Gisela Blau empfiehlt
Martin Walker: Reiner Wein
Der langjährige Journalist Martin Walker tut für das Périgord und die Dordogne, was Frances Mayes für die Toscana tat - er weckt den unbändigen Wunsch, gleich hinzureisen. Sein Held ist Bruno, Chef de Police in der fiktiven Kleinstadt Saint Denis, sein Thema die Gegenwart vor dem Hintergrund der mittelbaren Vergangenheit. Auch Brunos sechster Fall hält, was er verspricht. Es gibt eine geraubte Antiquitäten und sogar einen üblen Mord. Die - gut recherchierten - Spuren führen wieder einmal zurück in die Zeit der Résistance, diesmal zu einem Zugüberfall 1944, bei dem sie viele Milliarden Francs erbeutete, die grossmehrheitlich verschwunden sind. Aber Bruno ermittelt nicht nur, er kocht auch hervorragend. Dabei profitiert er von den Produkten des Périgord und exzellenten lokalen Weinen. Bruno liebt zu allem Überfluss zwei Frauen. Pamaela, die aus Schottland stammt wie der Autor, und die Polizistin Isabelle, die ihre Karriere mehr liebt als ihn.
Reiner Wein von Martin Walker, übersetzt von Michael Windgassen, Diogenes Verlag, Hardcover Leinen, 416 Seiten, erschienen im Mai 2014, ISBN 978-3-257-06896-2, Fr 32.90, auch erhältlich als E-Book. Originaltitel: The Resistance Man.
Ian McEwan: Honig
Sublimer, superb geschriebener Ausflug in den Kalten Krieg, als alles einen doppelten Boden zu haben schien. Der Roman handelt von Sex und Spionage, Politik und persönlichen Dramen. Serena Frome ist eine schöne, behütet aufgewachsene, hochbegabte Mathematierikerin und eine leidenschaftliche Leserin mit der Gabe, Geschriebenes paketweise aufzunehmen. Sie schliesst eben ihre Studien in Cambridge ab, als sie, ohne es zu merken, von einem verheirateten Professor für den Geheimdienst MI5 getrimmt wird. Er führt sie während verschwiegenen Wochenenden ein in die britische Geschichte, in die kulinarische Kultur, und als sie so weit ist, wie er sie haben wollte, nämlich im der Spionagezentrale, serviert er sie kaltblütig ab. McEwan webt ein brillantes Spinnennetz. Weil der MI5 Schriftsteller beobachten will, muss Serena den literarischen Kreis eines vielversprechenden Autors unterwandern. Der Codename der Operation lautet «Honig». Doch weil die Liebe in das Lügengebilde eindringf, nimmt das Verhängnis seinen Lauf.
Ian McEwan, Honig, übersetzt von Werner Schmitz, Diogenes Verlag, Hardcover Leinen, 464 Seiten, erschienen im Oktober 2013, ISBN 978-3-257-06874-0, Fr 32.90.Auch erhältlih als Tascenbuch, Hörbuh, E-Book. Originaltitel: Sweet Tooth.
Frank Schätzing, Breaking News
Ein Hammer von einem Roman, schwer an Gewicht und an Inhalt. Der frühere Werber Frank Schätzing lässt einen kaum einmal zu Atem kommen. Hauptperson ist der Deutsche Tom Hagen, ein Star unter den Kriegsreportern, der alles für eine gute Reportage gibt. Der Nahe Osten ist sein Spielfeld, hier arbeitet er an der vordersten Front aller Konflikte. Rasant, manchmal in etwas saloppem Stil beschrieben, scheitert Tom Hagen in Afghanistan derart gewaltig an einer schief gegangenen Aktion, dass er ruiniert ist und um seine Rehabilitation als Reporter kämpfen muss. In Israel wittert er eine Chance, als ihm Daten des Inlandgeheimdienstes zugespielt werden. Er ahnt nicht, auf was er sich damit einlassen will. Aber er gewinnt die Ärztin Yael als Verbündete. Der gut recherchierte Thriller, der alle aktuellen politischen und militärischen Entwicklungen enthält, ist verwoben mit der Geschichte von zwei eingewanderten Familien, die bis in die Zwanzigerjahre zwischen Deutschland und der britischen Kolonie Palästina zurückreicht und noch längst nicht vergessen ist.
Frank Schätzing, Breaking News, 976 Seiten, Hardcover, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-04527-7, erschienen im März.2014, Fr. 37.10. Auch erhältlich als E-Book.
