriff folgte mehrstündiges Artillerie- und Granatfeuer.“ Die Aufständischen hätten die Regierungstruppen bis in die Aussenbezirke der Provinzhauptstadt Laukkai zurückgedrängt, heisst es.
Zivilisten seien von Rebelleneinheiten in die Sicherheit der chinesischen Seite der Grenze gebracht worden. „Myanmars Armee diskriminiert die Kokang, manchmal exekutiert sie Zivilisten auf der Strasse“, behaupten Zeugen. Zudem zwinge sie Zivilisten, als Träger zu dienen und benutze sie in Gefechten als Schutzschilde. Seit 2009 flohen bereits 100 000 Menschen aus der Grenzprovinz nach China, das nur durch einen kleinen Fluss von Burma getrennt ist. Und nun schwoll der Flüchtlingsstrom erneut an, Zehntausende flohen bereits. Das chinesische Rote Kreuz baute einfache Unterkünfte aus Bambus und Zuckerrohrblättern für die Ankömmlinge, doch die Nahrungsmittelversorgung scheint ungesichert.
Warnungen aus Beijing
Beijing hatte schon bei Ausbruch der Kämpfe vor einer Eskalation gewarnt. Mit wachsendem Unbehagen beobachtet die chinesische Führung die Entwicklung und ist sichtlich bemüht, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, nachdem sich Naypyidaws Militärjunta über Unterstützung der Kokang durch chinesische Freiwillige beschwert hatte. Beijing hat jede Verbindung zu den aufständischen Kokang bestritten und betont, Myanmars Souveränität zu respektieren. In einem Leitartikel in der staatlichen „Global Times“ warnte die chinesische Führung, „jede voreilige Einmischung (in die inneren Angelegenheiten Myanmars) zu vermeiden.“
„Darum verhaften die chinesischen Sicherheitsbehörden der Grenzregion jeden Fremden, der aus anderen Teilen Chinas dort eintrifft“, erzählte ein Soldat der chinesischen Volksarmee Vertretern der Kokang. „Auf die Regierung könnt ihr nicht hoffen. Die haben nur ihre eigenen politischen Ziele im Auge“, kritisierte er die chinesische Haltung. „Ich mache mir aber Sorgen, dass wir doch noch reingehen, und dann noch mehr Chaos anrichten.“ Die chinesischen Medien berichteten ausführlich über die chinesischen Opfer der burmesischen Übergriffe. Sie „testen die Grenzen der chinesischen Nicht-Einmischungspolitik angesichts einer Woge nationalistischer Gefühle gegen Myanmar“, kommentierte der „Sydney Morning Herald“.
Kämpfe auch in Kachin
Inzwischen sind auch die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und der Kachin Unabhängigkeitsarmee (KIA) wieder aufgeflammt. Darum repatriieren die Militärs nun 100'000 Buddhisten aus dem nördlichen Bundesstaat Kachin, wo sie zumeist in den Jade- und Goldminen Arbeit gefunden haben, zurück in ihre Heimat Rakhine an der Westküste Burmas. Diese Maßnahme wird die prekäre Lage der verfolgten und staatlich diskriminierten Minderheit der muslimischen Rohingyas, die sich nach Angaben von Amnesty International 2014 ohnehin verschlechtert hat, weiter erschweren. Schon heute leben rund 140'000 Rohingyas in ihrem eigenen Land als Flüchtlinge, nachdem es vor drei Jahren zu heftigen Pogromen gegen die Muslime gekommen war.