Die Ausstellung in einem Berliner Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt am passenden Ort, wie der NS-Fanatismus geschürt und die Kriegsbegeisterung geweckt wurde. Die Parallelen zur derzeitigen russischen Propaganda sind nicht zu übersehen.
Nahe dem Zentrum steht in Berlin ein beinahe unversehrter Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Ausstellung in seinem Innern erzählt von Hitlers Aufstieg, von seiner Verführungskunst, und vom millionenfachen Tod, bis das Monster Nationalsozialismus endlich besiegt ist.
Wie man eine Diktatur mittels Gewalt und Propaganda errichtet: Hier kann man es in beängstigend engen Räumen lernen. Auch für die Gegenwart und für die Zukunft. «Heil! Heil! Heil!» Man hört den vielstimmigen Ruf der Menge noch lange, nachdem man die enge Nische im Berliner Bunker-Museum verlassen hat.
Der Film über den Triumphzug des Diktators Adolf Hitler am 6. Juli 1940 ist ein Meisterwerk, die Kameraleute von Propagandaminister Joseph Goebbels haben ganze Arbeit geleistet. Wir sehen begeisterte Männer, Frauen, Kinder. Feststimmung herrscht, denn Deutschland ist wieder gross und mächtig. In nur 37 Tagen haben Hitlers Truppen Polen erobert, in 42 Tagen Frankreich, dazu Dänemark, Norwegen, Luxemburg, die Niederlande und Belgien, Jugoslawien und Griechenland. Würde jetzt gewählt, Hitler bekäme nach Ansicht der Historiker Zustimmungswerte von 85 bis 90 Prozent.
«Sie haben nicht damit gerechnet»
Damals, an diesem 6. Juli 1940, spielt sich das alles nur etwa hundert Meter entfernt vom riesigen fünfstöckigen Bunker-Koloss ab, in dem wir uns befinden. Ein Tunnel verbindet ihn mit dem Anhalter Bahnhof, von dem Hitler normalerweise abfährt, wenn er sich aufmacht zu seinen Feldzügen. Oder nach Süden, auf den idyllischen Obersalzberg, wo er im weiteren Verlauf des Weltkriegs Elend und Zerstörung nicht sehen muss.
Der Bunker hat das alles überlebt, nur einmal hat ihn eine amerikanische 500-Kilo-Bombe getroffen und einen Krater in die vier Meter dicke Decke gerissen. Kurz nach Hitlers grosser Parade, in der Nacht vom 25. August 1940, ist Berlin von einer Formation der Royal Air Force (RAF) ein erstes Mal angegriffen worden – eine Vergeltungsaktion für den ersten deutschen Luftangriff auf London. «Die Berliner sind wie vor den Kopf gestossen», schrieb der US-Journalist William L. Shirer in sein Tagebuch. «Sie haben nicht damit gerechnet, dass so etwas je passieren könnte.»
Kein Wunder: Hermann Göring, der Chef der deutschen Flugwaffe, hatte ihnen versichert, dass der Feind niemals Berlin angreifen werde. Nun aber ist das Versprechen kassiert und Bunker werden gebaut. Jener beim Anhalter Bahnhof ist gedacht für Passagiere und Beschäftigte der Reichsbahn, weiter für Frauen und Kinder aus der Nachbarschaft. Er bietet auf fünf Etagen 3500 Personen Platz. Doch als der Krieg zu Ende geht und sich der Belagerungsring um Berlin immer enger zieht, flüchten sich alle in die schützenden Mauern.
Ende April 1945 kommt auch die 15-jährige Waltraud Süssmilch mit ihrer Familie in den schon völlig überfüllten Bunker, in dem 12’000 Menschen mehr stehen als sitzen oder gar liegen. «Nichts habe ich vergessen können», erinnert sie sich Jahrzehnte danach, «nicht den Hunger, nicht die Toten, nicht die Vergewaltigungen.» Dann fällt der Generator aus. Keine Atemluft wird mehr angesaugt, das Licht fällt aus, die Toiletten werden nicht mehr abgepumpt. Hitler ist schon tot, da sprengen fanatische SS-Männer den Tunnel direkt unter dem Landwehrkanal und fluten das gesamte Bahntunnel-System. Der Bunker ist mit dem Bahnhof verbunden, auch in ihm steigt jetzt das Wasser. Und die Menschen fliehen in Richtung S-Bahnhof Friedrichstrasse.
«Hitler – wie konnte es geschehen»
An all das erinnert heute die Ausstellung im Innern des Bauwerks. Ende der 1990er-Jahre ist ein erstes kleines Museum entstanden, 2016 dann die «Dokumentation Führerbunker», mit einer originalgetreuen Nachbildung von Hitlers Raum im «Führerbunker». Und 2017 ist auf drei Etagen die Dokumentation «Hitler – wie konnte es geschehen» hinzugekommen.
Die Schau schildert Hitlers Weg, beschreibt, wie wichtig Propaganda und eine unablässige Mobilmachung der Gesellschaft für die Festigung seiner Herrschaft ist. Und sie wertet auch eine hochinteressante Quelle aus. Im Sommer 1934 – der Weltkrieg ist noch fern – sammelt ein US-Professor die Berichte von 400 Nazis, die den Amerikanern erklären sollen, warum es richtig ist, zur Hitler-Bewegung zu gehören. Wiederkehrende Motive aus den Antworten sind der nach dem Ersten Weltkrieg angeschlagene Nationalstolz, die Angst vor sozialem Abstieg, Wut auf das Grosskapital und Hass auf die Kommunisten.
Schon 1936 stellt Hitlers erster Biograf Konrad Heiden fest: «Die nationalsozialistische Weltanschauung erobert Staat und Gesellschaft beinahe vollständig – durch nackte Gewalt, flächendeckende Mobilisierung und Propaganda, aber auch durch Opportunismus und Unterwerfung.»
Vom Anhalter Bahnhof geht nicht nur Hitlers Siegeszug vom Juli 1940 aus. Hier fahren auch 112 Züge mit Jüdinnen und Juden ab mit Ziel Theresienstadt. Es ist für die allermeisten eine Reise ohne Wiederkehr.
Hitler – wie konnte es geschehen. Berlin Story Bunker, Schöneberger Strasse 23a, Berlin www.BerlinStory.de