Urs Meier empfiehlt
Herta Müller: Vater telefoniert mit den Fliegen
Zum Schauen und zum Lesen: Die Nobelpreisträgerin Herta Müller schneidet Wörter aus und collagiert sie zu Textbildern. Sie nimmt Wörter als Fundsachen, begreift Sätze als Kombinatorik. Der Sinn, der aus diesen Spielereien mit Schere und Leim hervor ploppt, oszilliert zwischen absoluter Poesie und vertrackten Eingriffen in die alltäglichen Redeflüsse. Herta Müllers Collagen entschleunigen das Lesen. Wie von selbst läuft da immer eine Reflexion über die Sprache mit.
Herta Müller Vater telefoniert mit den Fliegen, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt a.M. 2014, 207 S., CHF 18.90 (oder gebunden: Hanser Verlag, CHF 28.70)
Volker Weidermann: Ostende
Im belgischen Badeort Ostende treffen sich die von den Nazis vertriebenen Schriftsteller Stephan Zweig, Joseph Roth und Irmgard Keun; am Rand des Geschehens erscheinen Hermann Kesten, Egon Erwin Kisch, Ernst Toller, Klaus Mann und weitere. Ostende wird zum Warteraum vor der endgültigen Flucht oder dem persönlichen Untergang. Da können selbst eine Freundschaft wie die zwischen Zweig und Roth oder eine Liebe wie die zwischen Keun und Roth nur hoffnungslose Geschichten sein – traurige, schöne Geschichten. Volker Weidermann, Feuilletonchef der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung», beweist mit seinem zu Recht erfolgreichen Buch, dass die Exilgeschichten aus dem Umfeld des Dritten Reichs noch nicht zu Ende erzählt sind.
Volker Weidermann: Ostende. 1936 - Sommer der Freundschaft, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, 159 S., CHF 28.90 (auch als E-Book oder Hörbuch)
Paul Nizon: Das Fell der Forelle
Aus der Substanz seines jahrzehntelangen Schreibens hat der in Paris lebende Schweizer Paul Nizon einen kleinen Roman hingezaubert. Stolp, der Ich-Erzähler, erbt eine bescheidene Wohnung in Paris, von der er noch nicht weiss, ob sie ihm definitiv zufällt. Er zieht dort ein, ohne richtig anzukommen. Alles bleibt offen: wer er eigentlich ist, was er will, seine intimen und flüchtigen Begegnungen. «Es geht alles seinen Gang,» heisst es mehrmals, als ginge die Welt diesen Herumtreiber nichts an. Gewissermassen als Gegenmotto taucht immer wieder das «Fliegen oder Stürzen» auf. Ein Stolperer ist dieser Stolp, der nicht Tritt fasst und von seiner Herkunft aus einer Luftakrobaten-Dynastie schwadroniert. Nizon zeigt sich als Meister des Beiläufigen, indem er diesen Schwebezustand eines Unbehausten, dieses traumwandlerische Balancieren über dem Abgrund leichthin zum Bild einer prekären modernen Existenz formt.
Paul Nizon: Das Fell der Forelle. Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005, 125 S. CHF 28.90
Christoph Kuhn empfiehlt
Yasmina Reza: Glücklich die Glücklichen
Das ist ein kleines Buch, keine 200 Seiten stark – und es macht einen glücklich, weil es so witzig ist, so gut geschrieben, so hinterhältig schlau ausgedacht. Die französische Autorin, berühmt geworden mit ihren Theaterstücken „Kunst“ oder „Der Gott des Gemetzels“, führt uns in 21 Texten ein paar Pariser Stadtbewohner vor, gehobener Mittelstand, setzt sie zueinander in Beziehung, beobachtet, ertappt sie in delikaten Szenen und Situationen, die sie in Form von inneren Monologen beschreibt. Ist man auf der letzten Seite angekommen, hat man das Gefühl, einen dicken Roman gelesen zu haben, um ein paar maskierten, mitnichten glücklichen Existenzen sehr nahe zu kommen.
Yasmina Reza: Glücklich die Glücklichen, aus dem Französischen von Frank Heinert und Hinrich Schmidt-Henkel; Hanser Verlag 2014; 30.50 Sfr.
