Streng blickt sie uns in Grün auf der Fünfzig-Franken-Note entgegen und war doch ein so phantasievoller, spielerischer Geist. Gewiss war Disziplin auch ein Wesensteil der grossen Künstlerin – so war sie streng in ihren bildnerischen Formulierungen der geometrischen Abstraktion, zu der sie als erste Frau überhaupt vorgestossen war. Aber ihr bedeutendster Wesenszug war eine unerhört kreative Neugier, die sie an den wichtigsten europäischen Kunstströmungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts massgeblich teilnehmen liess.
Frühe Kreativität an den Schnittstellen von Kunst
Sophie Taeuber wurde am 19. Januar 1889 in Davos geboren. Ihr Vater stammte aus Preussen und starb zwei Jahre nach Sophies Geburt. Die Mutter, eine ungemein begabte und kreative Frau, die sich und ihre fünf Kinder im appenzellischen Trogen mit dem Führen einer Pension im von ihr selbst entworfenen Haus durchbrachte, nahm für sich und ihre Tochter wieder die schweizerische Staatsbürgerschaft an. Sie erkannte und förderte früh das künstlerische Talent der Tochter und schickte sie nach St. Gallen in die Ecole des arts décoratifs, wo sie Textildesign studierte. Später vervollständigte Sophie ihre Studien in München und Hamburg. 1914 zog sie nach Zürich und nahm Tanzunterricht beim berühmten Choreographen Rudolf von Laban und dessen Assistentin Mary Wigmann, was sie zur Künstlergruppe Monte Verità in Ascona führte.
Allein schon dieser Ausbildungsgang zeigt die vielfältigen Interessen der Künstlerin auf. Ihre Arbeit sollte zeitlebens geprägt sein von den Schnittstellen der verschiedenen Künste und deren Formulierungmöglichkeiten. Mit der Begegnung mit dem schon damals bekannten Künstlers Hans Arp und der späteren Heirat der beiden trat Sophie in eine entscheidende Entwicklung. Die gegenseitige Anregung blieb nach aussen jedoch praktisch unbemerkt. Sophie bestritt als Lehrerin an der Textilklasse der Kunstgewerbeschule Zürich praktisch allein den Lebensunterhalt der beiden und hielt sich – und das scheint ein Wesenszug von ihr gewesen zu sein – immer bescheiden im Hintergrund. Sie zeigte ihre Arbeiten niemandem, sodass alle Welt nur auf den charmanten, weltgewandten Hans Arp starrte und sie dabei völlig übersah.
Dada und Design
Mit Hans Arp aber trat sie in den Zürcher Kreis der Dada-Bewegung ein und belebte ihn sofort auf vielfältigste Weise, vor allem als Tänzerin sowie Kostüm- und Szenerie-Entwerferin der Dada-Aufführungen im legendären Café Voltaire in der Zürcher Spiegelgasse. Sie beherrschte nicht nur verschiedene Kunstformen, sie setzte sie auch vor Publikum selber um. So wurde ihr die performative Ausdrucksweise auch nach diesen fünf Jahren zu einem Teil ihres künstlerischen Selbstverständnisses.1926 zog Hans Arp nach Strassburg, nannte sich fortan Jean Arp, und beide nahmen die französische Staatsbürgerschaft an. Es begann eine künstlerisch sehr fruchtbare Zeit, die Sophie, welche weiterhin in Zürich der Lohnarbeit nachging, jedoch an die Grenzen ihrer gesundheitlichen Kräfte bringen sollte. Sie wirkte an diversen Architekturgestaltungen mit, entwarf Stoffe und designte Inneneinrichtungen. Die gemeinsame Arbeit an der Innengestaltung der „Aubette“ am Strassburger Place Kléber blieb leider das einzige nach dem Zweiten Weltkrieg erhaltene Zeugnis der räumlichen Gestaltungskraft Sophies. La Grande Guerre trieb das Ehepaar denn auch zuerst für zwei Jahre – in aller Armut, doch es waren glückliche Jahre – nach Grasse, 1942 aber wieder zurück nach Zürich. Beider Kunst wurde ja als „Entartete Kunst“ auch im besetzten Frankreich verfemt und jeder Verkauf verboten.
Tragischer früher Tod
Und in Zürich, wo alles begonnen hatte, sollte das Leben Sophies auch ein tragisches Ende finden. Die Arps übernachteten im Haus des Schweizer Künstlers Max Bill, der eine gemeinsame Lithographie der beiden herausbringen wollte, in zwei getrennten Räumen. Sophie machte in der bitterkalten Januarnacht dieses 13. Januar 1943 im kleinen Kanonenofen ihrer Schlafkammer Feuer an und wachte nicht mehr auf: Kohlenmonoxyd-Vergiftung. Hans Arp erholte sich nie mehr vom Verlust seiner geliebten Frau und Kameradin. Er verfügte testamentarisch, dass niemals eine Ausstellung seiner Werke ohne Teilnahme von Werken Sophies stattfinden dürfe.
2003, also 60 Jahre nach Sophies Tod, erwarb das Pariser Centre Pompidou die kleine Skulptur „Dada-Kopf“ für eine Million Euro, eine andere Version des Dada-Kopfes ging an das MOMA in New York. Nur langsam schält sich das Bild Sophies als einer der wesentlichsten Künstlerinnen und Pionierinnen ihrer Epoche (und ganz sicherlich der Schweiz) deutlicher heraus. Sie entkommt – 70 Jahre nach ihrem Tod – dem Dunstkreis ihres Mannes.