Die „Eroberungsfront Syriens“ (früher: Al-Nusra-Front) ist mit ihren ehemaligen Verbündeten, die bisher gemeinsam mit ihr in der Provinz Idlib kämpften, blutig zusammengestossen.
Einige dieser Verbündeten haben den Waffenstillstand angenommen, von dem die „Eroberungsfront“ ausgeschlossen ist, und sie nehmen an der Konferenz von Astana teil, die unter russischer Leitung und türkischer sowie iranischer Mitwirkung über die Bühne geht. Zu den Beteiligten gehört Ahrar al-Scham (die „Freien von Syrien“), eine Dachgruppe, die aus einem Zusammenschluss mehrerer islamistischer Milizen besteht.
Die isolierte „Eroberungsfont“ wittert Verschwörung
Die Ahrar-Dachorganisation hatte einen Verbündeten, der sich Dschaisch al-Mujahidin (Heer der Kämpfer im Heiligen Krieg) nannte. Diesen hat die „Eroberungsfront“ am vergangenen Dienstag angegriffen und „liquidiert“, wie ihre Sprecher am Mittwoch mitteilten. Sie warfen dem „Heer der Kämpfer im Heiligen Krieg“ vor, dass ihre Anführer den Amerikanern und Russen einige der von der „Eroberungsfront“ gehaltene Stellungen und Verstecke verrieten, so dass sie bombardiert werden konnten.
Die „Eroberungsfront“ erklärte, eine Verschwörung gegen sie sei im Gange. Sie habe versucht, eine geeinigte Front mit allen sunnitischen Gruppen zu bilden. Doch manche dieser Gruppen zögen es vor, mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten.
Die „Freien Syriens“: Gegenpol zur „Eroberungsfront“
Umgekehrt kritisierte die Dachorganisation der „Freien Syriens“ die „Eroberungsfront“ für ihr Vorgehen gegen das „Heer der Kämpfer im Heiligen Krieg“. Dadurch werde der Widerstand gegen Asad geschwächt. Zwischen den „Freien Syriens“ und der „Eroberungsfront“ hatte es bereits früher Reibungen gegeben. Dabei ging es um eine weitere Gruppe, die sich „Jund al-Aqsa“ nennt, „Soldaten der Aqsa Moschee“. Diese Gruppe steht im Verdacht, ein heimlicher Arm des IS zu sein.
Die „Freien Syriens“ waren mit ihr zusammengestossen, nachdem sie einige ihrer Führungspersonen ermordet hatten. Dennoch hatte die „Eroberungsfront“ sie als Verbündeten angenommen. Dagegen hatten die „Freien Syriens“ protestiert, und nach einigem Hin und Her hatte die Eroberungsfront die „Aqsa Soldaten“ wieder ausgebootet. Doch war das Misstrauen zwischen der „Eroberungsfront“ und den „Freien Syriens“ geblieben. Der Zustrom von Kämpfern aus dem besiegten West-Aleppo nach der Idlib Provinz hat die Spannungen zwischen der „Eroberungsfront“ und den „Freien Syriens“ weiter verstärkt, weil viele der Kämpfer Aleppos zu den „Freien Syriens“ gehören oder mit ihnen gemeinsam in Aleppo gekämpft hatten.
Die „Eroberungsfront“ weitgehend isoliert
Die „Eroberungsfront“, die zu al-Qaida gehörte, bevor sie sich im vergangenen Juli mit Zustimmung von al-Qaida offiziell von al-Qaida trennte, gilt als die stärkste, schlagkräftigste und entschlossenste Gruppe des Widerstandes in Idlib. Sie ist aber von dem Waffenstillstands- und möglichen Friedensprojekt von Astana ausgeschlossen. Sie hatte versucht, nach dem Fall von Aleppo eine vereinigte Front des Widerstandes in Idlib zu bilden. Doch dies misslang. Nun stehen die kleineren Gruppen in der Idlib-Provinz vor der Frage, ob sie sich der „Eroberungsfront“ oder den „Freien Syriens“ anschliessen sollen. Bisher haben sich drei kleinere Gruppen für die „Freien Syriens“ und eine für die „Befreiungsfont“ entschieden.
Das Resultat dieses Spaltungsprozesses besteht zwangsläufig darin, dass der Widerstand gegen Asad in Idlib geschwächt wird. Idlib, Provinzhauptstadt und Provinz, ist das einzige grössere Territorium, neben den vom IS beherrschten Teilen Syriens, das sich fest in den Händen des Widerstandes befindet. Die Führung der Armee Asads hat bereits angekündigt, dass sie Idlib als nächstes Ziel zu „befreien“ gedenkt.
Astana bisher ohne direkte Kontakte der Gegner
Aus dem fernen Astana ist zu vernehmen, dass bisher die Delegation der Widerstandskämpfer nicht in direkte Gespräche mit Vertretern Asads eingetreten sei. Die Russen melden, die Aussenminister der Türkei und Russlands hätten miteinander telefoniert und seien übereingekommen, dass ihre Diplomaten in Astana weiterhin mit den beiden Seiten arbeiten sollten.
Ein Frieden, so merkten die Russen an, sei nur möglich, wenn die beiden syrischen Seiten miteinander in Verhandlungen einträten. Das Hauptziel von Astana, so hiess es auch, bestehe darin, den Waffenstillstand zu stärken. Darin seien sich Russland, die Türkei und Iran einig.
Unterschiedliche Zielvorstellungen
Am Rande der Konferenz war zu erfahren, dass die syrische Delegation Einzelabkommen mit den unterschiedlichen Rebellengruppen an den verschiedenen Fronten anstrebe, gewissermassen lokale Versöhnungsabkommen. Doch die Rebellendelegation, welcher Vertreter der „Freien Syriens“ und einer ähnlichen Dachorganisation, des „Islamischen Heeres“, angehören, bestehen darauf, dass ein möglicher Frieden sich auf ganz Syrien beziehen müsste.
Bisher haben sich die syrischen Konferenzteilnehmer der beiden Seiten geweigert, ein gemeinsames Kommuniqué über den Ausgang der Konferenz zu unterschreiben. Die russischen Diplomaten hatten vorsichtig von Beginn der Konferenz an erklärt, Astana solle nur dazu dienen, die Konferenz von Genf vorzubereiten, die im Februar dort wieder aufgenommen werden soll.
Fazit: Die Gespräche in Astana sind nützlich für Asad und Russland, nicht so sehr weil sie Frieden in Syrien versprechen, sondern vielmehr, weil sie zur Spaltung der Opposition gegen Asad beitragen.