Gertrud Leutenegger: Panischer Frühling
Mit ihrer Fantasie, ihrer dichten und luziden Sprache gehört sie seit langem zu den Koryphäen der neueren Schweizer Literatur. Jetzt überrascht sie uns mit einer Erzählung, die in London spielt, zur Zeit als in Island der Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen ausgebrochen war. Die autobiografisch ausgestattete Ich-Erzählerin spaziert durch das untergründige, randständige, das wässerige, von der Themse dominierte London, begegnet einem schrecklich entstellten Zeitungsverkäufer, verliert sich in eigenen und fremden Kindheitserinnerungen. Ein musikalisches Stück Prosa ist Gertrud Leutenegger da gelungen, fremdartig, mit gestochen scharfen realistischen Szenen und fast ins Lyrische abdriftenden Stimmungen.
Gertrud Leutenegger: Panischer Frühling, Suhrkamp Verlag 2014, 28.50 Sfr.
Richard Yates: Eine strahlende Zukunft
Sie ist natürlich alles andere als strahlend, die Zukunft, die der amerikanische Autor Richard Yates (1926 – 1992) seinem Hauptrollenträger, dem Schriftsteller Michael Davenport und seiner Frau Lucy andichtet. Das wird niemanden erstaunen, der Yates kennt und schätzt. Dieser Autor ist in erster Linie ein grandioser Beschreiber des Versagens und Scheiterns. Wie er Dialoge schreibt, wie er seine Figuren sanftmütig, liebevoll und doch ätzend von Niederlage zu Niederlage führt, wie er, ganz nebenbei, mittelständische gesellschaftliche Strukturen in den USA der Nachkriegszeit blosslegt – das findet nicht seinesgleichen in der nordamerikanischen Literatur und hat ihm, der zu Lebzeiten wenig Beachtung fand, zu grossem Nachruhm verholfen.
Richard Yates: Eine strahlende Zukunft, aus dem Englischen von Thomas Gunkel, DVA 2014, 35.90 Sfr.
Stephan Wehowsky empfiehlt
Maigrets und Non-Maigrets
Ferienzeit, auch Zeit für die Backlist: Seit Jahren gibt der Diogenes Verlag die Werke von Georges Simenon in zwei schönen Bibliotheken heraus: „Sämtliche Maigret-Romane“ und „Ausgewählte Romane“. Immerhin hat Simenon 120 Romane ohne seinen Kommissar geschrieben. Die „Maigrets“ und die „Non-Maigrets“ haben keinerlei Staub angesetzt, sind spannend und einzigartig in ihren genauen Milieuschilderungen.
Nicht umsonst hat Walter Benjamin, der intellektuelle Flaneur und scharfe Beobachter, bekannt, jeden neuen Simenon-Roman sofort zu lesen. Und zu seinen „Non-Maigrets“ meinte Simenon: »Wenn es einem Autor gestattet ist, einen Wunsch auszusprechen, so lautet meiner, dass man mich nach der ›Marie vom Hafen‹ und nach dem ›Weissen Ross‹ bewerten möge.«
Richard Hughes: "In Bedrängnis"
Im Jahr 1938 erschien in England ein Roman, der wie eine Bombe einschlug: „In Hazard. A Sea Story“. Ganz überraschend kam dieser Erfolg nicht, denn der Autor Richard Hughes war damals eine bekannte Persönlichkeit am Literatenhimmel. Mit „A High Wind in Jamaica“ hatte er schon 1928 in England und den USA einen Bestseller gelandet. In seinem Roman von 1938, der von der Kritik als Meisterwerk und Parabel auf die Krisenjahre gefeiert wurde, beschrieb er vordergründig die Todesangst auf einem Schiff, das in einen Hurrikan gerät. Unvergesslich ist die Art, wie Hughes mit eiserner Konsequenz Schritt für Schritt die Entwicklung des Desasters verfolgt. Wunderbar übersetzt von Michael Walter, hat der Verlag Dörlemann daraus ein bibliophiles Kleinod gemacht.
Richard Hughes: "In Bedrängnis". Aus dem Englischen von Michael Walter, Dörlemann 2012
Carsten Jensen: "Wir Ertrunkenen"
Über 100 Jahre erstreckt sich der Roman von Carsten Jensen. Er beginnt mit dem deutsch-dänischen Krieg von 1848 und endet 1945. Schon die Beschreibungen der ersten Scharmützel, an denen die Bewohner des kleinen Inselortes Marstal zunächst mit grosser Begeisterung teilnehmen, sind so packend, dass man den weiteren Erzählsträngen, die sich über knapp 800 Seiten durch die ganze Welt ziehen, gespannt folgt. Diese Buch „ist der Inbegriff eines Schmökers“, schrieb die FAZ. Kein Wunder, denn der Autor ist ein ausgebuffter Literat und Essayist, der hier einmal zeigen wollte, wie man einen Bestseller schreibt. Es ist ihm gelungen.
Carsten Jensen: "Wir Ertrunkenen", aus dem Dänischen übersetzt von Ulrich Sonnenberg, Knaus Verlag, München 2008
Ignaz Staub empfiehlt
Axel Hacke: „Fussballgefühle“
Runde Emotionen: Das Bändchen ist zwar schmal, sein Anspruch aber ambitiös: Axel Hacke, Kolumnist des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“ und früherer Sportreporter, will sich dem Phänomen Fussball nicht als Fan, sondern als Freund des Sports nähern. Obwohl er in „Fussballgefühle“ einräumt, dass seine Haltung nicht frei von Kontradiktion ist: „Aber das Widersprüchliche ist ja nun gerade das Interessante am Leben. Und am Fussball sowieso.“ Auf jeden Fall bezieht Hackes Buch seinen Reiz aus eben dieser Spannung, dass da einer den Fussball zwar über alles liebt, seine Beziehung zum Sport aber ständig reflektiert und überprüft. Entstanden ist so ein ebenso amüsantes wie lehrreiches Werk über die wichtigste Nebensache der Welt.
Axel Hacke: „Fussballgefühle“; Verlag Anje Kunstmann München; 171 Seiten; ca. 25 Franken.
Julia Dahl: „Invisible City“
Brooklyn noir: Das Genre des Journalistenromans ist nicht eben reich an Titeln. Noch immer gilt Evelyn Waughs „Scoop“ aus dem Jahre 1938 als sein wohl bester Vertreter. Umso lieber liest einer zur Abwechslung Julia Dahls Kriminalroman „Invisible City“, der innerhalb der schwer zugänglichen Gemeinschaft der Hasidim in Brooklyn spielt. Eine junge Frau ist ermordet worden, die lebenslustiger war, als es die fromme Gemeinschaft erlaubt, und Rebekah Roberts, freie Reporterin des Boulevardblatts „New York Tribune“, wird auf den Fall angesetzt, der die lokale Polizei erst nicht zu interessieren scheint. Ausser den lokaljournalistischen Alltag akribisch zu porträtieren, schildert der Roman, wie sich die Protagonistin tiefer und tiefer in einen Fall verstrickt, der sie am Ende auch ganz persönlich betrifft.
Julia Dahl: „Invisible City“; Minotaur Books New York; 298 Seiten; $ 24.99.
Rose George: „Deep Sea“
Die britische Autorin Rose George ist eine Reiseschriftstellerin der besonderen Art. Ihre Destination in „Deep Sea and Foreign Going“ ist nicht die exotische Fremde, sondern ein nur auf ein ersten Blick trockenes Sujet: die globale Container-Schifffahrt. George reist während fünf Wochen auf der dänischen „Maersk Kendal“, einem 300 Meter langen und 40 Meter breiten Frachter, der bis zu 15 000 Container transportieren kann, vom britischen Felixstowe nach Singapur. Sie erkundet dabei wenig bekannte Aspekte des Container-Frachtverkehrs, von der Ökonomie über die Risiken bis hin zur Technik – und immer wieder das Los der geplagten Crew, welche die „Kendal“ belädt, unterhält und steuert. Am Ende möchte man, allen Unannehmlichkeiten zum Trotz, selbst an Bord des Schiffes mitreisen.
Rose George: „Deep Sea and Foreign Going: Inside Shipping, the Invisible Industry That Brings You 90 % of Everything“; Portobello Books London; 308 Seiten; £ 8.40:
Reinhard Meier empfiehlt
Georgio Bassani: Die Gärten der Finzi-Contini
Dieses Werk ist schon vor fast 50 Jahren erschienen, es gehört also nicht zur Kategorie der saisonalen Bestseller – das spricht für seine Qualitäten. Der Autor Georgio Bassani ist im jüdischen Bürgertum von Ferrara aufgewachsen. In diesem gebildet-wohlhabenden Milieu spielt seine zarte und rätselhafte Geschichte einer grossen unerfüllten Jugendliebe. Sie wird erzählt vor dem Hintergrund des Untergangs der grossbürgerlichen Familie der Finzi-Contini im faschistischen Italien. Manches an diesem melancholisch grundierten, aber nie sentimentalen Buch erinnert an Prousts „A la recherche du temps perdu“.
Giorgio Bassani: Die Gärten der Finzi-Contini, Wagenbachs Taschenbuch, Berlin 2013
Roger Schwawinski: Wer bin ich?
Wer kennt ihn – zumindest in der deutschsprachigen Schweiz – nicht, den alten Medienhasen? Seine Tausendsassa-Taten, seine Erfolge und gelegentliche Niederlagen sind oft erzählt worden –nicht zuletzt von ihm selber. Und doch erfährt man in dieser flüssig geschriebenen Autobiographie manches, was vielen seiner Kritiker und Bewunderer so kaum bekannt war. Berührend ist die Geschichte seiner Familie, das innige Verhältnis zu den Eltern aus bescheidenen Verhältnissen. Und durchaus inspirierend, jedenfalls für Altersgenossen, sind die Reflexionen über die Endlichkeit des Geschäfts im Rampenlicht und der Lebenszeit überhaupt.
Roger Schawinski: Wer bin ich? Kein & Aber, Zürich 2014
René Zeyer empfiehlt
Robert Harris, Intrige
Der Fall Dreyfus, ein zu Unrecht der Spionage beschuldigter jüdischer Offizier, ein Skandal, der 1894 Frankreich erschütterte. Der britische Autor Harris schreibt fiktionalisiert, aber historisch genau einen Politthriller über einen Geheimdienst, der ausser Kontrolle gerät und nur durch die Anstrengungen ehrenhafter und mutiger Männer gebändigt wird. Von atemberaubender Aktualität.
Robert Harris: Intrige, Heyne, München, 2013, 622 Seiten
Leonardo Padura, Ketzer
Padura führt mit seinem kubanischen Detektiv Mario Conde den Leser durch den real existierenden Surrealismus der letzten Insel des Sozialismus. Und weit in die Vergangenheit der jüdischen Diaspora zurück. Verlorene Illusionen prallen auf Überlebensstrategien. Keine Schwarzweissmalerei, sondern ein Buch so bunt wie die tropisch wuchernde Realität. Gebändigt vom bedeutendsten immer noch in Kuba lebenden Autor.
Leonardo Padura: Ketzer, aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein, Unionsverlag, Zürich März 2014, 656 Seiten
Harro von Senger, Die Kunst der List
China kennt eine Kunst der List, die über Jahrhunderte in 36 Strategemen tradiert wurde. Der Sinologe von Senger bringt uns «die weltweit fortschrittlichste Listkunde» näher. Souverän, anschaulich und ohne Moralisierung, die dem Begriff List im Abendland zu Unrecht anhaftet. Es handelt sich um keine blutleere Denksportübung, sondern um eine Methodenlehre, die jeder erfolgreich hier und heute anwenden kann. Anwenden sollte.
Harro von Senger: Die Kunst der List. Strategeme durchschauen und anwenden. C.H. Beck Verlag, München, 2007, 197 Seiten
Heiner Hug empfiehlt
Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken
Dieses Buch verändert Ihr Leben, vor allem Ihr Denken. Es hilft, sich gegen falsche Entscheidungen zu wappnen. Kahneman plädiert dafür, weniger intuitiv zu handeln und mehr rational zu denken. Er weist nach, dass der Mensch sich viel zu viel auf seine Intuition verlässt, oft nicht abstrahieren kann und meist nicht "Herr im eigenen Haus" ist. Das faszinierende Buch des jetzt 80-jährigen Professors für Psychologie und Nobelpreisträgers macht deutlich: Wir sind oft durch Denkmuster ferngesteuert und wissen viel weniger über uns als wir glauben.
Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken, Pantheon Verlag, deutsche Erstausgabe Februar 2014, 622. Seiten
Hillary Clinton: Entscheidungen
112 Staaten hat Hillary Clinton während ihrer Zeit als Aussenministerin besucht. Darüber berichtet sie. Viele Kommentaroren werten das Buch als Eigenwerbung für ihre mögliche Präsidentschaftskandidatur. Doch es es ist viel mehr. Es gibt einen eindrücklichen Einblick in die amerikanische Polit-Maschinerie. Spannend ist unter anderem, was sie zu Putin schreibt. Der Mann habe ein Trauma. Sein Vater habe seine Mutter im Krieg unter einem Leichenberg hervorgezogen. Putin selbst sei also fast nicht geboren worden. Die harte Seite Putin sei pathologisch zu erklären. Mit Putin könne man nicht verhandeln, er kenne nur die Sprache der Stärke.
Hillary Rodham Clinton: Entscheidungen, Droemer, Juni 2014, gebundene Ausgabe CHF 29.--.